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- Category: Tourismus
- Published: 13 March 2011
Altona kontrastiert mit Hamburg auffallend durch die Ruhe seiner Straßen und durch die regelmäßigere Bauart. Die Palmaille, ein schöner Spaziergang, von vier Reihen großer Bäume eingefasst, und von stolzen Gebäuden zu beiden Seiten begrenzt, bietet schöne Aussichten auf die Elbe, die hier an zwei Punkten, wo die Häuser sich teilen, mit ihren südlichen Ufern, grünbekränzt und von Hügeln umsäumt, das Auge entzückt. Ottensen mit dem Rainvilleschen Garten, der, terrassenförmig angelegt, eine Fernsicht auf die Elbe gestattet, schließen sich der Palmaille an.
Ottensen ist ein historisches Dorf geworden. Zwei Namen: Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, und Klopstock, haben es in die Geschichte eingetragen. Beide strebten nach einem Ziele, der Freiheit und Unabhängigkeit Deutschlands. Klopstock lebte und sang ihr in seinem „Hermann“; Karl Wilhelm Ferdinand lebte und starb ihr, und die kleine Kirche in Ottensen, in deren Nähe der Sänger der Messiade ruht, musste lange Zeit die Überreste eines deutschen Fürsten beherbergen, der Leben, Krone und Vaterland der Realisierung jener Idee der Freiheit und Unabhängigkeitgeopfert hatte, und dem daher nicht einmal ein Platz in der Gruft seiner Ahnen, neben dem Löwen, gestattet wurde. Nur ein schmerzvoller Tod ließ ihn jenes Dekret nicht erleben, welches seinen Namen aus der Reihe europäischer Dynasten strich. Des Augenlichts in der Schlacht bei Auerstädt beraubt, starb der greise Fürst in Ottensen, wie Augenzeugen behaupten, ohne irgend ein Zeichen von Schwäche, ohne sich einen Augenblick ungleich zu werden. Ein schöner Tod; man setzt dem Leben stets den Schlussstein auf, wenn man so stirbt, wie man gelebt hat. So starb der Herzog von Braunschweig; so starb Klopstock; nur dass der Letztere allen trüben Verhängnissen seines Vaterlandes entzogen wurde, denen jener erlag.
In Betreff der durch die französische Revolution festgestellten Ideen von republikanischer Freiheit und Gleichheit mochten beide Männer vielleicht entgegengesetzte Pole sein. Indes Bestimmtes lässt sich auch hierüber nicht behaupten. Klopstock vermied es, von den Ereignissen des letzten Dezenniums des achtzehnten Jahrhunderts zu sprechen; ersah wohl ein, dass das Urteil darüber außer dem Bereiche der Zeitgenossen läge. Schwer würde es sein, ihn einer Partei unterzuordnen, der er auch gewiss im Leben nicht angehörte; denn er liebte die Freiheit nur, als das himmlische Erbe der Menschheit. Aber eben so wenig machte der republikanische Terrorismus ihm jene Freiheit verleiden. Sein Schweigen beweiset nur zur Genüge, wess Sinnes der Sänger der Messiade war. Der Herzog von Braunschweig zog gegen die Republik zu Felde. Ob gern, oder ungern, ob mit Überzeugung, oder mit Rücksicht auf das Prinzip, dem er seinen Thron verdankte, darüber ist nichts Näheres bekannt geworden. So viel ist aber gewiss, dass er nicht der Verfasser jenes Manifestes war, welches Preußen gegen die junge Republik schleuderte. Er soll häufig seine Untertanen, auf Kosten der Fürstenwürde, begünstigt haben. Er starb — wie gesagt — für die Freiheit und Unabhängigkeit Deutschlands, und die Nachwelt mag es immer interessant finden, wenn sie erfährt, der Herzog von Braunschweig, der Verfechter jener Idee Klopstocks, sei durch das Geschick zum Grabe des Sängers geführt und habe dort gleichsam von einer höheren Hand festgebannt, seinen Tod gefunden, der ihm in keiner bessern Umgebung werden konnte, als an der Ruhestätte des deutschen Pindars, dessen Tod eines Gerechten, wie er im zwölften Gesange der Messiade vorkommt, nicht ohne Trost für den dreiundsiebenzig jährigen Herzog sagen mochte, der allerdings für einen der wissenschaftlich gebildetsten Fürsten seines Jahrhunderts galt.
„Saat, gesäet von Gott,
Am Tage der Garben zu reifen“,
diese Grabschrift ließ Klopstock seiner Meta setzen. Man hat sie nicht verändert, als man seine Gebeine zu den ihren legte, unter die große Linde.
An der Nordseite des Dorfes tritt uns der Tod in weniger tröstender Anschauung entgegen. Hier ruhen 4.138 Hamburger, die, von Davoust aus Hamburg vertrieben, in dem neuen Altona dem Ungemach erlagen.
Von Ottensen aus zieht sich der Weg, längs des hohen Ufers der Elbe, die, bald hinter Gebüschen verstecket, bald frei hervortretend, mit uns zu spielen scheint, nach Klein-Flottbeck und weiter nach Nienstädten. Lauter Elb - Ansichten enthüllen sich dem Auge, stets in malerischer Färbung, unter grünen Rasen, Kornfeldern, Baumgruppen und kleinen Gehölzen. Es ist eine sinnige Natur, die Einen hier anlächelt, das Land tritt hier bescheiden vor der Elbe zurück, die in ruhiger Majestät vorüber wallt und mit der reichen Handelspracht geschmückt ist, die Hamburg in entfernte Weltteile aus seinem Hafen sendet. Überall aber ist Fülle, Reichtum und Mannigfaltigkeit. Die Ober - Elbe ist subjektiv und romantisch, die Nieder-Elbe ist objektiv und klassisch in der Anschauung.
Man gelangt endlich, von dem Ufer ablenkend, auf der Landstraße, die sich einwärts zieht, zu dem Dorfe Blankenese. Dieser von Fischern und Lotsen bewohnte Ort ist in ewige Trauer gehüllt. Allentalben treten Einem Wittwen und Waisen entgegen, deren Ehemänner und Väter Neptun ein Opfer fielen. Ich genoss hier das schaurige Vergnügen einer sturmbewegten Luft, hier, dicht am Strande der Elbe, von jener kahlen Höhe, die man den Sühlberg heißt. Der Fluss dehnte sich auf seinem weichen Bette, als sei es ihm zu eng, und die Ufer schienen sich zu weiten und seinen Anstrengungen nachzugeben. Das einförmige Getöse des Wassers, das immer höher strebte und endlich zu dem ordentlichen Wellenschlage überging, der die kleineren Schiffe nach Willkür bewegte, wenn er die größeren ohnmächtig umspielte, nahm mit jeder Minute zu, und vermischte sich endlich mit dem Brausen des Sturmes, der nun über Wasser und Schiffe die Oberhand behielt und ein Vorspiel der großen Tragödie eines orkanbewegten Meeres bot, die so Mancher der vorübersegelnden Kauffahrer harrt und in welcher auch die Blankeneser häufig mitzuwirken gezwungen werden.