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- Category: Geschichte
- Published: 25 February 2011
Ein junger Arzt, welcher vom damaligen Krankenhofe heimkehrte, sollte sich im Tore bei den Douanen einer Untersuchung unterwerfen. Er selbst wie der ihn begleitende Hospitaldiener wollten sich diesem Ansinnen nicht fügen, weil sie, als französische Beamte, mit dergleichen Belästigungen verschont werden mussten. Die Douanen brauchten Gewalt, das Volk, welches bei solchen Auftritten allemal Zuschauer ist, vermehrte sich in dichtem Gedränge, stieß Scheltworte, aus, entriss den jungen Arzt den Händen der Douanen, und machte, im Angesicht der nahestehenden Wache, ihre Bude dem Erdboden gleich.
Fast zu gleicher Zeit mit diesem Ereignis verbreitete sich die Kunde, dass die sogenannte Präfekturgarde nach Bremen abgeführt und der französischen Armee einverleibt werden sollte. Da diese Garde aus den Söhnen der ersten hamburgischen Familien bestand, so war eine allgemeine Erbitterung die ganz natürliche Folge. Eine Menge Volks wälzte sich nach dem Baumhause, wo das Hauptbureau der verhassten Douane war, um dort tatsächlich zu werden, und musste sehen, wie jene gerade damit beschäftigt waren, Fässer voll Geld über die Elbe zu bringen.
Der Maire Abendroth und der Polizeicommissair Rohr eilten sogleich ebenfalls dahin, um die Aufgeregten zu besänftigen. Allein diese hatten keine Lust, sich beschwichtigen zu lassen, und machten wohl gar Miene, diejenigen selbst anzugreifen, welche sie von ihrem Versuche zur Befreiung abbringen wollten. Es war natürlich, dass diese kleinen Aufstände bei der ganzen unteren Volksmasse einen ungeheuren Beifall fanden. Die Bewegung wurde allgemeiner, das Haus eines nicht weniger verhassten, aber schon entflohenen Polizeibeamten wurde spolirt, und zwar wiederum mit der größten Verwegenheit vor den Augen einer Wache.
Abendroth forderte vom General Carra St. Cyr die augenblickliche Bewaffnung der Bürgergarde, um die Ausbrüche des Pöbels und dessen fanatische Wutausfälle zu dämpfen, fand aber wenig Gehör, da der Chef selbst in einer solchen Maßregel zu viel Anlass zur Aufreizung gegen sich fand. Erst nach vier und zwanzig Stunden Bedenkzeit wurde der Aufruf zu einer Bürgergarde bewilligt und dadurch die Ruhe alsbald wiederhergestellt. Allein nun schritt das Kriegsgerichtein, welches seine Sitzungen im Marien-Magdalenen-Kloster hielt, und vor welches die angeblichen Urheber des Aufstandes sogleich gestellt wurden. Der Urteilsspruch lautete auf Tod, die Angeklagten wurden nach dem Heiligengeistfelde geführt und zwar so elend erschossen, dass zwei sich mehrmals wieder aufrichteten und erst durch 13 Kugeln völlig zerfleischt und entseelt wurden. Die, welche dort erschossen wurden, waren der Schlachter Schradach, der Schiffer Morath, der Schenkwirth Wiesinger, der Arbeitsmann Kraul, der Federviehhändler Garbers aus Kirchwärder und der Zimmermann Smaal.
Die Stadt blieb ruhig, die Szene auf dem .... [es fehlen die Seiten 42 und 43 des Originals]
. . . zu Werke ging. Es ist aber nicht zu leugnen, dass diese Behutsamkeit und Ängstlichkeit hier ganz am unrechten Orte war. Verloren konnte ja eigentlich nichts mehr, sondern nur gewonnen werden. Warum zögerte nun der Senat, den sich neu belebenden Muth der Bürger mit der Kraft des wiedererlangten Rechts und dem Bewusstsein der Selbstständigkeit zu bewaffnen! So kitzlig der Fall war, Unentschlossenheit konnte hier in mehrfacher Rücksicht nur allzu leicht verderblich werden, da die ganze Sachlage des Krieges durch den unglücklichen Ausgang des Zuges nach Moskau augenscheinlich eine ganz andere geworden war.
Nach diesen vorausgehenden Unterhandlungen, die freilich auch von russischer Seite nicht ganz in der Ordnung waren, hielt der Oberst von Tettenborn, an der Spitze von 1.400 Mann verschiedener Truppengattungen, am 19. März seinen Einzug. Die Freude und der Jubel, welche zugleich mit ihm einzogen, hatten keine Grenzen. Bis nahe vor Bergedorf waren gegen dreißig Hamburger Bürger dem Korps entgegengeritten, um diesem das Ehrengeleit zu geben. So wie der Zug der Stadt näher kam, vermehrten sich die Begleiter, und zogen unter Jauchzen und Hurrah vor der Kolonne her; da, wo der Nebenweg, den die russischen Truppen gingen, in die Hauptstraße fällt, stand die Bürgergarde zu Pferde, welche sich beim Herannahen sofort an die Spitze stellte. Ihrem Beispiel folgte die Schützengilde. In den Vorstädten wimmelte es von Zuschauern jeden Standes, Alters und Geschlechtes. Das Hurrahrufen wälzte sich gleichsam bis an die Stadttore fort. In einiger Entfernung vom Tore überreichte eine Deputation die Schlüssel der Stadt. Im Tore selbst näherte sich eine Schar weißgekleideter Mädchen dem Obersten, ihn zu bekränzen, worauf ein Jubelruf des Volkes folgte, der sich zur glänzenden Begeisterung steigerte. Es lebe Alexander! Es lebe Wittgenstein! erscholl es aus tausend Kehlen durch die Lüfte. Fahnen und Tücher wehten aus allen Fenstern heraus. Ebenso schwenkten die Zünfte und Gewerke ihre bunten, aufgeputzten Fahnen. Hüte mit Laubwerk umkränzt wurden auf Stangen umhergetragen, Freudenschüsse erschallten und die mannigfaltigsten Gegenstände wurden vor Freude in die Lüfte geschleudert, während von allen Türmen die Glocken erklangen. Blumen und Kränze flogen in allen Straßen auf die bärtigen Krieger herab, und bald waren vor allen Fenstern Büsten Alexanders, mit Lorbeeren gekrönt, zu sehen. Vor diesen hielt Tettenborn zum öfteren an und brachte seinem Monarchen ein kräftiges Hurrah. Des Abends war die Stadt erleuchtet und im Theater wurde von den Zuschauern „Auf Hamburgs Wohlergehen“ mit tiefer Bewegung gesungen. Als der Oberst von Tettenborn vom Theater nach Hause fahren wollte, spannten die Bürger die Pferde aus und zogen den Wagen selbst.
So lange Hamburg gestanden, hatte man darin nicht solchen Jubel gesehen.