Aus: Hamburgische Geschichte des 19. Jahrhunderts von 1800 bis 1843, von Johann Wilhelm Christern, (?) 1843
Wer alle die laufenden sich drängenden Verordnungen des Jahres 1907 durchfliegt, der muss in der Tat glauben, dass der Senat Tag und Nacht sich mit nichts Anderem beschäftigt, auf Nichts weiter gesonnen habe, als wie die Maschen des Steuernetzes, welches bereits so oft über die Stadt ausgeworfen worden war, noch zu verengen und zum Fange ergiebiger zu machen seien. Den schon erwähnten Anleihen folgten nicht allein andere, sondern es wurde auch jede früher unerhörte Auflage, bestehend in Stempeln, Privilegien u. dgl., in Anspruch genommen. Es wurde durch Rat- und Bürgerschluss eine Renten-Lotterie beliebt, sogar von den Zimmerbewohnern eine harte neu erfundene Quartiersteuer erhoben und von Wein und Branntwein eine erweiterte Consumtions-Accise genommen, der Ausdehnung der Zehntenforderungen, womit Bibliotheken, Gemälde u. s. w. belastet wurden, gar nicht zu gedenken. Und alle diese ungeheuren Leistungen, diese Steuern ohne Zahl und Maß konnten nur dazu dienen, Napoleons Herrscherplänen die gehörige materielle Stärke zu geben und ihm zum möglichen Erreichen einer Weltmonarchie die Mittel zu reichen! Wer konnte es den Kaufleuten verdenken, dass sie sich Vergebungen gegen das ihnen so schwer aufgelegte Zwangsgesetz zu Schulden kommen ließen, dass sie, die sich im Geschäft nie den geringsten Unterschleif erlaubt hatten, nun alle Tage gegen die Überwachung der Douaniers verstießen, und den Verkehr selbst unehrlich, wenigstens unredlich machten, so dass der Senat gegen die sträflichen Versuche wiederholte Publicanda erlassen musste! Dass er guten, rechtschaffenen Bürgern Schleichwege und Verfälschungen vorwerfen musste! Daneben wurden die Nahrungsmittel und Bedürfnisse des Lebens immer teuerer, das Schuckeln in der buntesten und verschiedensten Gestalt nahm überband und führte häufig zu Mord und anderen Exzessen. Überseeische Produkte wurden mit Gold aufgewogen, und statt des guten Rindfleisches verschmähte man sogar schlechtes Pferdefleisch nicht.
Aus: Hamburgische Geschichte des 19. Jahrhunderts von 1800 bis 1843, von Johann Wilhelm Christern, (?) 1843
Es grenzt an das Unbegreifliche, wie die Bürgerschaft bei so unendlich gestörten und belästigten Geschäften diese und andere Leistungen habe möglich machen können, wenn man erwägt, wie viel schon durch die tägliche Befriedigung der Soldaten weggenommen und außerdem noch durch sich schnell folgende Kirchenkollekten zur Unterstützung der Armen und Darbenden allwöchentlich eingesammelt wurde, wahrend auch hier in die Kassen des geringeren Mannes wie des Mittelstandes so wenig zustießen konnte. Und doch gab man mit der treuesten Pflichterfüllung Alles hin, entzog sich jeden Genuss und wünschte nur so lange das Leben fristen zu können, um den neuen Morgen der durch Opfer verklärten Freiheit heraufdämmern zu sehen!
Aus Hamburgische Geschichte des 19. Jahrhunderts von 1800 bis 1843, von Johann Wilhelm Christern, (?) 1843
Die Rechte des Staats waren einmal verletzt, und die Besatzung konnte oder wollte über ihre eigentliche Absicht noch keine nähere und weitere Erklärung geben. Was der Senat selbst darüber bekannt gemacht hatte, schien nur eine erzwungene Bestätigung dessen, was man beim Herannahen sogleich als Trost auf den Feldzeichen getragen hatte. Es erfüllt noch jetzt mit Widerwillen, wenn man die Bekanntmachungen liest, die bei der sich täglich mehrenden Anzahl französischer Einquartierung ausgegeben wurden. So hieß es unter andern: „Da die jetzigen Zeitläufe eine unabwendbare Einquartierung kais. königl. französischer Truppen in die Vorstadt St. Georg und das übrige Gebiet notwendig gemacht haben, und es die Billigkeit erfordert, dass diese Lasten von allen Bewohnern so viel als möglich gleichmäßig getragen werden, so erinnert und ermahnt E. H. Rat alle und jede Bewohner dieser Vorstadt und des Gebietes, nicht nur ihre Häuser zu diesem Behufe willig zu öffnen, sondern auch in Gemäßheit des über die Verpflegung der einquartierten Truppen erlassenen Publicandi dieselben zu verpflegen, mir der Verwarnung, dass wer in dem einen oder anderen Falle dieser obrigkeitlichen Verfügung nicht nachkömmt, dazu mit aller Strenge soll angehalten werden. Übrigens ermahnt und erinnert E. H. Rath die wohlgesinnten Bewohner der Vorstadt, die bisherigen, sie besonders treffenden Beschwerden aus Liebe zu ihrer Vaterstadt geduldig zu ertragen, da durch zweckmäßige Vorstellungen bei der höchsten Militärbehörde und anderweitige Einrichtungen für ihre Erleichterung wird gesorgt werden.“ (21. November 1806.)
Aus Hamburgische Geschichte des 19. Jahrhunderts von 1800 bis 1843, von Johann Wilhelm Christern, (?) 1843
Mit der unglücklichen Schlacht von Jena gingen Deutschlands letzte Hoffnungen verloren, und eine stumme Mutlosigkeit bemächtigte sich der Hamburger Bürgerschaft, weil sie mit dem warmen patriotischen Herzen das allgemeine Leid nur wie ihr eigenes betrachten konnte. In dieser trüben Stimmung musste das Schicksal, welches Lübeck am 6. November 1806 traf, noch stärker und schwerer empfunden, in der Seele mitgetragen werden. Nur in Etwas lindern konnte Hamburg die dort geschlagenen blutigen Wunden, wie es denn durch die lebhafteste Teilnahme nach jener unheilvollen Begebenheit gezeigt hat, dass die ehemalige hanseatische Treue und Einigkeit in ihm keineswegs erloschen sei, dass es sich verbunden glaube, zu helfen, so lange auf sein eigenes Haupt das volle Unwetter sich noch nicht entladen habe. Denn wie lange konnte es noch hoffen, mit dem Härtesten und Schrecklichsten verschont zu werden! Musste nicht jeder Morgen einen Tag des Unglücks verkünden, je mehr die Schlachten und Truppenmassen in der Nähe sich häuften und die Gefahren sich mehrten! —
Aus Hamburgische Geschichte des 19. Jahrhunderts von 1800 bis 1843, von Johann Wilhelm Christern, (?) 1843
Napoleon überzog Hannover mit seinem Heere und sperrte seinerseits, also abermals, die Elbe englischen Waaren den Zugang abzuschneiden. Davon war die ganz natürliche Folge, dass auch England die Mündung der Elbe wie der Weser in Sperrung setzte und so jeden Handelsverkehr vernichtete. Hamburgs Lage wurde die traurigste von der Welt, sein Lebensatem war gestört, obwohl auch die Rückwirkung auf das ganze übrige Deutschland nicht ausbleiben konnte. Aber noch hatte die Stadt das erworbene Geld, den glänzenden Reichtum, es konnte sich dadurch selbst nötigenfalls über unglückliche Verhältnisse täuschen, wenn nur nicht auch Anderen ein solcher Glanz in die Augen geleuchtet hätte. Ein Solcher mit lüsternem Blick war der General Mortier, welcher im Herbste 1803 eintraf, um, wie er sagte, den Wunsch der Hannoverschen Stände nach einem Darlehn, persönlich zu unterstützen. Dieses Darlehn bestand in 1.700.000 Taler Banko gegen 1 Prozent Zinsen, worüber der Pariser Moniteur beteuernd erklärte: Frankreich habe die Garantie für die Wiederbezahlung übernommen und werde strenge Erfüllung unter Umständen sich zur Pflicht machen! —
Aus Hamburgische Geschichte des 19. Jahrhunderts von 1800 bis 1843, von Johann Wilhelm Christern, (?) 1843
Je mehr die Revolution in ihren Folgen sich entwickelte, desto unsicherer und Ungewisser wurden alle Zustände. An die Umwälzung der Gesellschaft knüpfte sich die Umwälzung der Staaten und ein allgemeiner Notstand trat an die Stelle des Rechtes. Auch Hamburgs freie Selbstständigkeit soll damals schon an einem Haar geschwebt, mehre Kabinette über seine Zukunft die speziellsten Beratungen gepflogen haben. Man wollte unter dem Scheine des Schutzes und der Ordnung vielleicht nur Besitz ergreifen, um nachher desto mehr verlieren zu können.
Aus: Hamburgische Geschichte des 19. Jahrhunderts von 1800 bis 1843 von Johann Wilhelm Christern (?)
1843
Ich hätte die Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts gerne mit einer, großen Idee angefangen, aber die Umstände sind diesem Wunsche nicht günstig. Hamburg glich einem Instrumente, dessen tiefste Saite gesprungen ist, und die nun misstönend auf dem Resonanzboden liegt. Und doch spielte die Zeit ihre bald schrillenden, bald traurigen Weisen fort! Der Kriegsdrache hatte Unheil und Verderben ausgespieen, statt der klaren Elbe schien hier die schlammige Seine zu fließen, und die Stürme ans Westen trieben immer mehr dunkle Wolken am Horizonte zusammen.
Aus: Die Kunst. Monatsheft für freie und angewandte Kunst. 25 Band. XXVII. Jahrgang. Von H. E. Wallsee Zu dem mancherlei Erfreulichen, was das laufende Jahr den Hamburger Kunstfreunden gebracht, gehört der im Frühjahr dieses Jahres beschlossene Ausbau der staatlichen Kunsthalle in Hamburg. Vorgesehen war dieser Ausbau längst. Nur die Frage, ob völliger Neu- oder Ergänzungsbau, verschleppte die Entscheidung. Da brachte der Anfall eines großen Erbes an wertvollen Gemälden von dem in England verstorbenen Hamburger Bürger, Freiherr von Schröder, Feuer unter den Kessel. Der Senat beantragte und im raschen Tempo genehmigte die Bürgerschaft die Einstellung von M 2.300.000 in das Budget der laufenden Ausgaben. Diesem für das Kunstleben unserer Stadt so erfreulichen Geschehnis soll nun der Oktober ein zweites gesellen. In diesem Monate jährt sich zum fünfundzwanzigsten Male der Tag der Berufung Alfred Lichtwarks als Leiter der Kunsthalle.