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Aber die Stadt und Bürgerschaft musste mit der größten Resignation und Selbstverleugnung noch mehr tun, sie musste nicht bloß immer zahlen, dulden, gehorchen, sich drücken und foltern lassen, sie musste, auf dem Marterbette liegend, sogar lächeln, auf Kommando eine heitere Miene machen bei den größten inneren Schmerzen; sie musste Festlichkeiten und Feuerwerke veranstalten, und dabei rufen: Vive l'empereur! und hernach in besoldeten Zeitungen sich rühmen lassen, dass sie gut kaiserlich geworden, dass sie sich gefreut habe wie noch niemals vorher! Dabei ergingen Gebote über Gebote, Niemand sollte in den Schenken und Lokalen sich anmaßen, zu reden, sich in Gespräche über öffentliche Angelegenheiten einlassen, dem Volke werde ja Alles gegönnt, es habe ja Lust und Freude die Fülle! Wenn Douaniers den Verkehr überwachten, so jetzt Spione und geheime Polizeioffizianten das gewöhnliche Leben, man war nirgends sicher, das unschuldigste Gespräch unter leidenden Bürgern wurde behorcht und beschlichen, das heilloseste System kam in Gang, und hat sich, zu Eurer Schande muss ich es sagen, seitdem nicht wieder verlieren wollen. Wie kann man eine Bürgerschaft frei nennen, die auf ihren Schritten und Tritten von Spionen und Verrätern umgangen wird, die nichts darf, nicht das Geringste für ihr Recht und Gut unternehmen kann, ohne verfolgt zu werden!

Unter solchen Aussichten und fortwährenden Bedrückungen, die sich in allen Variationen wiederholten, kam das Jahr 1810 heran, und zu Fontainebleau erschien das berüchtigte Dekret, in dessen drittem Paragraphen es hieß: „Alle englischen verbotenen Waren, die in Holland, in dem Großherzogtum Berg, in den Hansestädten und überhaupt vom Main bis zur See vorhanden sind, sollen weggenommen und verbrannt werden.“ Der Senat bestätigte dieses Dekret durch seine Bekanntmachung, und zeigte zugleich an, dass am 5. November mit dem Verbrennen angefangen werden solle.

Nach einer Besetzung von vier Jahren wurde dem Senat durch den General-Konsul Le Roy endlich am 20. Dezember 1810 angezeigt, dass die Stadt mit dem Kaiserreiche vereinigt werden solle, und dies aus Gründen, welche für den Kontinent wie für die Hansestädte von gleicher Bedeutung und Wichtigkeit wären. Es kam in dieser Deklaration unter andern auch die oratorische Wendung vor: „Da England seine Absicht, einen ewigen Krieg gegen alle Mächte des Kontinents zu führen, deutlich zu erkennen gegeben hat, so ist es für die Kontinentalmächte unumgänglich notwendig, sich eine andere Bahn zu brechen, neue Handelswege zu schaffen und die innere Schifffahrt zu begünstigen.“ — Ein evidenter Beweis, welchen glücklichen Gebrauch der Kaiser zu Zeiten von seiner klassischen Beredsamkeit zu machen wusste.

Hamburg durfte über diesen neuen Gewaltstreich und die bis so weit endlich durchgeführten Absichten keine Meinung haben, um so mehr nicht, da auch die übrigen deutschen Staaten nicht den geringsten Willen äußerten und am liebsten ein vollkommenes Stillschweigen beobachteten; nur England erhob seine Stimme gegen das schreiende Unrecht und die lügnerische Beleidigung und Russland, legte Protestation ein.

Dennoch berief der Senat schleunigst die Bürgerschaft, und es kam zu einer Erklärung, die, wenn sie auch in gewählten Ausdrücken abgefasst war, doch von dem Mut der Verzweiflung eingegeben schien. Es wurde dem Herrn Le Roy ins Gewissen geschoben, dass er sich während seiner Anwesenheit habe überzeugen müssen von der Anhänglichkeit der Hamburger an eine Verfassung, welche sie und ihre Vorfahren während vieler Jahrhunderte beglückte. Man ließ seine schmerzlichen Gefühle laut werden, man hoffte auf die Weisheit und Gnade des Kaisers. Diese Hoffnung aber war vergeblich, es blieb bei dem eisernen Beschlusse, der alle Nacken vollends beschwerte und die Köpfe zu Boden beugte.