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Die Ernennung Abendroths zum Maire konnte unter anderen Verhältnissen nur ungünstig ausgelegt werden, hier mussten durch diese Mittelsperson manche Erleichterungen und Verständigungen erwachsen. Abendroth war Hamburger, er kannte die Verhältnisse der Stadt und die Gesinnung ihrer Bürger, er konnte Manches bemänteln, ignorieren oder zum Guten kehren, er konnte Manches lassen oder wegnehmen, was den Anschein des Entgegengesetzten hatte. Abendroth hat in dieser Ansicht seinen schweren Posten gewissenhaft verwaltet, ihm ist darüber die allgemeine Achtung und Anerkennung seiner Mitbürger auch nach der Befreiung nicht entgangen, wenn man auch geneigt ist, zu behaupten, Abendroth habe die etwa übel gegen ihn Gestimmten dadurch zu besänftigen und zu beschwichtigen gewusst, dass er das Gefühl der Patrioten ansprach, und zeigte, was zur Verbesserung Hamburgs und seiner Verfassung nun zunächst geschehen müsse. Das hörten die Bürger immer gern, das war Musik in ihren Ohren, und sie vergaßen darüber, was sie vorher, gedacht und gewollt hatten.

Die weiteren Stadtangelegenheiten wurden einer Munizipalität übertragen, welche sowohl aus den Mitgliedern früherer Behörden, wie auch aus den angesehensten Bürgern gewählt wurde.

Die Trümmer der Großen Armee 1812Unter dieser neuen Gestaltung der hamburgischen Verhältnisse wurde der Zug nach Russland unternommen. Es betraf eigentlich die Kontinentalsperre; wollte Napoleon seinen gewaltigen Plan durchsetzen, England demütigen, seine großartige Handelsentwicklung zu Schanden machen, kurz, das ganze nur durch Fabriken und Handel sich erhaltende Eiland vom Throne stürzen und sich dienstbar machen, so musste er jetzt Englands natürlichen Verbündeten, gewissermaßen seine Vormauer angreifen. Napoleon kannte wohl den Koloss, mit welchem er zu kämpfen hätte, deshalb brach er am 5. Mai mit einer enormen Zahl wohl disziplinierter Truppen auf, wenn darunter auch die jüngste Aushebung sich befand.

Das deutsche Volk hatte seine Freude an diesem phantastischen Zuge, es vergaß seine Erniedrigung oder war vielmehr schon an den Glanz der siegreichen Feldzeichen des Korsen gewöhnt und jubelte auch jetzt aus freien Stücken, es brach Maienbüsche von den Hecken, und rief, ohne zu wissen, was es tat: Es lebe der Kaiser! Oder hatte es Ahnung, war darum der täuschende Jubel so laut, weil das Ende des Zuges wirklich zur Freude ausschlug?

Kein Wort von den Auftritten in Dresden, dass Fürsten alt ehrwürdiger Throne im Vorzimmer harren mussten, bis es dem Einen gefiel, sie vorzulassen. Das Glück war auch diesmal dem Kühnen im Anfange hold; Hamburg hatte zwar nichts von dem lauten Zuge gesehen, aber es wurde ihm vorbehalten, die traurigen, entstellten Überbleibsel davon zu beherbergen; Kerle mit Wachspuppen, welche verstümmelte und erfrorne Franzosen darstellen sollten, gingen auf den Straßen, jene in einem Kasten tragend, umher, und riefen mit Spott: Hier ist der Rest von den Franzosen! Wie früher Klagelieder und Trauerschriften, so erschienen jetzt Spottlieder und Pamphlete auf den Sturz des Gewaltigen, ohne Ende.

Die Trümmer der Großen Armee 1812Die Nachricht von dem moskowitischen Schicksal der großen Armee traf gerade am Weihnachtsabend 1812 in Hamburg ein. Es war das größte und schönste Geschenk, welches den großen und kleinen Kindern gebracht werden konnte. Denn wenn die Berichte auch noch immer sehr verschieden lauteten, so war doch so viel gewiss, dass Napoleon, was man lange geglaubt, nicht unüberwindlich war, dass er besiegt werden konnte. Damit war auch den Hamburgern schön viel Mut und Trost wieder gegeben, und die Geschäftsleute eilten im Stillen zu einander, um sich ihre frohen Aussichten und morgenroten Hoffnungen in der schwindenden Dämmerung der Unterdrückung und des Unglücks mit bewegtem Herzen mitzuteilen. Dennoch blieb Alles ruhig in Hamburg, obgleich unter den französischen Beamten eine gewisse unbestimmte Bewegung, ein Hin- und Herrennen entstand, als wenn Jemand eingepackt hat und, nur auf seinen Wagen wartet, der ihn wegführen soll.