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- Category: Vermischtes
- Published: 12 March 2011
Unverhältnismäßig werden in dieser Zeitung die Interessen Russlands begünstigt. Nicht minder wird der Einfluss Preußens auf sie bemerkbar. Endlich waltet die hamburgische Zensur über sie, wie ein schützender Genius, mit dem Schwert in den Händen. Somit erhalten die beiden stolz umher blickenden Löwen, die Wappenhalter der hamburgischen „Türme“ denn ein ziemlich spießbürgerliches, hölzernes Ansehen. Ganz vortrefflich sind die fremden Artikel redigiert: man findet hier die Parlaments - und Kammerverhandlungen, in extenso, meisterhaft und zuverlässig ins Deutsche übertragen. Mit „gelehrten Sachen“ befasst sich diese Zeitung in jetziger Zeit wenig. Sie ist eine der ältesten deutschen Zeitschriften; aber die neuesten Regungen des Zeitgeistes werden, aus den obigen Gründen, nicht in ihr bemerkbar. Deshalb mag es denn auch wohl kommen, dass ihre Abonnentenzahl so sehr gesunken ist. Sie zählt deren kaum mehr, als 3000. Der Korrespondent erscheint täglich, mit Ausnahme des Sonntags, in kleinem Quartformat. Der Druck ist eng aber deutlich.
Die neuen „Adress- Comptoir- Nachrichten“ werden — so viel mir bekannt ist — von Lülmann redigiert. Auch sie muss man, wegen ihrer trefflichen Übersetzungen, loben. Dazu kömmt noch, dass sie keinem fremden Einflusse unterliegen. Sie erscheinen jetzt in großem Folio, und, so viel ich weiß, Abends, wie die „Börsenhalle“; wodurch es ihnen möglich wird, die neuesten Nachrichten sofort dem Publikum zu bieten, was um so angenehmer, da auch die Redaktion dieser Zeitschrift sich der Ausführlichkeit befleißigt und sofort die Parlaments- und Kammer-Debatten ihren Lesern auftischt.
Die „wöchentlichen Nachrichten“ beschäftigen sich teilweise mit politischen, größtenteils aber mit städtischen Angelegenheiten. Sie erscheinen wöchentlich drei, oder vier Mal. Dieses Blatt ist das einzige politische welches das Theater bespricht.
Das Letztere ist an viele belletristische Journale verwiesen, die, nach Gefallen, damit Federball spielen.
Keines von ihnen bietet dramaturgische Unterhaltung oder Belehrung.
Ich nenne hier zuerst die „Originalen, Blätter für Witz, Laune und Phantasie.“ Ihr seit „30 Jahren unheilbar erblindeter“ Redakteur ist Georg Lotz, der in der Herausgabe dieser Zeitschrift eine „tröstende und erheiternde Beschäftigung“ findet. Vorstehendes sind die ausdrücklichen Worte des Herausgebers, mit welchen er sich halbjährig an das Publikum wendet, dasselbe zum Abonnement einladend. Lotz hat seine „Originalien“ auf diese Weise — ich glaube neunzehn Jahre lang — durch die Literatur gebettelt, und seine Leser scheinen auf den pauvrs honteux mehr zu geben, als auf den Witz, die Laune und Phantasie seines Blattes, die man, bei dem besten Willen, in demselben nicht auffinden mag. Früherhin benutzte Müllner die „Originalien“ zur Verbreitung seiner rabulistischen Ausfälle gegen die Literatur, und der von ihm redigierte fortlaufende Artikel: „Literarischer Kriegs - Kurier“ rechtfertigte wenigstens den Titel des Blattes: „Originalien“ und „Witz“ und „Laune.“ Mit seinem Hinscheiden schwand dieser Schandfleck der Zeitschrift, aber auch die letzte Spur der Originalität wurde ihr genommen. Sie beschäftigt sich jetzt auf ihrer vierten Seite mit hämischen Ausfällen gegen das Theater-Personal, oder mit übermäßigen Lobhudeleien desselben, und Frau Birch-Pfeiffer hat in der neuesten Zeit viele Lorbeerkränze aus den Händen des „unheilbar erblindeten“ Lotz, als würdigen Lohn ihrer dramatischen Muse erhalten. Der übrige Teil der Zeitschrift ist mit schlechten Erzählungen und Gelegenheits-Gedichten angefüllt, die Herr Lotz gern von denjenigen, die kein Honorar verlangen, entgegennimmt. Ich kenne Lotz persönlich. Er ist wirklich blind, unheilbar blind, und von den Interessen der Literatur und Kunst weiß er so wenig, wie vom Sonnenlicht. Außerdem ist er gelähmt, ganzlich gelähmt, so dass er sich von einem Stuhl zum anderen tragen lassen muss. Seine Lähmung ist jedoch nicht bloß körperlich, sondern auch geistig. Indes er hat Lebensmut und Lebensfrische für zehn Gesunde, und lässt es sich angelegen seyn, Schauspieler und Andere, denen er es irgend bieten kann, zu seiner „tröstenden und erheiternden Beschäftigung“ auf die frechste und unverschämteste Weise mit Persönlichkeiten und Invektiven zu quälen. Weil ihm dazu die „Originalien“ noch nicht hinreichten, so ließ er in Altona eine zweite Zeitschrift, den „Kanonier“ ins Leben treten, die es sich auf alle nur mögliche Weise angelegen seyn ließ, Haus und Hof der Hamburger mit Schmutz zu bewerfen und den Kehricht des Lebens auf dem Markte der Literatur aufzuhäufen. Sie musste, da sie den Unwillen des Publikums im höchsten Grade auf sich zog, den Platz räumen, und die öffentlichen Blätter haben wirklich wunderbare Dinge von der Art und Weise, wie in ihr verfahren wurde, berichtet.
Bei dem Allen ist Lotz's Haus der Versammlungsplatz der Schauspieler, fremder und einheimischer, über welche er, nach seiner Laune, in den „Originalien“ referieren lässt und dazu Anmerkungen macht, die Gottlieb Koke, Setzer der „Originalien“, unterzeichnet sind. Auf dem Sopha hingestreckt ist er stets von sogenannten Künstlern umlagert; er bekundet ihnen ziemlich ohne Rückhalt seine Denkweise und amüsiert sich mit ihnen über Stadtklatschereien und Theater-Intriguen, die er früher für seinen „Kanonier“ zu benutzen wusste. Seiner Frau, die er in die Literatur eingeführt hat, diktiert er, während des Gesprächs mit Anderen, die Persönlichkeiten, die in seinem Geiste auftauchen. Ist er allein und ungestört, so geht es an die Übersetzung französischer und englischer Romane, welche ihm seine Frau im Originale vorliest und dafür die deutschen Diktate von ihm entgegennimmt. Nie ist mir ein Mensch vorgekommen, der, von körperlichen Gebrechen aller Art heimgesucht, so lebensfroh und unermüdlich tätig war, wie Lotz; nie Jemand, der sich so wenig von Beschuldigungen aller Art, die seinem Streben gemacht wurden, beugen ließ. Aber dass er fortwährend sein Spiel treibt, das liegt wohl teilweise an der Gutmütigkeit seiner Abonnenten, die dem „unheilbar Erblindeten“ wohlwollen, teilweise an der Inkonsequenz der Schauspieler, die ihn heute verunglimpfen, um Morgen mit ihm zu Mittag zu essen. Immer aber bleibt es eine merkwürdige Erscheinung in unserer Literatur, dass dergleichen Nuditäten nicht der öffentlichen Meinung unterliegen.
Die „literarischen und kritischen Blätter der Börsenhalle“, die früher getrennt, jene unter des Rats Ludewig und Niebours, diese unter der Redaktion des Dr. Wurm, erschienen — sind jetzt vereint unter einem Titel: „literarische und kritische Blätter der Börsenhalle.“ Wurm urteilte nicht ohne Sachkenntnis und zeigte in seinem Styl französische Eleganz. Aber mit dem einen Auge nach dem Hamburger Senat blickend, mit dem andern nach seinem Gehalt, konnte er seine Kritik nicht zur Unparteilichkeit erheben. Der kritische Wurm der Börsenhalle war der erste unter den deutschen Würmern, der Börne, wegen seiner Pariser Briefe in die Ferse stach. Wurms kritisches Räsonnement war mehr ein geistreiches Geschwätz, mit Zitaten gespickt und auf das Bestehende gestützt, als eine Kritik. Ludolf Wienbarg besorgt jetzt größtenteils die Kritik der Börsenhalle. Er gehört der jüngeren Literatur an, die sich von der Anbetung und dem Götzendienste losgesagt hat und auf humanere, durch die Julius-Revolution geweckte Prinzipien gestützt, nicht ohne Einfluss auf das soziale Leben Deutschlands sein wird. Wienbarg, Gutzkow, Laube u. A. sind die Wortführer dieser literarischen Partei, die man bald „Bewegungspartei“, bald „neuere Schule“ heißt. Iu der ersteren Bezeichnung erblicken wir in dieser jungen Literatur die Anhänger Menzels, der bereits, vor der Julius-Revolution, jene Opposition in der literarischen Welt feststellte, die nicht an blinder Verehrung litt, sondern den Begriff der Republik vor Augen hatte, ohne die Gottheiten Schiller und Goethe; eine Opposition, die, nach dem Eintritt der Julius-Revolution, auch zu politischem Einfluss gelangte und die Augen des Volks auf sich zog. Politik und Literatur wurden verschmolzen, man verachtete den Dichter Goethe mit dem Diplomaten. In der zweiten Bezeichnung „neuere Schule“ nimmt man die Scheidung Einzelner von dem republikanischen Terrorismus der Bewegungspartei wahr, zu welcher auch Börne gehörte. Diese „neuere Schule“ Deutschlands hat wohl nur in Gutzkow und Wienbarg ihre eigentlichen Repräsentanten, nur dass der Erstere mehr mit logischer Konsequenz, der zweite mehr in Streifzügen sich der Interessen der Literatur annimmt und diese zur Emanzipation aus den Händen der Politik geleiten will, sie, auf der anderen Seite, gegen jeden Servilismus schützend. Wienbarg hat in dieser Beziehung gehaltvolle Urteile über Raupach ergehen lassen, die in den „literarischen und kritischen Blättern der Börsenhalle“ enthalten sind; nicht weniger scharfsinnig und treffend hat er in dieser Zeitschrift den Salon II Heines beurteilt. Seine Kritiken sind abgeschlossene literarische Charakteristiken; sein Styl ist gedrängt und umfassend, leicht und elegant. Den eigentlichen literarischen Teil der Zeitschrift versorgen die Herren Ludewig und Niebour mit Übersetzungen. Die Auswahl ist hier zu loben.
Rat Ludewig ist ein äußerst belesener, aber etwas geschwätziger Mann, und das Publikum mag im Ganzen damit zufrieden seyn, dass es nicht die breiten politischen Räsonnements desselben zu lesen bekömmt, mit welchen er früherhin die Bremer Zeitung ausstattete, sondern, statt deren, jene pikante Auswahl der besten englischen und französischen literarischen Erscheinungen, die nur hie und da mit erläuternden Anmerkungen der Redaktion versehen sind. So erinnert z. B. Herr Ludewig in einem aus dem Französischen übertragenen antropologischen Artikel: „Ob der Mensch vom Affen oder vom Frosche abstamme?“ (Nr. 1030 der erwähnten Zeitschrift S. 359. Jahrgang 1835) sehr gelehrt seine Leser daran, dass, wenn ernstlich von möglicher Abstammung des Menschen vom Affen die Rede sein solle, bei solcher Untersuchung notwendig das Geistige auch mit in Betracht gezogen werden müsse.
Der „Freischütz“ erscheint jede Woche einmal. Er hatte es in früherer Zeit zu einem kritischen Ansehen in theatralischen Angelegenheiten gebracht, und teilweise mit Grund; denn das Urteil des musikalischen Kritikers (Kapellmeister Wahrlieb nannte er sich), war treffend. Jetzt ist dieser eigentliche Stützpunkt des Blattes geschwunden; aber der Dorfzeitungston, in welchen sich die Redaktion hineinstudiert hat, sichert dem „Freischütz“ viele Leser aus der mittleren Volksklasse. Die Redaktion greift in Welt, Staat, Kunst und Politik hinein und gibt nun Alles, was das Volk interessieren kann: Theater und Prügeleien, Bücherschau und Welt-Händel, Gedichte und fromme Wünsche pêle-mêle in jener Form, die gemütlich - witzig sein will, aber in der Tat wie Waschweiberton klingt, besonders wenn sie bei Urteilen über Poesie und Kunst angewendet wird. Dabei verfährt der „Freischütz“ wirklich mit einer unverschämten Arroganz, ganz in der Art, wie nur Abends in der Bierschenke ein Schulmeister, seinen wissbegierigen Bauern gegenüber, verfahren kann. Es herrscht in dem unglücklichen Kaspar, dem nun, seit Wahrliebs Hinscheiden, nur noch die siebente Kugel zu Gebote steht, in Betreff der Bühne ein wahrhaft diktatorischer Ton, der in gedrängter Redseligkeit Allem entgegen tritt, was in anderen Blättern anerkannt wird, jene unbescheidene Bescheidenheit, die da recht wohl weiß, dass ihr der wahre innere Gehalt fehlt, und dass sie daher zu jenen unschuldigen Jagdkünsten ihre Zuflucht nehmen muss, die der großen Menge zusagen. Bald legt der Theater-Referent den Schauspielern sein „Kuppel zu Füßen“, bald ruft er tadelnd: „nit für ungut, Sie sind ja sonst ein braver Schauspieler!“ immer ist er gutmütig, gerät aber übrigens sofort in Harnisch, wenn irgend Jemand seine — in Betreff des Schauspiels — oft absurden Urteile bezweifelt. Als der erste Teil von Börnes Briefen erschien, da war auch sofort der „Freischütz“ auf dem Platze, und machte; seinem Patriotismus in Sonetten und gemütlichen Ausfällen Luft, von welchen Börne wenig erfahren mochte; später aber, als dieser mit Kartätschen auf Eduard Meier, Wurm, Willibald I und Andere losschoss, zog sich der „Freischütz“ bescheiden zurück und mischte sich nicht im Entferntesten in weiteren Kampf. Die Scheinheiligkeit und Unverschämtheit dieses Blattes har die Anonymität zum Deckmantel gewählt; der Drucker Gottfried ist als Redakteur desselben unterzeichnet. Erklären kann man es sich übrigens, eben wegen dieser Redaktions-Verschleierung, weshalb dem „Freischützen“ in öffentlichen Blättern gar häufig ein so übermäßiges Lob gespendet wurde. Der Redakteur selbst konnte solches Lob in alle Blatter einschwärzen, weshalb denn auch jener Zeitschrift das Glück zu Teil wurde, aller Orten mit Anerkennung überhäuft zu werden, eine Anerkennung, die man wahrlich nie und nimmer hätte vertreten können. Träte die Redaktion mit offenem Visier auf, man würde dann wissen, was man von ihr zu halten habe. Lange Zeit hat man sich in den Wirtsstuben Hamburgs und hinter den Kulissen darüber den Kopf zerbrochen, wer der eigentliche Redakteur des „Freischützen“ sei. Jetzt ist man so ziemlich darüber einverstanden, dass es der Gatte einer jetzt verstorbenen Schauspielerin ist, der im Fache des Munteren und Naiven Vorzügliches leistete. Herr D. R......... lebte geschieden von seiner Frau, jetzt aber, nachdem sie der Kunst entrissen, weint er ihr in jeder Rezension Tränen der Dankbarkeit und Anerkennung nach, deren er, während ihres Lebens, so gar keine für sie hatte. „Aber es ist keine R.........“ so heißt es in jeder Rezension.
Der „Beobachter“ wird von einem Buchdrucker, Menck, redigiert. Stadtklatschereien bilden den Hauptbestandteil dieses Blattes.
Die eigentlichen Skandalosa liefert der „Neuigkeitsträger“, oder „Erzähler.“ Die Zensur gestattet es, dass hier dem Nächsten Ehre und Kredit abgeschnitten werden. So ängstlich, wie die Hamburger Zensur auch in Betreff politischer Angelegenheiten ist, in Betreff der Privaten lässt sie eine freie Presse walten. Auf eine wahrhaft entsetzliche Weise tritt die Pressfreiheit in dem letzteren Blatte auf; ungehindert wird hier aller Unflat des Lebens zusammengefahren, das Menschenrecht mit Füßen getreten. Man hat ja eine Injurienklage. Aber nicht bloß Hamburg, sondern auch die Nachbar-Orte tragen ihren Mist in jene Kloaken. Es ist das ein Beweis, wie wenig jene kleinen Republiken unseres Vaterlandes die republikanische Größe begreifen. Demütig und unterwürfig gegen das Ausland, fremden Prinzipien untertan, ängstlich besorgt für die Erhaltung ihrer materiellen Freiheit, sehen sie es gern, wenn ihre Bürger sich im kleinlichen Lebensgetreibe gefallen. Man gibt der Presse insonderheit die Bühne, die Person und die Familie des Nächsten frei, damit sie sich damit beschäftige, wie der Hund mit der Abnagung des Knochens. Wenn man dabei zur Bedingung macht, dass kein Name genannt werde, so ist das nur um so schlimmer; denn der Injurien Klage, der letzten schwachen Schutzwehr des Verunglimpften, wird solchergestalt meistenteils der Grund genommen. Eine Injurie per demonstrationem ist schwer zu erweisen.