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- Category: Stadt & Leute
- Published: 16 March 2011
Die Hauptstraße, welche die Stadt vom Osten zum Westen durchschneidet, ist bis zur Grenze der Neustadt, die Steinstraße abgerechnet, krumm und sehr enge, so dass an manchen Stellen zwei Wagen sich nur mit Mühe ausweichen können. Daher denn die ununterbrochenen, aber nicht zu vermeidenden Hemmungen, besonders an den Kreuzwegen; daher aber auch die unvergleichliche Gewandteit der Kutscher und Fuhrleute im Wenden und Ausweichen, selbst mit schwer beladenen Wagen und bei Abend, so dass sich im Ganzen sehr selten Unglücksfälle ereignen.
Die Stadt ist allmählig angebaut. Man musste sich dabei notwendig nach dem Elbstrome richten, welcher nur nach und nach eingedämmt wurde. Schon sehr frühe sahe man die dem Handel so günstige Lage Hamburgs ein. Ein jeder suchte also so viel möglich Vorteil von dem Strome zu ziehen und wünschte so zu wohnen, dass er sein Handelsgut unmittelbar aufnehmen und wieder abladen könnte. Der Handelsmann achtete daher weniger auf die Fassade seines Hauses und auf eine ansehnliche Breite, als auf die Gemeinschaft mit einem Kanale, und der Bürger weniger auf Regelmäßigkeit der Gassen, als auf das Gedeihen und Aufblühen der lieben Vaterstadt durch wachsenden Handel. Auch wurde damals das Unbequeme und Lästige enger und krummer Wege viel weniger empfunden. Denn des Fahrern war weniger. Man ging zu Fuß, man ritt, oder wenns hoch kam, fuhr man in einspänniger Cariole. Kutschen und Chaisen kannte man nicht; die Equipagen von dreißig Ärzten durchstreiften damals die Stadt noch nicht den ganzen Tag in allen Richtungen. Selbst gegen die Sperrung der Gassen durch die Frachtfahrt gab es ein sehr zweckmäßiges Polizeigesetz. Die schweren Kaufmannswaßaren mussten auf Schleifen nach den Plätzen geschafft werden, wo die Fuhrleute ihre Niederlage haben. Die Fahrt in engen Gassen durfte also nicht, wie noch jetzt oft geschieht, stundenlang gesperrt werden und ein Bürger zum Nachteil der Übrigen von einem Gemeingute Gebrauch machen.
Die an den Kanälen gelegenen Häuser der Altstadt haben daher fast ohne Ausnahme eine ungewöhnliche Tiefe, mit sehr geräumigen Hausfluren, einem offenen Viereck oder Hofe und einem Speicher am Wasser. Das Mittelhaus kann daher nicht freundlich und heiter sein. Aber es ist dem Kaufherrn angenehm und vorteilhaft, seine Waaren unter eigenem Dache zu haben und unter eigenem Auge, um sich gegen die Fahrlässigkeit seiner Leute und gegen Veruntreuung möglichst zu sichern.
Manche Gassen der Altstadt sind jedoch nach der Schnur angelegt, weil es die Elbe zulies, oder weil sie von derselben entfernt liegen, z. B. die Reichenstrasse, der Kehrwieder, Neuewall, die Steinstrasse, Admiralitätsstrasse u. a. m.
In Hamburg hört man selten von Gassen. Nur Ausländer pflegen sich dieses Namens zu bedienen. Man sagt Straße. Es möchte auch wohl nicht leicht sein, den Unterschied dieser beiden Benennungen zu bestimmen, deren Grundbegriff unstreitig Weg ist. Aber die Gassen oder Straßen haben in Hamburg gewisse eigentümliche Benennungen, deren einige, wenigstens für den Fremden, einer Erklärung bedürfen, besonders die Twieten, Gänge und Höfe.