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- Category: Kultur
- Published: 12 March 2011
Professor Zimmermann, der Zimmermann des hamburgischen Theaterschiffs, alle diese brachten längere, oder kürzere Zeit in Hamburg zu, und man sah sie Abends abwechselnd bei dem poetischsten Gastwirte Deutschlands, dem Herrn Marr, im „König von England“ versammelt, vertieft in die Literatur und in Wein, oder Wasser, an welches Letztere sich Herr von Maltitz hielt, sein Hass gegen Preußen und Berlin hinunterspühlend. Man hatte ihn wirklich zu unglimpflich behandelt. Weil er den „alten Studenten“ geschrieben, der sich weit besser als Vaudeville, denn als Schauspiel ausnehmen müsste, hatte man ihn aus Vaterland und Vaterstadt, aus dem märkischen Sande verbannt. Verlassen und bekümmert irrte er in Hamburg umher, unterhielt die Gäste und ließ sich von Herrn Marr trösten, der das gefühlvollste Herz unter allen Gastwirten hat, aus dessen jeglicher Miene die Worte sprechen: „Wär' ich nicht Marr; ich möchte wohl Schiller sein und den „Wallenstein“ gedichtet haben.“ Marr ist größer als Gastwirt, denn als Dichter, das lässt sich nicht läugnen, und die Schellfische, welche man bei ihm isst, sind bei weitem besser, als seine Poesien. Ich führe das nur aus dem Grunde an, damit Reisende, die Marrs poetische Einladung zu seiner neuen Gastwirtschaft im Hamburger Korrespondenten gelesen haben, sich durch dieselbe nicht abschrecken lassen. Sie haben zuversichtlich eine gute Bewirtung in den beiden Königen von England und Irland zu erwarten, und sich nur davor zu hüten, dass sie den Eigentümer derselben nicht unter vier Augen begrüßen. Dann sind sie verloren und müssen jedenfalls das zweiaktige Stück mit anhören, dessen Verfasser er ist und das bereits auf dem Theater in der Steinstraße gegeben wurde.— Um wieder auf Maltitz zurück zu kommen. Sein „Polonia“ ist ein schönes Gedicht, in mehr als patriotischer, in lyrischer Begeisterung geschrieben. Schade nur, dass der alte grimmige Dichter es nicht unterlassen kann, Preußen zu Rede zu stellen. Nachdem das Unglück Polens und die unterliegende Freiheit mit wahrhaft tragischer Kraft besungen worden sind, so kommt nun pötzlich wieder Herr von Maltitz dazwischen und fragt das preußische Ministerium vor „ganz Europa“, (wie es in dem Gedichte heißt,) weshalb man ihn aus Berlin verwiesen habe? Ist das nicht zum Tollwerden? Berlin und was daran hängt: Weißbier, Stehely, Koliseum, die Hasenheide und nun, — Polen. Ja, Herr von Maltitz ist Einer jener Patrioten, die ihr Unglück zum Unglück der Welt machen und über das Unglück der Welt in aller Ruhe, obwohl mit vielem Feuer und Grimm, bei Marr raisonnieren können. Von Marr und Hamburg ist Herr von Maltitz nach Frankreich gewandert, hat Börne in Paris besucht und die Franzosen, weil er nicht französisch spricht und sich deshalb nie auf den Speisekarten zurecht finden konnte, songern ewig Saucen erhielt, bis er endlich ein für alle Mal Sauerkraut und Schweinefleisch aß, unleidlich gefunden. Er ist wieder nach Deutschland zurückgekehrt, hat sich darauf dem Grafen von Leiningen, dem Intendanten des Karlsruher Hof-Theaters, als Theatersekretär angeboten, und, da sich dieser vor ihm fürchtete, endlich nach Dresden begeben, wo er Deutschland und Frankreich im Stillen zürnt.
Professor Schütz, der Sohn des verstorbenen Hofrats Christian Gottfried Schütz in Halle, des Stifters der „allgemeinen Literatur-Zeitung“, der Gatte der Händel, lebte geraume Zeit in Hamburg von der Journalistik, von Wein und Brandtwein. Er ist mir merkwürdig als sogenanntes „verdorbenes Genie“ mit vieler wissenschaftlichen Bildung aus seinem früheren Universitäts-Lehramte, mit seltenem Witz und ungeheuerer Gemeinheit, die insonderheit den Schauspielern die Pistole auf die Brust setzte, mit den Worten: „la hourse, ou la vie“. Wenn ich ihn den Lämmermayer der Hamburger Journalistik nannte, so geschah das aus dem Grunde, weil die Schenke und die Literatur ihm so ziemlich Eins waren, ein Umstand, der Müllnern bewog, ihm eine Charade zur Erratung aufzugeben, die mit folgenden Worten schloss:
„Doch wenn der Geist ihm fehlet,
Kaum noch ein Reim auf Witz“
Die Gemütlichkeit hat Schütz nicht mit dem Voß'schen Original gemein. Wer ihm zahlte, dem lieh er seine Feder zu allem Möglichen, und nachdem es mit der Journalistik nicht mehr gehen wollte, vermietete er dem Herzoge von Braunschweig seine Dienste zur Habhaftwerdung eines Manuskripts, welches von Wit von Dörring geschrieben war und sich in den Händen des Buchhändlers Campe befand, der es verlegen wollte. Es handelte von dem Herzog Karl. Der berüchtigte Memorienschreiber hat den Vorgang dieser Sache in seinem „politischen Almanach“ erzählt. Schütz tritt hier unter dem Namen eines Professors Eulenboek auf, und wenn nur die Hälfte dessen wahr ist, was Dörring von ihm behauptet, so mag das Ganze als ein Beweis von dem schändlichen Unfug der Literatur, wie sie, vor Müllners Tod, schaltete, seinen Wert haben. Und Müllner favorisierte diesen Schütz, weil er ihn dann und wann gebrauchte. Seine „Teufelszeitung“, die übrigens nur ein kurzes Dasein lebte, wurde sofort in der „Mitternachtszeitung“, wegen einer Parodie des Schiller'schen Handschuhs, der Tiek Eins versetzte, empfohlen. Müllner erklärte, wie er in dem redigierenden Samiel den „genialen“ Professor Schütz ahne. Bald darauf mit Schütz entzweit gab er ihm obige Pille zu verschlucken. Ich führe das nur aus dem Grunde an, um darzutun, wie segenbringend für die Interessen der Literatur und die literarische Ehrlichkeit der Schlag-Fluss war, an welchem der Verfasser der „Schuld“ verschied.
Oft sah ich diesen Schütz, der nun in Halle von dem Briefwechsel seines ehrwürdigen verstorbenen Vaters lebt, den er mit aller ihm eigenen Indiskretion, mit aller seiner spekulativen Unverschämteit der Öffentlichkeit übergeben hat, bei Marr und in den Alster- und Elb-Pavillons. Blind an einem Auge, hinkend und Branntweingerötet saß er da, ebensoviel Gemeinheit, wie Witz in seiner Unterhaltung bietend und stets bereit, beide Vorzüge in der Journalistik aller Welt vorzuführen. Man werfe mir hier keine Persönlichkeit vor. Wie soll ich anders einen Literaten schildern, der sein bürgerliches Leben so ganz und gar zur Folie seines schriftstellerischen machte und wiederum sein schriftstellerisches Leben zur Folie jenes materiellen Treibens, das in Hamburg allentalben bekannt ist? Er hätte eine glänzende Stellung in der deutschen Literatur erlangen können, wenn er sich irgend auf literarische Rechtlichkeit verstanden hätte. Es ist mir kein Mensch vorgekommen, der, bei eminenten Geistesvorzügen, Tag und Nacht darauf hinarbeitete, sich moralisch todt zu machen. Es ist ihm auch gelungen; die Braunschweizer Geschichte hat ihm den Rest gegeben. Er musste Hamburg verlassen; und man könnte ihn billig in Halle, wo er jetzt lebt, der Vergessenheit übergeben wenn er nicht neuerdings durch die Veröffentlichung des erwähnten Briefwechsels, mit welchem er eine Biographie seines Vaters einleiten will, die Augen der literarischen Welt auf sich gezogen hätte. Heißt das den Stifter der „hallischen allgemeinen Literatur-Zeitung“ ehren, wenn man rücksichtslos das Brief-Geheimnis profanirt? Was erwächst den Lesern Vorteilhaftes aus jenem Briefwechsel? Dient er, so zerrissen und oft ohne literarisches Interesse, wie er ist, wenigstens im Drucke, zu einer Kritik über den Hofrat Schütz? Konnte es dieser nur im entferntesten wünschen, seine Redaktions-Geheimnisse zu einer Schriftsteller - Spekulation seines Sohnes her zu geben? Die kritischen Blätter unserer Zeit haben nur zu gelind über das schmähliche Verfahren des Professors Schütz geurteilt. Wo sie Börne mit Füßen traten, da haben sie für jenen nur eine glimpfliche Zurechtweisung. Ein Beweis, wie wenig man geneigt ist, den Übertreter des europäischen Gleichgewichts über den Übertreter der Humanität zu stellen.
Auch Wit von Dörring lebte zu meiner Zeit in Hamburg. Diesen talentvollen Schriftsteller hat seine Eitelkeit und Charakterlosigkeit in die schriftstellerische Berüchtigkeit gebracht, von der er sich noch nicht auf seinem mit der Frau erheirateten Gute in Schlesien erholen zu wollen scheint. Bereits ist von neuem etwas von ihm im Drucke erschienen, was vermutlich wieder auf ein Weißwaschen abzielt. Wenn er sich doch nur entschließen könnte, sein vergangenes Leben, sein Ich unter der Viehzucht und Ökonomie zu begraben und sich gänzlich abstrakten Wissenschaften, oder der Poesie zu widmen; er könnte es dann vielleicht noch zu etwas bringen. Nur die Eitelkeit, seine Person, als es mit der Politik nicht gehen wollte, in der Literatur unterzubringen, hat ihn, bei allem Mangel an Charakter-Festigkeit in jene Verlegenheiten gebracht, denen er sich nimmermehr entreißen wird. Eitel, geschwätzig, schadenfroh, ohne Seelenadel und im höchsten Grade indiskret, schloss er sich der Demagogie an und musste Schweres ihretwegen erdulden. Seine Sucht, zu glänzen brachte ihn aus einem Gefängniße in das andere. Er wurde durch Leiden bekehrt und warf sich nun der Regierung an den Hals, verratend, was er unter seiner früheren Umgebung erfahren hatte, entstellend, übertreibend und sich das Ansehen eines Mannes gebend, der wichtige Dinge wisse. Was ihm unter vier Augen von diesem, oder jenem mitgeteilt wurde, das hat er ehrlich aller Welt anvertraut. Am Ende hat er es solchergestalt, ohne gerade Böses zu wollen dahin gebracht, dass ihm keine Partei traut; das Ende aller Charakter-Schwächlinge. An Kassel versagte ihm die Regierung den Aufentalt und das Volk wollte ihn steinigen. So viel ist gewiss, dass Wit, ohne irgend dem Bestehenden drohend gegenüber zu treten, der gefährlichste Mensch im Staate ist. Er wird es nie unterlassen können, sich in die Öffentlichkeit zu drängen und was er hie und da in den Salons mit halben Ohren gehört, je nachdem es ihm seine Eitelkeit einbläßt, der Welt zu verkünden. Umgekehrt aber wird er eben so sehr bereit sein, was ihm alle Welt verkündet hat anderen Ortes unterzubringen. Er ist von Fleisch und Blut zum Zwischenträger bestimmt; wo er auftritt, da sucht er die Augen des Publikums auf sich zu richten, und da er ohne System, in den Tag hinein handelt, so kann es nicht fehlen, dass er ewige Zerwürfnisse herbeiführt. — In Hamburg war er nur bei einem Theater - Parteikampf beteiligt. Professor Zimmermann reizte seine Eitelkeit durch eine Antikritik, die hie und da einen ministeriellen Charakter blicken ließ. Auf der Stelle war Wit bei der Hand und rückte mit einer Broschüre gegen jenen Professor und die hamburgische Theater-Direktion zu Felde. Ein Mordspektakel entstand, da ein dänischer Major auf Wartegeld sich der Direktion und Zimmermannes annahm, bis denn am Ende Julius Schütz die ganze Komödie durch eben jene Parodie, deren ich oben erwähnte und die alle Dramaturgen jener Zeit persiflirte, beendigte.
Außer seinen eigenen Memoiren („Aus meinem Leben“) hat bekanntlich Wit die des Satans geschrieben, eine Fortsetzung des Hauffschen gleichnamigen Buchs, nur mit dem Unterschiede, dass der Satan bei Wit charakteristischer und ernster auftritt, aber auch platter und auf eine Halbphilosophie des gemeinen Lebens gestützt, die z. B. den Teufel behaupten lässt, dass der bloße Gedanke der bösen Tat schon das Verdammungsurteil nach sich ziehe. Dass wir mit den Gedanken vielfach sündigen, ist eine unleugbare Wahrheit. Aber diesen Vordersatz zu benutzen, um die Menschheit zum Abgrunde zu führen, ist mehr als Ironie, ist Unmoral. Indes diese laxe Philosophie charakterisiert Wit vollkommen. Ich möchte nicht behaupten, dass er nicht an sie glaube. Gedanke und Tat sind bei ihm stets Eins gewesen, aber selten da, wo es irgend einem edelen Werke galt. Wit von Dörring ist von der Spekulationsgier der Buchhändler benutzt worden. Seine Zeit ist jetzt vorüber. Von den meisten deutschen Staaten mit Recht ausgeschlossen mag er sein ferneres Leben getrost in Schlesien beschließen. Die Welt wird nichts an ihm verlieren. Ihm in einem Lande den Aufentalt gestatten, welches Börne verschlossen ist, wäre ein Verbrechen gegen die Sittlichkeit, gegen die deutsche Treue.
Zimmermann, Lehrer am Johanneum, ist gestorben. Er schrieb zu meiner Zeit viel über deutsche Bühne, aber mehr breit und gelehrt, als lebendig und praktisch, jedenfalls aber, unter Berücksichtigung der Hamburger Theaterdirektion. Voreilig im Lobe, wie bei Deinhardsteins „Hans Sachs“, war er mit dem Tadel zurückhaltend; über die Maßen gedehnt rücksichtlich der dargestellten Poesie, ließ er sich über die Darstellung selbst nur mit wenigen Worten aus. — Lewald ist ihm, als Dramaturg, bei geringeren Kenntnissen, dennoch vorzuziehen. Zu meiner Zeit war der Letztere, welcher sich jetzt mit so vielem Glücke als Schriftsteller bewegt, nur Inspizient der Hamburger Bühne, ein Umstand, der ihm von den kleinlichen Beurteilern seiner schriftstellerischen Erzeugnisse so häufig vorgeworfen wird. Als ob ein Theater-Inspizient nie zum Schriftsteller taugen könnte, weil Mancher unserer heutigen Schriftsteller umgekehrt nicht einmal zum Theater - Inspizienten tauglich ist. Er hielt sich in bescheidener Zurückgezogenheit und lebte seinem Berufe, hie und da mit einer Novelle auftretend, einmal mit einer dramatischen Dichtung: „Der Gärtner von Valencia“, zu der er sich nunmehr ungern als Verfasser bekennt. Seine Novelle „Der Familienschmuck“, die in den „Originalien“ ab - und sofort in den „Lesefrüchten“ nachgedruckt wurde, zog schon damals die Augen des Publikums auf ihn. Immerhin aber war es gut, dass Lewald seine Stellung in Hamburg aufgab, um sich im südlichen Deutschland gänzlich dem Schriftstellerfache zu widmen. Seine „Theater-Unterhaltungen“, die mit Sachkenntnis geschrieben wurden, sind ein wesentlicher Beitrag zur Geschichte der neuesten Bühne, ein trefflicher Leitfaden für den Schauspieler. Sein „Panorama“ Münchens ist mit eben so vieler Freimütigkeit, wie mit Einsicht geschrieben. Es leidet weder an der Oberflächlichkeit der heutigen Genre-Malerei, noch an gemachtem Geiste, oder pedantischer Kunst-Affektation. Es ist lebendig gehalten, objektiv und ruhig, Vorzüge, die Lewald zu einem vorzüglichen Schrifsteller in jenem Fache erheben. Freilich wird er immer mit jener Berliner Clique zu kämpfen haben, die es ihm bei ihrem Wasser und Brode nicht vergeben kann, dass ihm die Literatur mehr abwirft, als den dürftigen Lebens-Unterhalt. Der alte theaterdirektorialiche Pli hat Lewald nicht verlassen; eine gewisse Bedächtigkeit und vornehme Herablassung sind ihm im höchsten Grade eigen. Aber er führt uns das Alles in nobler Verklärung vor, ohne eigentlichen Koulissen-Zusatz. Lewald ist nicht unliebenswürdig; er sieht mit seinem schwarzen Schnurrbarte und seinem glänzenden dunkeln Auge, das unter der Mütze mit freundlicher Zuvorkommenheit und Weltkenntnis; eine Elle weit hervorschaut, wie ein polnischer Edelmann aus, und vor der jungen Literatur, der er, der ältere Schriftsteller, beigetreten ist, hat er das voraus, dass er sich trefflich mit Damen zu unterhalten weiß. Lewald ist Weltmann. Wenn man ihn erblickt, wird man eingestehen müssen, dass auch die Koulissenwell in einem diplomatischen Takt unterrichten kann. Wenn er einmal renommiert, so wird er stets mit dem Savoir faire renommieren, welches sich für das Salonleben eignet. Er hat jetzt die Redaktion einer Zeitschrift, „Europa“ in Stuttgart übernommen, die eine Übersicht über die Literatur unseres Weltteils enthalten wird.
Neben diesen literarischen Nota-, Unnotabilitäten und Kuriositäten muss ich noch des Sängers Cornet gedenken der sich gewöhnlich der Literatur anschloss und durch seinen Stiefelputzer der Redaktion des „Freischützen“ auf die Spur kam. Ein kleiner lebhafter Tyroler, mit dem revolutionärsten Temperament, welches zu fortwährenden Theater-Debatten Veranlassung gab und endlich die Madame Kraus - Wranitzky von der Hamburger Bühne trieb, war er der trefflichste Masaniello, den ich je gesehen habe. Will man erfahren, was ein dramatischer Sänger heißt, so muss man Cornet hören. Aber nur im Gesange ist er Darsteller und Charakteristiker. Öffnet er den Mund zum Sprechen, so hat Alles ein Ende. So meisterhaft deklamatorisch er seine Rezitative vorträgt, eben so schülerhaft spricht er den einfachsten Satz.