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Aber man würde unsern guten Vorfahren sehr Unrecht tun, wenn man hieraus auf Mangel an Geschmack und Gleichgültigheit gegen die Kunst schließen wollte. Es verdient wohl bemerkt zu werden, dass wenn auch Hamburg seiner Schwesterstadt den Rang in Absicht auf Kunst und Pracht in den öffentlichen alten Gebäuden lassen muss, es dennoch in Errichtung frommer Stiftungen, nützlicher Anstalten, der Sorge für Wittwen und Waisen, für das hilflose Alter, für die studierende Jugend und für andere gemeinnützige Zwecke nicht zurück blieb, sondern es manchen viel reichern Städten jener Zeit gleich tat und dieselben sogar übertraf.

Lübeck, das Haupt der Hanse, der Mittelpunkt des damals so wichtigen nordischen Handels und eine Zeitlang Herr der Ostsee, war reich, sehr reich, und es gereicht ihm allerdings sehr zur Ehre, dass es seinen Überfluss nicht dem Bedürfnis und bloß Nützlichen, sondern auch dem Schönen widmete. Überall spricht sich in seinen Denkmälern, Gemälden, Holz- und Metallarbeiten die Wohlhabenheit aller Stände und Klassen der dortigen Einwohner aus. Mit den Privatleuten wetteiferten die Brüderschaften, Innungen, Zünfte und Gewerke ihre Tempel zu verschönern, wie die Inschriften in den Kirchen beweisen. Dazu kamen noch die reichbepfründeten Mitglieder des Domkapitels, größtenteils jüngere Söhne der ältesten und wohlhabendsten adlichen holsteinischen Familien, der Rantzau, Plessen, Brömsen u. a. welche für sich und ihre Verwandschaft eigene Kapellen zu Grabstätten erbaueten, in welchen man noch die herrlichsten marmornen und alabasternen Sarcophagen bewundert.

Das Alles entbehrte Hamburg oder besaß es doch in einem viel geringeren Grade. Auch war der wohlhabende Bürger zu Anstrengungen gezwungen, die der Einwohner von Lübeck nicht bannte. Jetzt, nachdem die Canäle unserer Stadt einmal da sind und ihnen ihre Richtung angewiesen ist, und sie uns, bei manchen leicht zu ertragenden Beschwerden, für Handel und Gewerbe so große Vorteile gewähren, bedenkt man nicht, welchen Aufwand an Geldkräften jene ersten Anlagen und Abdämmungen und Einfassungen des zu leitenden und zu bezähmenden Stroms dem Eigentümer sowohl als dem öffentlichen Schatze mögen verursacht haben. Hier musste das Bedürfnis und das Notwendige wichtiger sein, als die Befriedigung des Geschmacks und Kunstsinns. Die nur durch Kampf mit dem Elbstrom und selbst mit der kleinen Alster mögliche Erweiterung der Stadt, die kostbaren Hafenwerke, die Sicherung der Schifffahrt auf der Elbe seewärts, und endlich die Erhaltung der größern Dämme und Seedeiche am Ausflusse derselben in die Nordsee nach der Erwerbung von Ritzebüttel, (etwa 1400) so wie die Bezähmung der Seeräuber zwangen den hamburgischen Bürger, das Erworbene, Ersparte oder Ererbte sorgfältig zusammenzuhalten, um den Forderungen der zufälligen Ereignisse und des Gemeinwesens Genüge leisten zu können. So glaube ich, lässt sich der auffallende Unterschied zwischen diesen beiden befreundeten und benachbarten Städten, und zwar zur Ehre und Rechtfertigung Hamburgs erklären.