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- Category: Geschichte
- Published: 25 February 2011
Die bängste Ahnung schien in Erfüllung zu gehen, als Mortier, nachdem er in, Hannover eingerückt war, mit 2.000 Mann Franzosen am 19. November 1806 über Bergedorf heranzog und auch wirklich die Tore Hamburgs vor ihm geöffnet werden mussten, weil an einen geregelten Widerstand unter den obwaltenden Verhältnissen nicht zu denken gewesen war. In den Bekanntmachungen, welche in Folge dieses Einzuges erlassen wurden, hieß es, dass die Besitznahme durch den Drang der Umstände geboten worden sei, dass man ruhig in seinem Geschäfte bleiben und sich den kaiserlichen Maßregeln nicht widersetzen solle, um nicht strengere Befehle herbeizurufen. Zu gleicher Zeit wurde geboten, dass alle Wechsler und Kaufleute mit größter Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit ihre Gelder und Waren angeben sollten, welche noch als englisches Eigentum zu betrachten wären; dass, bei Todesstrafe, aller Verkehr mit England aufhören, doch der übrige Handel unter dem Zwang der Ursprungsbescheinigungen erlaubt bleiben sollte. Klarer wird dies noch durch folgende Details.
An den Senat hatte der General Mortier bei seinem Einzuge sogleich folgendes Schreiben erlassen:
Meine Herren!
Im Namen des Kaisers, meines Herrn, nehme ich Besitz von Ihrer Stadt; ermahnen Sie Ihre Mitbürger, sich keine Unruhe zu machen, da die unter meinem Befehle stehenden Truppen sich der strengsten Mannszucht befleißigen werden.
Empfangen Sie, meine Herren, die Versicherung meiner besonderen Hochachtung.
Im Hauptquartier zu Bergedorf,
den 19. Nov. 1806
Ed. Mortier.
Das war die Hochachtung eines Franzosen, der vor der Selbstständigkeit eines freien Staates nach dem Plane seines Gebieters keine Achtung haben durfte! Der Senat empfing dieses Schreiben mit der größten Verlegenheit, versäumte aber nicht, die erbgesessene Bürgerschaft in größter Eile zusammen zu berufen und mit ihr die noch übriggelassenen und ausführbaren Sicherheitsmaßregeln zu treffen. Den beiderseitig gefassten Beschlüssen nach wurde das nunmehr sogenannte Lübecker und Berliner Thor, das Steintor und die Biller Schanze mit Infanterie und Kanonen besetzt, wenn man sich im Stillen gleich bekennen musste, dass dies mehr ein Zeichen verhaltener Tapferkeit sei, als zum Vorwurf herausfordernder Verteidigung dienen konnte. Man hatte den Feind einmal schon im Weichbild, man musste der bittern Notwendigkeit einen gewissen Schein des Anstandes zu geben suchen. Das Zeugnis darf den Hamburgern wenigstens gegeben werden, dass sie die Franzosen nicht mit gleichgültigen Mienen oder selbstvergessenem Lächeln empfingen; man vertraute mit innerem Groll der Zukunft, dass diese durch eine günstige Fügung von den Franzosen, wie früher einst von den Dänen, befreien werde. Wo wäre nicht auch das Unglaubliche schon möglich geworden! Man erinnerte sich wohl gar an den Erlass der Reichsdeputation von 1802 und 1803, worin der Konsul Bonaparte ausdrücklich erklärt hatte, dass die Unabhängigkeit und freie Verfassung der Hansestädte ungefährdet bleiben sollte; man gedachte der Worte Napoleons vor dem Ausbruch des Krieges mit Preußen, dass Frankreichs Handelsinteresse es erfordere, jede Veränderung in der gegenwärtigen Lage der Hansestädte zu vermeiden. Wie Napoleon es aber mit seinen Aussprüchen und Beteuerungen hielt, wie oft und schnell er von seinen täuschenden Überzeugungen abging, sobald die Wendung der Dinge es bei ihm zu erfordern schien, das haftet noch allzu gut im Gedächtnis, wenn leider vor seiner geistigen Kraft die vielen Schwächen seines sittlichen Charakters auch zurückgetreten sein sollten. Denn, um nur auf die Wegnahme der englischen Güter und die Deutung des Machtgebotes zu verweisen, so nannte man das im völlig freien Handel längst Erkaufte, die mit den Zinsen der dazu angewandten Kapitalien längst bezahlten, unter der Aegide der bürgerlichen Freiheit sicher niedergelegten Güter jetzt auf ein Mal noch englisches Eigentum. Mit unermesslichen Summen mussten diese Waren von den Franzosen wieder losgekauft werden, welches oft den Sturz und die Verarmung vieler Häuser und Familien zur Folge hatte. Es mag sein, dass nicht jede schlaue Raubgier und Plünderungslust auf die Rechnung des Kaisers zu schieben ist, dass seine Feldherren und Beamten Vieles taten, um sich zu bereichern, und ihre Heere mit größerer Zufriedenheit zu unterhalten, dass die Verwirrung der kriegerischen Zustände selbst nicht ein strenges Beobachten des Gesetzes zuließ, aber die Anleitung, der Anlass dazu war doch gegeben, und es hat sich herausgestellt, dass Beschwerden keine Erhörung fanden.