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Das Leben in den Seebädern gestaltet sich anders als das in den Bädern des südlichen Deutschlands, unter welchen ich vorzüglich die des Taunus verstehe. Es ist erquicklicher und sozialer, weil es beschränkter ist; es ist zutraulicher, weil sich mit der See kein Luxus treiben lässt, und so manche Vergnügungen hier durch die Verhältnisse ausgeschlossen werden, die in den Landbädern, trotz aller schönen Natur, ungern vermisst werden. Doberan hat es einzig und allein den Landbädern nachzutun versucht; aber es wird über kurz oder lang an dem Prunk erliegen.

Insel HelgolandHelgoland, Norderney, Travemünde, Cuxhaven dagegen verharren bei ihrer Einfachheit, und wahrlich! sie ist die größte Annehmlichkeit eines Bades, in welches man sich — sei es nun aus Bedürfnis oder aus Erholung — begibt, in welchem man aber ungern an das erinnert wird, was in den Salons eine Hauptrolle spielt, an den eigentlichen Luxus. Natürlich müssen sich hier die gesellschaftlichen Verhältnisse anders gestalten, als da, wo das Geld und König Pharao prädominieren. Die psychische Ruhe, die auf den Körper so vorteilhaft einwirkt, wird in den Seebädern durch keine störenden Einflüsse beeinträchtigt. Man findet hier das, was der Engländer Comfort nennt, ohne fremdartigen Zusatz. Schon der Anblick des Meeres übt einen heilsamen Einfluss aus; es führt in seiner Ruhe zu süßen, milden Träumen, orkanbewegt vielleicht zur Begeisterung; denn dieser Majestät der Empörung kömmt nichts gleich. Aber welche Einflüsse auch auf uns durch das Meer hervorgerufen werden, sie sind nie widerwärtig, nie vernichtend, sondern erhebend. Die Bank wird hier stets Nebensache bleiben; Spieler von Profession werden hier nie eine reiche Ausbeute finden; denn wer sich in diese Stille begibt, der will dem Luxus und seinen verderblichen Resultaten entfliehen.

Wiesbaden WilhelmstraßeWie ganz anders ist das in den Landbädern. Der Taunus glänzt von Poesie und Romantik; aber wir erblicken dort allentalben konfiszierte Gesichter, wir hören Geldgeklimper aller Orten, und die eigentliche Erholung wird uns durch Überladung von Eleganz, durch Überteurung, oft durch Verzweiflung mitten unter den Heilquellen getrübt. Wo dem sinnlichen Menschen so viele Verlockungen entüllt werden, von da wird er meistenteils nicht nur kränker am Körper, sondern auch kränker an der Seele scheiden. Schon der bloße Anblick des glänzenden Elends am Pharaotisch zerstört den Genuss, zerreißt die heitere Stimmung. — Wie häufig langweilt man sich in Wießbaden, in Ems, in Langenschwalbach.

In den Seebädern habe ich nie über einen solchen Übelstand klagen hören. Alles ist frisch und lebendig, ein Einfluss der Seeluft; Alles bemühet sich, zur gemeinschaftlichen Unterhaltung beizutragen. Schon die Seefahrten, auf welchen die Badegäste zusammenkommen, begünstigen das. Die Zersplitterung fehlt hier; es ist lediglich für die Vereinigung gesorgt.

Nur in den Seebädern herrscht ein soziales Leben, und Jeder, der bloß zur Erholung eine Badereise unternimmt, tut wohl, seine Schritte entweder nach dem fabelhaften Rügen, oder nach Foseta's Eiland, nach dem ostseekräftigen Travemünde, oder nach dem nordseeumrauschten Norderney, oder endlich nach dem schmucklosen Cuxhaven zu lenken. Hier walten Ruhe, Milde, Frohsinn und Herzlichkeit. Diese Erholung ist herzerhebend. Großer Gott! was muss man nicht von der schwülen Stickluft der Taunusbäder dulden, die ich nun einmal nur denen anempfehlen kann, die an jenen Gebrechen leiden, für welche die fontes Matiaci nur Heilung bieten. Ich habe ihnen, trotz aller Pracht, mit welcher sie die Natur und die Kunst heraus geputzt haben, keine angenehme Seite abgewinnen können.