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Die Bootsknechte und Schiffssoldaten verloren den Mut, warfen sich in die Schaluppe und wollten ihr Heil in der Flucht suchen. Der Kapitän hielt ihnen ihre Pflicht vor, und befahl ernstlich, daß sie zu ihrem Dienste und ihrer Schuldigkeit zurückkehren sollten; allein vergebens. Die Liebe zum Leben besiegte die höhere Pflicht des Gehorsams. Endlich gelang es Carpfängern mit vieler Mühe und rührenden Bitten, sie zur Rückkehr zu bewegen. Mit neuem Mute und der größten Anstrengung versuchte man Alles, um das Schiff zu retten; aber alle Mühe und Arbeit war umsonst; das Feuer griff immer weiter. Nun beratschlagte man, ob man das Schiff durchbohren und senken oder auf den Strand jagen sollte? Das letzte wurde beschlossen; aber als man zu dieser Absicht die Segel fliegen ließ, wurden sie sogleich vom Feuer ergriffen. Ja dasselbe zündete nun auch das Pulver im vordem Teile des Schiffes an, welches aber, weil es häufig mit Wasser war begossen worden, ohne besondere Explosion mit einem Zischen aufflog.

Als man nun sah, dass keine Rettung möglich sei; da die umherliegenden Schiffe sich nun auch entfernten, um nicht vom Feuer oder durch die Explosion der Pulverkammer ergriffen zu werden, da erschütterte eine rührende Szene den Mut und das Herz des Kapitäns. Sein Sohn, ein noch sehr zarter Jüngling, fiel vor ihm nieder, umfasste des Vaters Knie, und bat ihn um Gottes willen und in den beweglichsten, rührendsten Ausdrücken, er möchte sich doch retten und mit ans Land fahren. Allein Carpfanger blieb standhaft, ließ seinen Sohn nebst andern Freunden durch den Quartiermeister in einem Boote ans Land fahren, und sagte mit griechischem Heroismus: „Der Sohn muss schweigen, und sich wegbegeben. Ich weiß es besser, was mein Amt und meine Ehre erfordert.“ Hier auf suchten sich die noch übrigen Leute durchs Schwimmen zu retten, weil kein Fahrzeug mehr da war. Kurz darauf sprang der Hinterteil des Schiffs mit einem gewaltigen Schlage in die Luft, alle Kanonen lösten sich, und die Granaten zerschmetterten. Noch hätte der Kapitän gerettet werden können; allein er wollte nicht. Die meisten Leute, welche sich durch Schwimmen hatten retten wollen, 42 Matrosen und 22 Schiffssoldaten, ertranken. Des Nachts um 1 Uhr, wie das Schiff bis auf den Kiel niedergebrannt war, warf sich der Kapitän ins Meer. Allein entkräftet von der Arbeit und den Schrecknissen des Tages, ohnedem noch von schwächlicher Gesundheit, fand er seinen rühmlichen Tod in den Wellen. Sein Körper wurde zuerst wieder gefunden, am 13ten mit allem Pompe, welcher in solchen Fällen gewöhnlich ist, hinter den Puncteles, dem Begräbnisorte der Fremden, begraben, und alle umliegende Schiffe gaben ihm die Ehrensalve.

Wem füllt hier nicht der Athenienser Chabrias ein? Als in dem Bundesgenossenkriege Chios belagert wurde, lief er mit dem Schiffe, auf welchem er sich befand, in den feindlichen Hafen ein, in der Hoffnung, daß die ganze atheniensische Flotte ihm folgen wurde. Allein die Befehlshaber derselben waren neidisch auf des Chabrias Ruhm und Ansehen, und blieben verräterisch vor Anker liegen. Sein Schiff wurde von feindlichen Fahrzeugen umringt, und blieb mit dem Vorderteil festsitzen. Er hätte sich durch Schwimmen retten können, weil die atheniensche Flotte in der Nähe war. Allein er wollte lieber sterben, als seine Waffen abwerfen und sein Schiff verlassen. Die Besatzung des Schiffes hatte dies feine Ehrgefühl nicht, sondern stürzte sich ins Meer und rettete sich. Nun stand und kämpfte Chabrias allein, bis er von einem feindlichen Geschoss durchbohrt wurde.

Wenn Hamburg je seinen patriotischen und verdienstvollen Männern ein Pantheon errichtet: so verdient Carpfängers Bildnis darin einen vorzüglichen Platz.