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Eine andere unerwartete Störung wurde noch dadurch hervorgebracht, als Schweden im Frühling 1807 mehrere Ostseehäfen blockierte, indem zwei englische Fregatten und eine Cutter-Brigg denselben Zustand schon über die Elbmündung herbeigeführt hatten. Dessenungeachtet wurde in London der Kabinettsbefehl ausgegeben, dass alle Schiffe und Güter, welche den Einwohnern Hamburgs oder anderen Plätzen und Gegenden des nördlichen Deutschlands, die gegenwärtig unter Botmäßigkeit Frankreichs ständen, zugehörten, zurückgelassen werden sollten. Doch aber sollten alle Schiffe, welche nach dem ersten Januar in Gemäßheit des Ausspruches genommen worden, bis auf weiteren Befehl angehalten werden.

Wenn Hamburg von allen anderen deutschen Handelsstädten seinen Kredit zu behaupten wusste, so gehört das gleichfalls zu dem Bewundernswerten, wobei nicht minder die Börse so stark besucht wurde, als es die allgemeinen Übelstände nur erlauben mochten. Wer nicht viele Geschäfte betreiben konnte, der betrieb doch wenige, und diese mit der größten Emsigkeit und Gewissenhaftigkeit. Die kleine Freude wurde dadurch vergrößert, als die Kunde einlief, dass alle nach dem ersten Januar aufgebrachten und in den englischen Häfen noch zurückgehaltenen Schiffe ebenfalls wieder freigegeben werden sollten. Nicht lange darnach, am l5. Julius, kam zu Tilsit zwischen Alexander und Napoleon ein Friedensschluss zu Stande, und Frankreich und Preußen versprachen sich gegenseitig ebenfalls bis auf gewisse Zeit ihre Waffen ruhen zu lassen. Die Hoffnung der Hamburger Kaufleute musste durch diese Gestaltung der Dinge ungemein belebt werden, ja man durfte diese selbst auf Befreiung von der überaus lästigen Besatzung ausdehnen, als der Waffenstillstand zwischen Frankreich und Preußen zu einem förmlichen Frieden ratifiziert wurde, der freilich beispiellos in seiner Art war. Diese letzte Hoffnung auf Räumung der Stadt wurde leider zu Wasser, als Bernadotte, Prinz von Ponte Corvo, unter dem Titel eines kais. französischen General-Gouverneurs der Hansestädte, in Hamburg einzog, und bald darauf, wider Aller Erwarten, der Krieg zwischen Frankreich und Dänemark sich entspann. Immer mehr Truppenmassen bewegten sich nach dem nördlichen Deutschland, und Hamburg hatte Einquartierung über Einquartierung zu ertragen. Wie der Senat früher schon eine Toutine errichtet hatte, so sah er sich jetzt im Namen der Kammer fast bittstellend genötigt, die Bürgerschaft anzugehen, ihm an Geld zur Anleihe zu geben, was sich noch irgend erübrigen lasse. Und dennoch konnte eben dieser Senat, welcher die Kräfte der Bürgerschaft so über Maßen in Anspruch nahm, sich genötigt oder gedrungen sehen oder fühlen oder wähnen, zu rügen und zu verwarnen, dass eben jene grenzenlos opfernden Bürger über die Grundsätze der dynastischen Okkupation, über die Entfaltung des tyrannischen Zwanges, über die tägliche Verhöhnung des Völkerrechtes, der Bürgerrechte gar nicht zu gedenken, sich nicht aussprechen sollten! Freilich kann man sagen, das Gebot geschah, um das Leben der Bürger zu sichern, um sie bei Zeiten unter Schutz und Schirm zu nehmen, da später der Buchhändler Palm durch seinen Tod beweisen konnte, dass an keine Vergebung, an keine Appellation an die Vernunft und das Recht zu denken war, wenn der Kaiser, welcher beim ersten Beginn seiner Laufbahn die freie Rede selbst für ein unveräußerliches Recht des Menschen erklärte, seine Pläne nicht nach seiner Denkungsart beleuchtet und befördert sah. Der Rat erinnerte also, dass die Bürger sich nicht allein des Druckes und der Verbreitung aller solcher Schriften und fliegenden Blätter, worin die Denkungsart, Absichten und Handlungen der Regenten und Regierungen beleuchtet und beurteilt würden, gänzlich enthalten sollten, sondern auch in ihren Reden und Urteilen über die politischen Angelegenheiten und, über die gegenwärtige Lage und Verhältnisse dieser Stadt überhaupt und allenthalben, sowohl in Privatgesellschaften als an öffentlichen Orten und in öffentlichen Häusern, die Regeln der Klugheit, Mäßigung und Bescheidenheit sorgfältig beobachten; insbesondere aber gegen die allhier in öffentlichen Aufträgen angestellten hiesigen und fremden Behörden, Beamten und Bedienten sich willfährig, folgsam und bescheiden bezeigen sollten — usw.

Dass diese Bekanntmachung so gut wie von dem französischen Kommandanten diktiert war, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Der Senat befand sich noch immer leidlich, so lange er sich nicht persönlich der fremden Aktivität widersetzte, aber die Bürger in ihrem freien Charakter waren erschrecklich gedemütigt, sie gingen in einer Erniedrigung dahin, mit welcher kaum ein ähnlicher Zustand zu vergleichen sein möchte.