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Category: Vermischtes
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Published: 16 March 2011
Das Buch war für die Tasche wohl zu groß oder zu schwer; deswegen trug man es in einem Beutel, um der Bequemlichkeit willen, auch wohl um es zu schonen, denn damals waren die Bücher teuer. Hieraus ist denn der berühmte Bocksbeutel entstanden, worunter man den Schlendrian versteht. Ganz leicht ist es nicht, einen Beutel und das Halten an Gebrauch und Herkommen in Verbindung zu bringen. Daher hat es denn auch nicht an allerlei, zum Teil sehr sonderbaren Erklärungen und Auslegungen gefehlt. Selbst der scharfsinnige und witzige von Hess will es von dem Beisammenstehen der Frauenzimmer auf Kirchhofen und Marktplätzen, wo Recht und Herkommen und deren Übertretung verhandelt und wenigstens durch geläufige Zungen geahndet wird, ableiten. Die Frauen und Mädchen werden sich doch nicht immer mit dem Bocksbeutel, außer auf dem Kirchwege, beschwert und bei bemerkten Ungehörigkeiten grade auf ihr Psalmbuch berufen haben. Viel einfacher und daher wohl richtiger ist die Erklärung: Auch die Männer trugen, wie alte Abbildungen beweisen, einen solchen Beutel und darin ein Buch. Und welches? Zur Kirche das Brevier oder Gesangbuch; zu Rathaus und in die Versammlung der Bürgerschaft, die Statuten, um die Rechtsquellen sogleich bei der Hand zu haben und sich auf Gesetz und Recht berufen zu können. Wer dann fest auf dem gesetzlichen Herkommen, der Neuerung abhold, bestand, der hielt eigentlich am Buche, woraus nach einer gewöhnlichen Vertauschung (continens pro contento) der Booksbüdel wurde. Sagen wir doch: er liebt die Flasche und meynen den Wein. Hochdeutsch sollte man also nicht Bocks- sondern Buchsbeutel sagen. In Bremen sagt man dafür Ansbook, verkürzt von Asinga, das Landrecht *). S. das bremische Wörterbuch T. 1. S. 28.
*) Wer in der deutschen Sprache etymologisiren will, muss niedersächsisch verstehen und mit den verwandten Mundarten und Sprachen bekannt sein, wenn man vor groben Missgriffen sicher sein will. So hat vor kurzem ein berühmter Philolog die Kalmäuser von den Calmaldulensern ableiten wollen. Verstände dieser große Gelehrte niedersächsisch und englisch, so würde er wissen, dass kalm, auch im französischen, ruhig heißt. Der Schiffer sagt: de See ward kalm, und der Plattdeutsche von einem Kranken, mit welchem es bald aus ist: he ward all kalm. To muse aber heißt: im Stillen nachdenken, ist ein sehr altes Wort und wahrscheinlich mit dem griechischen . . . in der verrufenen Mystik verwandt. Ein Calmüser, denn so heißt das Wort ist also einer, der gern im Stillen nachdenkt. Der Calmaldulenser gehört gar nicht hierher.