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Keller sind hier, wie überall, die Untergeschosse der Häuser. Der Kaufmann bedient sich derselben als Gelaß für solche Waren, welche von der Feuchtigkeit nicht leiden, z. B. Färbeholz. Korn dagegen, Kaffe, Zucker, Tabak, verlangen trockene Böden. Aber bei weiten die mehrsten dieser Keller, sowohl in der Alt- als Neustadt, werden von Menschen bewohnt. Es ist nicht zu leugnen, sehr viele derselben sind eine höchst ungesunde Wohnstätte für lebendige Wesen und in den abgelegenen Gegenden der Stadt die Schlupfwinkel der Armut und des eigentlichen Elends. Indessen sind die Ansichten über diesen Gegenstand oft sehr unrichtig und die Vorstellungen von der Ungesundheit und Schädlichkeit dieser Wohnungen, besonders bei den Auswärtigen, sehr übertrieben. Das Nachteilige für die Gesundheit liegt bei weitem nicht immer in den Kellern selbst, sondern ist eine Folge der, von der Armut fast nie zu trennenden Unreinlichkeit, Mutlosigkeit und des Mangels an Interesse an sich selbst. Die wirklich schlechten, Höhlen ähnlichen Keller werden daher auch nie von ordentlichen Leuten gemietet und gesucht. Diese aber bemühen sich, einen ihnen gelegenen und zu ihrem Geschäfte passenden Keller zu finden und würden ihn gegen ein bequemes Häuschen in einer andern Gegend der Stadt nicht vertauschen. Manche Gewerbe konnen hier nur in einem Keller getrieben werden. Ein Grünhöker z. B. kann nicht auf einem Saal wohnen. Auch sind die, hier sogenannten Kellerleute eben so wenig, als die welche in den Gängen wohnen, den ganzen Tag zu Hause, sondern leben als Arbeiter, Tagelöhner, Handwerker, in der freien Luft, während die Frau, wenn sie nicht etwa als Wäscherin oder Scheuerfrau aushäusig sein muss, bei beständig offenen Türen einen kleinen Verkauf treibt, welcher sie schon um ihrer Kunden willen zur Reinlichkeit nötigt. Daher trift man in diesen unterirdischen Wohnungen sehr viel Rechtlichkeit und nicht selten Wohlhabenheit an. Es ist gar nichts Ungewöhnliches, dass der Eigentümer eines Hauses im Keller wohnt und dieses an einen Bewohner vornehmen Standes vermietet. Vielleicht hat er das Haus nur gekauft, um nicht aus seiner Wohnung vertrieben zu werden und seine Nahrung einzubüßen.

In den niedrigen Gegenden der Stadt sind die Keller, folglich auch die bewohnten, den Überschwemmungen im Herbst und Frühjahr ausgesetzt. Allerdings eine große Beschwerde! Da dieses Übel nicht plötzlich kommt, sondern von der bekannten Flut und Ebbe abhängt, so hat der Kaufmann Einrichtungen getroffen, dass er keinen Schaden davon leidet und selten nötig hat, auszuräumen. Manche Waaren, wie schon bemerkt, können Nässe vertragen. Seine Quartiersleute (Marktelfer) sind bei der Hand, alles was treiben kann, zu stützen und möglichem Schaden zu wehren. Aber der Bewohner des Kellers muss dem nassen Elemente weichen; er und seine Habe. Betten, Tische, Schränke, kurz alles Hausgerät wird herausgeschafft. Was Nässe und Regen vertragen hann, wird auf die Gassen gestellt, wenn nicht auch diese überschwemmt sind. Der Bewohner des Hauses ist dann durch ein fast zum Gesetz gewordenes Herkommen verbunden, die ganze Fahrniß mit den Lebendigen bei sich aufzunehmen, bis das Wasser abgelaufen ist, welches aber bei anhaltendem Sturme aus Nordwest mit der nächsten Flut wiederkehren kann. Ist dann die Gefahr vorüber, so wird alles vom zurückgebliebenen Schlamme gereinigt und man zieht wieder ein, als ob nichts vorgefallen wäre. Aber wie vermögen die Menschen das? Warum fliehen sie nicht eine Stätte, welche ihnen nicht ruhig zu wohnen erlaubt? Die kürzeste Antwort ist freilich die: man ist das so gewohnt. Aber, (und dieses bemerken wir nur um der Ausländer willen, denn der Hamburger weiß das ohnehin) gerade diese Keller liegen in dem nahrhaftesten Teile der Stadt und bieten Gelegenheit zu den vorteilhaftesten Gewerben für den Kleinbürger. Hier ist der Sammelplatz und die Niederlage der Elbfahrer von der Oberelbe und den Elbinseln. Fast jeder dieser Keller hat daher auch seinen besonderen Namen seit undenklichen Zeiten von den Landsleuten, die vorzüglich oder nur bei ihm einkehren. Daher gibt es einen Danneberger, Boitzenburger, Neugammer, Winser Keller. Man weiß die ungefähre Zeit der Ankunft dieser Schiffer, deren einige eine regelmäßige Fahrt halten und findet sie ohne weitläufiges Suchen und Nachfragen. Die Kellerwirte treiben zum Teil selbst Handel und Vorkäuferei, übernehmen ganze Partien und halten Niederlagen z. B. von Mehl, trockenen Früchten, Garn, Leinewand u. s. w. Ihr vorzüglichstes Geschäft ist das Logieren. Wie ? Logieren in einem Keller, welcher gewöhnlich nur ein und noch dazu selten geräumiges Zimmer entält? Allerdings. Denn die Logierenden halten sich nie länger auf als nötig, nemlich bis zur nächsten Rückfahrt des Schiffes, liefern ihre Waaren ab, besorgen ihre Einkäufe und Rückfracht, nehmen unterwegs mit, was zufällig zu sehen ist, Parade, Execution, Seiltänzer, das Rathaus, eine offenstehende Kirche, oder was sich sonst anbietet und kehren in ihren Keller zu ihrem alten Freunde und Wirte gegen den Abend zurück, welcher bei einer Pfeife und Flasche Bier und allenfalls einem Spiel Karten zugebracht wird. Zuweilen lässt man sich auch auf einer Drehorgel etwas vordudeln und die neuesten Opernarien von den wandernden Kunst Jüngern vorsingen. Gut, aber die Nacht! Wer einen einigermaßen anschaulichen Begriff zu haben wünscht, wie die Menschenmasse auf einem Linienschiffe untergebracht wird und wie tausend Menschen in einem so engen Raume schlafen, darf nur einmal in einen Logierkeller am Dovenfleth und an der Herrlichkeit in Hamburg kommen. Nicht selten, vorzüglich in den beiden Jahrmärkten, herbergt ein solcher Keller in einer Nacht zehn bis zwanzig Gäste. An der Länge der Wand, von der Gasse bis nach dem Kanal, sind Bettgerüste mit Stockwerken angebracht, so dass, wer sein Lager in der Mitte nimmt, einen Schläfer über und einen andern unter sich hat. Zur Seite hat er wenigstens einen, im Notfalle schiebt sich noch ein Zweiter ein. Vier solcher Bettgerüste fassen also ganz wohl ein Personal von einigen zwanzig Schlafenden; dass nun ein Wirt, der sein Werk versteht und seine Gäste an sich zu halten weiß, bei fleißigem Zuspruche sich gut stehen müsse und es selbst bis zur Wohlhabenheit bringen könne, und daher die Beschwerde der Sturmfluten nicht in Anschlag bringe, ist, denk' ich, einleuchtend. Dem Eigentümer ist ein solches Grundstück daher auch sehr einträglich. Einzelne dieser Keller geben 400 — 500 Mark Miete.

Der Gesundheit können die Überschwemmungen bei gehöriger Vorsicht auch nicht eigentlich nachteilig sein. Dies ist nur bei solchen Untergeschossen der Fall, wo das Wasser entweder ausgeschöpft werden oder durch Siele (unterirdische Röhren) abziehen muss. Solche werden aber auch nicht leicht zu Wohnungen gewählt. In solchen Kellern aber, welche unmittelbar am Kanal liegen, an zwei Enden Luft haben und durch welche der Wind frisch durchziehen kann, verliert sich die Feuchtigkeit von selbst und das Übel hat sogar wohltätige Folgen. Alles muss von der Stelle geschaft werden, wird einmal geregt und gelüftet und muss doch wenigstens notdürftig gereinigt werden, ehe es wieder an Ort und Stelle gebracht wird, was denn freiwillig sobald nicht geschehen möchte. Freilich möchte man bei diesen hohen Fluten wohl mit dem Evangelium sprechen: Wehe den Schwangern und Kranken zu solcher Zeit! Allein das sind doch nur seltene Ereignisse und dann fehlt es nicht an der Hilfe, welche Vorsicht und Menschenliebe leisten, zumal da man nie plötzlich von der Gefahr überfallen und selbst durch sehr zweckmäßige und löbliche Anstalten der Polizei gewarnt wird.

Folglich ist das Lamento in Reisebeschreibungen und noch vor einiger Zeit in den Korrespondenznachrichten, wenn ich nicht irre, der Zeitung für die elegante Welt, über das Elend und die Not der armen Kellerbewohner in Hamburg übertrieben. Man sollte sich an Ort und Stelle von sachkundigen Leuten unterrichten lassen und dann schreiben. Man vergleiche doch diese wohlgenährten, feisten, wohl etwas zu kecken Leute mit den Bergleuten, welche bei einem kärglichen Lohne in täglicher Todesgefahr schweben, oder mit den Hüttenarbeitern, welche zwar keine Sturm- und Springfluten, wohl aber die Hüttenkatze und den Dampf vom Blei und Arsenik zu fürchten haben *).

*) S. Dr. A. H. Niemeyers Bemerkungen auf einer Reise durch einen Teil von Westphalen und Holland. 3. Th. S. 12 u. 13

Buden nennt man die kleinen Häuser ohne Giebel, deren Obergeschosse zu Sälen eingerichtet sind; sie befinden sich gewöhnlich in den vorhin beschriebenen Höfen. Zuweilen sind sie geräumig und dabei nett eingerichtet und werden vielfältig von solchen Handwerkern bewohnt, welche auf ihre eigene Hand ohne Gesellen arbeiten, von Freimeistern oder sogenannten Bönhasen. In der Altstadt, besonders im Jacobikirchspiel, gibt es ganze Höfe, welche nur solche Buden entalten. Aber eigentlich sind das kleine Häuser, von frommen Vorfahren zur Aufnahme bejahrter Wittwen gestiftet, oder sogenannte Gotteswohnungen. Solche Höfe stehen gewöhnlich in keiner Verbindung mit Häusern an der Gasse und werden Abends regelmäßig verschlossen *).

*) Bude stammt her von dem celtischen Bod, ein Wohnplatz, mansio. Damit ist das veraltete Wort baiden, verweilen, sich sesshaft machen, verwandt. Bude heißt auch noch in Holstein und Friesland der Nachlass eines Verstorbenen, die sogenannte Sterbbude. Hierzu gehört auch Budel, die Erbmasse, welches aus Bude und Dael, ein Teil, zusammengesetzt ist. S. das bremische Wörterbuch und Adelung.