Aus: Ansicht der freien Hansestadt Hamburg und ihrer Umgebungen, Band 1. 1824. Von Karl Johann Heinrich Hübbe (1764-1855) deutscher evangelischer Theologe u. Schriftsteller
Von der Bauart und dem Geschmack im Bauen in Hamburg, lässt sich im Ganzen nicht viel Rühmliches sagen. Da wo ein jeder nach Gefallen und Willkühr, nach wirklichen oder eingebildeten Bedürfnissen bauen darf, und ohne auf Unterstützung aus dem öffentlichen Beutel hoffen zu dürfen, bauen muss, folglich keinen andern als den höchst notwendigen gesetzlichen Einschränkungen unterworfen ist, lässt sich kein guter und reiner Baugeschmack erwarten. Daher bietet die Stadt noch Proben der ältesten und älteren, so wie der neueren und neuesten Bauart dar. Jene verschwinden freilich jetzt allmählig und sind zum Teil schon verschwunden. Nur noch hin und wieder in der Stadt zerstreut trifft man jene hohen, schwerfälligen, backsteinernen, zum Teil sehr künstlich aufgerichteten Giebel mit hölzernen Lücken, statt der Fenster, wogegen die modernisierten Unterteile des Hauses mit großrautigen Fenstern und krausverzierten Haustüren sonderbar abstechen.
Aus: Ansicht der freien Hansestadt Hamburg und ihrer Umgebungen, Band 1. 1824. Von Karl Johann Heinrich Hübbe (1764-1855) deutscher evangelischer Theologe u. Schriftsteller
Der Hamburger wohnt nicht bloß in Häusern, sondern auch auf Sälen, in Kellern und Buden.
Säle sind eigentlich die obern Stockwerke der Häuser mit einem besondern Eingange von der Gasse, zwei, drei, selbst fünf Treppen hoch. Sie enthalten mehrenteils ein Paar Stübchen, eine Feuerstelle und den nötigen Raum für Holz und Torf. Sie werden fast nur von geringen Leuten bewohnt und sind besonders in den Höfen und Gängen das Obdach der Armen und der Wohnsitz des mannigfaltigsten Elends. Indessen in manchen Gassen werden sie von solchen Leuten bewohnt, welche ihres Gewerbes wegen nicht überall wohnen können. Schiffer, Schiffbauer, Everführer und andere Bürger, welche der Elbe und dem Hafen nahe zu sein wünschen, bewohnen fast ausschließlich solche Säle an dem Kajen, auf dem Kehrwieder und den Vorsetzen, und müssen nicht selten sechzig bis hundert Taler Mietzins geben. Oft sind sie sehr wohlhabend und der Fremde würde sich wundern, hier die größte Eleganz anzutreffen, und sich über die, dieser Einwohnerklasse eigene holländische Reinlichkeit und Nettigkeit freuen.
Twieten sind kleine enge Gässchen, welche den größeren zu Verbindungen dienen und dem Fußgänger zur Abkürzung seines Weges helfen. Sie finden sich mit Ausnahme einer einzigen alle in der Altstadt. Fast in keiner können sich zwei Fuhrwerke ausweichen. Die mehrsten befinden sich in der Nähe der Kirchen, natürlich um den Gläubigen den Umweg zu ersparen, und hauptsächlich in den am engsten bebauten Teilen der Altstadt, wo den Einwohnern solche Durchschnitte fast unentbehrlich waren; sie sind noch jetzt für den Fußgänger eine große Bequemlichkeit, besonders wenn sie für ein Fuhrwerk zu enge sind. Wo aber dieses nicht der Fall ist, da werden sie von den Fracht- und Mühlenwagen oft mehrere Stunden lang gesperrt und erschweren den Fußgängern den Durchgang.
Aus: Ansicht der freien Hansestadt Hamburg und ihrer Umgebungen, Band 1. 1824. Von Karl Johann Heinrich Hübbe (1764-1855) deutscher evangelischer Theologe u. Schriftsteller
Hamburg, wie fast alle sehr alten Städte, ist keine schöne Stadt. Allmählig und nach Gelegenheit angebaut und vergrößert, hat man sich bei dem Anbau nach den Umständen gefügt, oder auch der Willkühr, dem Vorteil und der Bequemlichkeit nachgegeben, ohne auf Regelmäßigkeit und schöne Ansicht zu achten und noch weniger an die Einschränkungen und Hindernisse zu denken, welche dem ferneren Anbau und der künftigen Vergrößerung daraus erwachsen mussten. Etwas regelmäßiger, wie wohl immer noch planlos genug, ist die Neustadt erbauet. Hier war man nicht gezwungen dem Strom nachzugehen und nachzugeben und konnte einzelne regelmäßige Vierecke anlegen und grade, von rechten Winkeln durchschnittene Straßen ziehen.
Aus: Skizzen aus den Hansestädten. Hamburgische Skizzen. Beurmann, Eduard (1804-1883) deutscher Jurist, Publizist und Schriftsteller. 1836
Am Baumhause, wo die Schiffs-Kapitains verkehren, legt der „Ever“ an, aber wir finden noch immer keinen Ruhepunkt. Diese stete Bewegung, die uns auf der Elbe und im Hafen begrüßt hat, dauert fort am Ufer, in den engen Straßen, die von Wagen, Droschken und Fußgängern angefüllt sind, in denen man sich aber vergebens nach Müssigen umsieht. Jede Miene glänzt von Beschäftigung, von Arbeit, von Hast und Eile. Hier Makler, dort Lastträger; hier Ausrufer, dort Ver- und Einkäufer; nirgends Gleichgültigkeit, die gemütlich durch die Straßen schlendert. Alles ist hier praktisch; man sieht es, die Leute haben keine Zeit zu weitläuftigen Theorien. Plan und Ausführung; Gedanke und Tat müssen hier Eins sein. Der Augenblick ist hier der Herrscher, dem alles untertan ist. — Erst im Gasthof mag man sich sammeln, wenn nicht das stete Geräusch der Straßen bis in die entferntesten Zimmer dringt.
Aus: Skizzen aus den Hansestädten. Hamburgische Skizzen. Beurmann, Eduard (1804-1883) deutscher Jurist, Publizist und Schriftsteller. 1836
Die Letztere ist majestätischer, imponierender. Ich möchte behaupten, keine deutsche Stadt biete eine ähnliche Anschauung. Ich will ihre Eindrücke auf mich beschreiben. Kommen doch die meisten Fremden, die Hamburg besuchen, jene Straße. Harburg ist ein freundliches hannoversches Städtchen, am südlichen Ufer der Elbe, vis à vis Hamburg, dessen Anblick Einem jedoch durch die Inseln der Elbe entzogen wird, nachdem man vielleicht schon früher von der Höhe der Chaussee, die nach Harburg bergabwärts führt, die Türme der alten Hansestadt erblickt hat, die hier schöne Ruhepunkte für das Auge bietet, das unaufhaltsam über Flur, Wald und Fluss umherstreift, nach dem Ziel der Reise spähend, das dem Fremden so viel verspricht.
Aus: Skizzen aus den Hansestädten. Hamburgische Skizzen. Beurmann, Eduard (1804-1883) deutscher Jurist, Publizist und Schriftsteller. 1836
Von Harvestehude nach Eppendorf macht der Sand seine Macht geltend. Das letztere Dorf jedoch ist ein Lieblingsaufenthalt der Hamburger. Es wird von Winterhude durch die Alster getrennt, die hier eine romantische Richtung nimmt.
Aus: Skizzen aus den Hansestädten. Hamburgische Skizzen. Beurmann, Eduard (1804-1883) deutscher Jurist, Publizist und Schriftsteller. 1836
Ich weiß nicht, ob die „schöne Marianne“ noch lebt, oder ob sie noch schön ist, wenn sie noch lebt. Sie hielt in früherer Zeit in Eimsbüttel Haus und Hof, d. h. eine Gastwirtschaft, die von Einheimischen und Fremden besucht wurde. Die schöne Marianne galt für eine Merkwürdigkeit Hamburgs. Sie war eine holsteinische Schönheit: groß, fest und körnig, und mit ein Paar Augen versehen, die, wie der Plöner See, schmachtend da lagen, von edlen, langen Seiden-Wimpern beschattet, wie jener von duftigem Grün. Aber ihre Schönheit, die eben nur durch die Augen einen poetischen Anstrich erhielt, im Übrigen zu sehr nach Fleisch und Blut aussah , war nicht die größte Merkwürdigkeit an dieser Marianne.
Aus: Skizzen aus den Hansestädten. Hamburgische Skizzen. Beurmann, Eduard (1804-1883) deutscher Jurist, Publizist und Schriftsteller. 1836
Wenn ich den staatsbürgerlichen und kirchlichen Zustand Hamburgs besprochen habe, so sei es mir vergönnt, noch der Zuckersieder-Knechte und Dienstmädchen zu gedenken. Auch sie verdienen genannt zu werden. Wenn ein Franzose — ich glaube, es war Balzac — behauptete, die Bremer Kellnerinnen hätten große Ähnlichkeit mit den Münchener Kellnerinnen, so war das ein grober Irrtum.
Aus: Skizzen aus den Hansestädten. Hamburgische Skizzen. Beurmann, Eduard (1804-1883) deutscher Jurist, Publizist und Schriftsteller. 1836
Die Juden haben in Hamburg ein Asyl gefunden; man konnte sie nicht wohl ausweisen. Hamburg hatte den reichen Banquier Heine und so viele andere reiche Juden, und da ist man denn gnädig gewesen, und die Inden dürfen in Hamburg wohnen und handeln. Zur Advokatur werden sie nicht gelassen, in Zünfte und dergleichen Institute erhalten sie keinen Zutritt, und an eine Vereinigung Hamburgs mit Israel im Geiste und in der Wahrheit ist fürs Erste nicht zu denken.
Ich will die Leser zu einer Lichtseite der Hansestadt führen, und diese ist das Familienleben. Der Hamburger verkehrt zu sehr mit der Welt, als dass er sich der Sozialität entäußern könnte. Der gebildete Hamburger nimmt sie mit hinüber in den Familienkreis, in die Stille der Landhäuser, zur dampfenden Teemaschine, in die Zutraulichkeit des eigenen Herdes. Wie auffallend kontrastiert die Gemütlichkeit und das noble, ungenierte, soziale Savoir faire [Knowhow] in den Häusern des gebildeten Hamburgs mit der Grobheit auf der Straße, mit der Rohheit bei Ahrens.
Man folge mir zu Peter Ahrens, zu dem Salon des berühmten Peter Ahrens, dessen Name in Deutschland jedem Handelsreisenden bekannt ist. Wer sind jene geputzten, in glänzendem Schmucke schimmernden Damen, jene lockenden Nymphen, die im wirbelnden Tanze das zitternde Parket des schönen, prachtvollen Salons, unter rauschendem Orchester, umkreisen? Alles ist feenhaft eingerichtet, reiche Kandelaber, funkelnde Kronleuchter, seidene Vorhänge zieren den Saal; wo befinden wir uns? An der Stätte, wohin die Pandemos ihre Priesterinnen sendet.