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- Category: Stadt & Leute
- Published: 14 March 2011
In Harburg angelangt, kann man mit dem eben nicht sehr raschen Dampfboot, oder dem „Post-Ever“ die Fahrt nach Hamburg beginnen. Jenes liegt außerhalb der Stadt, an dem Hamburger Berg an; dieser innerhalb derselben, am Baumhause. Ich befinde mich auf dem „Post-Ever“, der dieses Mal in rascher Fahrt, mit aufgezogenem Segel die Fluten durchfurcht, jene Engpässe der Elbe, die durch die Inseln gebildet werden. Der Kondukteur geleitet die Post weiter zu ihrer Bestimmung. Die Fahrt durch die Inseln bietet im Ganzen wenig Anziehendes, aber hehr und in kaum geahnter Grandiosität entfaltet sich Hamburg, wenn das Schiff in die große Elbe, das eigentliche Fahrwasser, gelangt.
In langer, unendlicher Ausdehnung liegt die Stadt vor Einem; Altona hat ihr die Hand gereicht und stellt das Ganze um so großartiger da. Der reiche Mastenwald des Hafens, das ewige Geräusch der Schiffe, der Spektakel der Matrosen, das Gewimmel auf dem Wasser, die dicht an den Fluss gedrängte Häuserreihe, mit ihren gothischen Turm-Häuptern, die weite majestätische Elbe, diese ruhige Miene der gigantischen Seestadt, diese ewige Beweglichkeit auf dem Strome, in dem Hafen, an den Ufern, es ist entzückend.
Die reichste Objektivität bietet sich von allen Seiten dar. Was man in der Romantik des Südens vermisst, was man in den Tälern der Schweiz, auf den Alpen und den grünen Bergmatten vergebens sucht, das findet man hier im Überfluss, ich meine ein lebendiges Leben. Zu Träumen, zu Poesien und Phantasien haben wir keine Zeit. Dieser Sturm zieht unsere Gedanken mit sich hinfort; wir können nur Auge und Ohr gebrauchen, wir können keinen Ruhepunkt finden für Betrachtungen; wir müssen die Kraft des menschlichen Geistes bewundern, die Alles so trefflich zu benutzen verstand, die im Norden unseres deutschen Vaterlandes, wo die Natur immer stiefmütterlich gewaltet hat, jenes künstliche Surrogat hervorrief, das uns die Natur über die Menschen und ihre Werke vergessen lässt.
Ob die Dardanellen, ob Skutari und Kostantinopel größere Reize entüllen, ob Genua imposanter aussieht, ob Neapel pittoresker, der Hamburger widerspricht solcher Behauptung, und ich kann nicht in dieser Sache entscheiden; aber wenn ich meine hamburgischen Skizzen mit der Erklärung: Hamburg ist Weltstadt begann, so habe ich damit nicht zu viel behauptet. Dieser glückliche Freistaat sieht sich von dem Aus - und Inlande gehuldigt; das materielle Treiben hat hier nichts Kleinliches; die Achse, um welche sich die Menschheit wendet, das eigentliche Perpetuum mobile aller Staaten, der Handel, tritt hier mit aller der Pracht auf, die uns seine Schattenseite vergessen lässt. Er ist eine reiche Quelle für Deutschland; man empfindet hier nichts von jener Unbehaglichkeit, die sich Einem auf der Frankfurter Börse aufdrängt; nichts vom Trödel, nichts vom Papierhandel, nichts von allen jenen Ausartungen des Verkehrs. Diese lebendige Charakteristik der stolzen Kaufstadt genießen wir aber hauptsächlich nur, wenn wir über die Elbe zu ihr heranschiffen, durch das üppige Gewühl des Handels hindurch, durch die arbeitstrotzende Menschenmenge, die ihm huldigt.