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Sie haben, wie jene Sachsen bei Frankfurt, sich von jeder Vermischung mit ihren Nachbaren frei gehalten; seit Jahrhunderten bewahren sie dieselbe Kleidung, der man es sofort ansieht, dass sie nicht dem deutschen Norden angehört. Die Vierlande gehören Lübeck und Hamburg gemeinschaftlich. Beide Städte eroberten sie im Jahre 1420, um einem in Bergedorf lagernden Raubritter das Handwerk zu legen. Sie sind im ungestörten Besitz dieser Eroberung geblieben, und regieren und verwalten sie gemeinschaftlich. Die Vierlande sind der Blumengarten Hamburgs. Die Rosenkultur ist hier zu Hause. Mir sind die Vierlande merkwürdig wegen ihrer Bewohner, die nun, über 700 Jahre auf fremdem Boden, sich ihrer Nationalität nicht entäußert haben, noch weniger als die Sachsenhäuser, obwohl sie in der Nähe einer der größten deutschen Städte wohnen, einer Stadt, deren Einwohner, aller Nationalität entkleidet, nur den materiellen Interessen huldigen. Die Vierländer haben es nicht versäumt, von Hamburg den Nutzen zu ziehen, auf welche sie die Sorge für ihre Existenz hinweiset. Sie sind ein industriöses Völkchen, das mit seinem Gemüse, seinen Erdbeeren und seinen Blumen Hamburg versorgt; aber, trotz dieses fortwährenden Verkehrs, ist ihnen die alte Sitte und sogar jene Kleidung geblieben, die sie von ihren Vorfahren ererbten und nur hie und da mit der Mode, mit silbernen Knöpfen und Schuhschnallen schmückten. Es ist gewiss; die gemachte Vermischung zweier Völker wird stets eine sorgfältige Sonderung zur Folge haben, eine Sonderung, die auf die spätesten Jahrhunderte vererbt wird. Nur bei freiwilligen, sich von selbst machenden Vereinigungen verschiedener Völker wird sich die nationale Individualität weniger erhalten.

Der Vierländer versorgt Hamburg mit allen vegetabilischen Bedürfnissen. Aber seine Industrie beschränkt sich darauf nicht, sie ist echt flamändischer Natur und geht nach Leipzig mit Lachs, nach Polen um von dort Blutigel zu holen. Ein Blutigel-Spekulant aus Billwärder soll einmal auf diese Weise 1.200 Mark reinen Gewinn gemacht haben. Ein Anderer, ein Bauer von Neuengamme, wollte es noch weiter versuchen und ging aus Polen direkt nach Paris, um dort seine Ware abzusetzen. Aber die Sache verlohnte sich der Mühe nicht.

Das Dammtor breitet einen Fächer von Alleen vor uns aus. Die eine westliche, führt über Lookstedt und Collau nach Groß-Borstel und Niendorf; die beiden andern Alleen geleiten uns nach Eppendorf. Wir können hier die Ufer der Alster durchwandeln. Der Fluss ist von Wiesengrund eingefasst und fließt, wie eine Idylle, sanft und ruhig dahin. Jäger, Hirten und Fischer bilden das handelnde Personal; Alles ist einfach, aber poetisch gehalten, und die Fahrzeuge, die Sonntags den Fluss beleben, erinnern an jene gemütliche Gastfreundlichkeit, die Voß so entzückend schildert, und die hier, statt der Menschen, die Natur aufzuweisen hat. Harvestehude aber, mit seinen Eichen, hat einen patriarchalischen Charakter; es scheint in einer alten ehrwürdigen Postille zu lesen, die aus fernen Jahrhunderten, von Vater auf Sohn vererbt worden ist. Die alten Eichen begeistern mich nicht, wie den entusiastischen Arendt, den sie sofort nach Teutonia führen; aber sie sind mir die große Frakturschrift deutscher Natur, die so kräftige und erhabene Gedanken entält.