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— und gewiss mit manchem unserer lieben Leser würden wir es ganz verderben, wollten wir es wagen, gegen das königliche Beschenk des mythischen Gambrinus zu erklären; — allein so viel dürfen wir dreist behaupten, dass da, wo von schöner Hand das siedende Wasser auf die duftenden Teeblätter gegossen und der in einem schnellen Augenblicke bereitete Trank mit alabasterweißem Zucker versüßt wird, stets eine heitere Gemütlichkeit herrscht, wie sie für des zivilisiertes Menschen Herz höchst wohltuend ist.

 

Die seltsamen Bewohner des himmlischen Reiches und — wie es scheint — auch die von Japan, haben den Genuss des Tees seit undenklichen Zeiten gekannt. Diarma, so erzählt die chinesische Sage, der Sohn eines indischen Fürsten, hatte sich in tiefe Einsamkeit verbannt, um sich ganz in sein beschauliches Nachdenken zu versenken. Einst hatte er bis zum Anbruch den neuen Tages gedacht und gegrübelt. Der Schlaf wollte ihn überwältigen, aber der Weise kämpfte gegen denselben. Als er dennoch erkannte, dass er der unüberwindlichen Macht würde erliegen müssen, da riss er verzweifelnd sich die Augenlider ab und warf sie zur Erde, Und siehe! den Denkers Lieder schlugen Wurzeln und es erwuchs das Bäumchen, dessen Blätter seitdem so manchem Gelehrten und Forscher behilflich gewesen sind, den Schlaf in überwinden, welcher zu ungelegener Zeit ihn bei seinen Arbeiten zu überraschen drohte. Denn das eben ist die hauptsächlichste Eigentümlichkeit der Teeblätter, dass sie (besonders die Blätter des grünen Tees) neben einem die Magentätigkeit belebenden Gerbstoff und neben geringen Teilen nahrhaften Gummis und Klebers auch flüchtige Teile und ein äußerst wirksames Alkaloid (Thein genannt) besitzen, die eine eigentümlich erregende und belebende Wirkung auf die Nerven ausüben. Daher verschwindet von dem Tee die Müdigkeit und stellt sich eine Heiterkeit und Beweglichkeit des Geistes ein, welche gleich willkommen in geselligen Kreisen, wie in dem einsamen Studierzimmer des fleißigen Gelehrten sind. Und dennoch ist bei dem anscheinend so unschuldigen Tee die Vorsicht nicht minder nötig, als bei allen anderen aufregenden Genüssen. In größerer Menge, oder zu häufig, oder in zu starkem Aufguss getrunken, entgehen Beklemmungen, Angst, Herzklopfen, Betäubung, selbst Ohnmacht und dauernde Abspannung. Gar oft trägt der Tee die Schuld des zu frühen Welkens schöner Damen, so wie folgenschwerer Nervenreizbarkeit und Magenschwäche.

 

In Europa wurde der Tee zuerst um die Mitte des 16. Jahrhunderts bekannt. G. Battiste Ramusio erhielt ihn 1556 von einem Perser unter dem Namen Chiai Katai, und Olearius fand ihn 1633 in Persien selbst unter der Benennung Schah oder Sah. Allgemeiner wurde er aber erst durch die Holländer zu Anfang des 17. Jahrhunderts bekannt, und in Paris soll 1636 der erste Tee getrunken worden sein. In Moskau war er 1674 schon ziemlich häufig. Die beiden Schriftsteller, welche im Abendlande zuerst von dem neuen Getränk gesprochen haben, waren Tulpius, Arzt und Bürgermeister zu Amsterdam, der im Jahre 1641 in seiner „Sammlung von Beobachtungen“ den Nutzen und die hauptsächlichsten Eigenschaften des Tees kennen lehrte, und Jonquet, ein französischer Arzt, der fast zu derselben Zeit ihn beschrieb und empfahl. Später wurde der Tee der Gegenstand einer sehr großen Anzahl von Schriften, nicht bloß von Seiten der Ärzte, sondern auch der Naturforscher und Reisenden, Linné führte die Pflanze zuerst lebend in Europa ein. Er vermochte nämlich den Kapitän Eckeberg, kurz vor seiner Abfahrt von China ganz frischen Teesamen in einem irdenen Topfe in Erde zu legen, so dass er erst nach der Umsegelung des Vorgebirges der guten Hoffnung, und zwar diesseits des Äquators aufgehen mochte. Dies gelang so vollkommen, dass bei der Ankunft zu Gothenburg aus allen Samenkörnern junge Pflanzen hervorgekeimt waren, welche man in dem botanischen Garten zu Upsala verpflanzte.

 

Dass der Tee, dessen andauernden Genusse man den unveränderlichen Charakter der Chinesen, ihre unbeschränkte Stabilität der Gesetze, Sitten und Gebräuche zuschreibt, dem seine Gegner Schuld geben, dass er die Begeisterung lähme, die Freiheitsliebe abstumpft, den Charakter schwäche, — dass derselbe im Jahre 1770 wenigstens passiv eine folgenschwere politische Rolle spielte, durch welchen jener Krieg zwischen Alt-England und seinen nordamerikanischen Kolonien herbeigeführt wurde, der mit der Befreiung der letztern von der Herrschaft des Mutterlandes endete, können wir als bekannt voraus setzen.

 

Gegenwärtig sollen in Europa jährlich gegen 500.000 Zentner Tee verbraucht werden, der meist aus China, zum Teil aus dem britischen Ostindien stammt, wo die Kultur des Teestrauchs durch die Engländer eingeführt ist und mit großer Sorgfalt gepflegt wird. Indes wird noch immer der echt chinesische Tee vorgezogen, namentlich derjenige, welcher durch Karawanen über Russland zu uns kommt, weil die Feuchtigkeit der Seeluft während des Transports zu Schiffe einen mehr oder minder nachteiligen Einfluss auf diese Ware ausübt. Dasselbe findet bekanntlich auch bei dem Kaffee in hohem Grade statt und Jeder, der schon einmal zu Lande angekommenen Kaffee des Orients getrunken hat, weiß, dass zwischen diesem und den bei ungangbaren zu Schiffe gekommenen Sorten ein größerer Abstand ist, als zwischen den letzteren und dem schlechtesten Zichorienwasser.

 

Was nun den Strauch selbst betrifft, dessen getrocknete und zubereitete Blätter den chinesischen Tee bilden, so gehört er zu der Gattung Camelia, und kann im natürlichen Zustande 20 bis 30 Fuß hoch werden; im kultivierten hält man ihn dagegen so unter dem Schnitt, dass er nur 6 bis 8 Fuß erreicht, teils um die Blätter bequemer abpflücken zu können, teils auch, weil durch den Schnitt stets neue, reich belaubte Zweige hervorgelockt werden. Er hat 2 bis 6 Zoll lange, 9 bis 20 Linien breite, glänzende Blätter, weiße wohlriechende Blüten und rundliche, braune, fast haselnussgroße Samen. Indes unterscheidet man einige Abarten, die von verschiedenen Naturforschern auch als besondere Arten betrachtet werden, besonders die Camellia Thea (schwarzer Tee, Tee-Bu, Thea Bohea L.) und die Camellia Thea (grüner Tee, Thea viridis L.), von denen die letztere größere, ungleich und gröber gesägte, oft etwas wellenförmige Blätter und minder zahlreiche, aber etwas größere Blumen hat. Indes sollen die Chinesen, nach der Versicherung von Reisenden, aus jeder Art des Teestrauchs nach Belieben grünen oder schwarzen Tee herstellen.

 

Der Teestrauch wird in ganzen Plantagen gebaut, und zwar in China auf den mit Pferdemist gedüngten Dämmen, welche die Felder von einander trennen, in Japan und Tunkin aber als Einfassung der Äcker. In Java, wo die Kultur des Tees ebenfalls schon ziemlich alt ist, da man ihn von dort schon 1665 auf den Amsterdamer Markt brachte, wird er aus den Bergen erbaut, und die dort gewonnenen grünen Arten werden sehr gelobt, wogegen man den schwarzen geringeren Beifall zollt. In Brasilien hat man erst seit 1828 den Teebau versucht.

 

Die Ernte der Blätter beginnt, wenn der Strauch drei Jahre alt ist, weil sie dann im Wachstum am besten und dichtesten sind. Mit dem siebenten Jahre erreicht das Gewächs die Höhe eines Mannes und die Blätter werden spärlich und zähe. Doch setzt man die Benutzung bis zum zehnten Jahre fort. Die sehr rein gehaltenen, sorgsam abgestäubten Blätter werden mit rein gewaschenen Händen und mit Handschuhen abgepflückt und sortiert. Die Arbeiter dürfen vorher schon acht Tage lang nur sehr wenig gegessen haben, da die Chinesen selbst den Hauch eines Unmäßigen als schädlich für den Geschmack des Produkts ansehen. Ein Fleißiger sammelt täglich 14 bis 15 Pfund Blätter ein. Diese werden kurz nach dem Abpflücken in siedendes Wasser getaucht und hierauf, aber oftmals auch ohne diese Behandlung, auf erhitzten eisernen Blechen getrocknet und noch heiß mit den flachen Händen verschiedenartig gerollt, worauf man ihnen, da sie von Natur geruchlos sind, durch allerlei Zusätze, besonders durch die Blätter von Camellia Sasanqua, die Blüten von Olea fragrans, Jasminum Sambac und der Teerose Parfüm erteilt und sie in Kisten packt, welche mit den Blättern einer Art Phorus ausgelegt sind.

 

Aber auch zu Verfälschungen hat der häufige Gebrauch des Tees Veranlassung gegeben. Schon in China wird dieses Gewerbe stark betrieben, indem man den schlechtesten Sorten des schwarzen Tees das Ansehen schönen grünen Tees zu geben sucht. In dieser Absicht vermischt man die Blätter mit Indigo, Bleiweiß und einer Wurzel, Turmerin, und schüttelt sie auf mäßig erhitzten Eisenplatten, bis sie das schöne pflaumenblaue und krause Aussehen des grünen Tees erhalten haben. In Europa betreibt man die Verfälschung und den Betrug dadurch, dass man die Blätter der Walderdbeeren, der Preißel- und Heidelbeeren, mehrer Ehrenpreisarten, der wilden Rosen, des Schwarzdorns, der Brombeersträucher und verschiedener anderer Gewächse in der Art zubereitet, dass sie dem chinesischen Tee gleichen und dann statt solchen, oder mit demselben untermischt, verkauft. Schon 1834 wurden mehre hundert Kisten solcher gefälschter Ware in London, konfisziert, aber wegen der zu großen Einträglichkeit des Geschäfts hat man dasselbe gleichwohl mit immer größerem Aufschwunge betrieben.

 

Das schmackhafteste Teesurrogat besteht in den jungen Blättern der Walderdbeeren, zu 1/3 bis 1/2 vermischt mit Zitronenmelisse.

 

Aus: anonym, Illustriertes Familien-Journal. Band 8. 1857