- Details
- Category: Kultur
- Published: 12 March 2011
Wahrlich! bei diesen großen Schauspielhäusern könnte man auch die Masken wieder einführen. Eingerichtet, wie im Altertum, würden sie dazu dienen, den Schauspieler hörbarer zu machen; was aber das Mienenspiel anbetrifft, so könnte man bei ihnen nur gewinnen, indem die beiden mimischen Grund-Elemente des Charakters auf den beiden Hälften der Maske in scharfen Zügen ausgeprägt sein würden, so dass sich nur der Schauspieler zu wenden hätte, um das Eine, oder das Andere dem Publikum zu zeigen. Man hätte dann doch wenigstens noch etwas Gemaltes. So hat man gar nichts; denn das Anlitz geht ja doch für den entfernt sitzenden Zuschauer verloren. Es liegt nur zu sehr am Tage, dass die großen Schauspielhäuser das Leben der Darstellung sehr beeinträchtigen, wenn nicht gar vernichten.
Der Lustspieldichter Karl Töpfer lebt in Hamburg, er, der Kotzebue und Iffland vermittelt hat und, ohne Beiden an Charakteristik und Porträtierung gleich zu kommen, bei weitem mehr Theaterwirkung aufzuweisen hat. Insonderheit sind ihm die Schauspielerinnen hoch verpflichtet, sie verdanken ihm: „Nehmt ein Exempel d'ran!“, den „besten Ton“, die „Einfalt auf dem Lande“, „ein Stündchen Incognito.“ Es gibt keinen Theaterdichter, der fremde dramatische Erzeugnisse so geschickt als die seinigen umzuarbeiten weiß, wie Töpfer. „Karl XII auf Rügen“ entnahm er dem Englischen des Planché, war aber doch so gefällig, sich auf das Original zu beziehen. „Die Gebrüder Foster“ aber führte er dem deutschen Publikum, als Original, vor, obwohl dieses Lustspiel weiter nichts, als eine Übersetzung aus dem Englischen jenes nämlichen Dichters war. Endlich hat er in der „Einfalt auf dem Lande“ nur eine Umgestaltung eines von Schröder nach dem Englischen gearbeiteten Lustspiels: „das Landmädchen“ geboten. Die letztere Quelle scheint der Kritik bis jetzt noch nicht bekannt zu sein. Töpfer ist der augenscheinlichste Beweis, wie gern man in Deutschland heut zu Tage auf die Poesie und eigentliche Charakteristik verzichtet, wenn der Schriftsteller nur das bietet, was Effekt macht.
Eine pikante Naivität in den Händen einer liebenswürdigen jungen Schauspielerin ist noch immer ein Magnet für die Menge. Übrigens hat Töpfer im Norden und wiederum in Wien immer mehr Glück mit seiner leichten bühnenkundigen Muse gemacht, als im eigentlichen Reiche. Zu keiner Zeit ist er in Frankfurt a. M. anerkannt worden, obwohl es sich nicht leugnen lässt, dass seine Naivitäten stets in der Lindner eine treffliche Repräsentantin fanden. Teilweise mag das wohl an dem mangelnden Sinn der Frankfurter für das feinere Lustspiel liegen; aber gewiss ist auch der Umstand mit daran Schuld, dass die Leute daselbst humanistische Bedürfnisse fühlen und auf der Bühne andere Dinge behandelt sehen wollen, als ein bisschen Liebesintrigue und Spaßhaftigkeit, die nicht dem Leben, sondern dem Theatereffekt ihre Entstehung verdanken. Die Reform der deutschen Bühne wird sich machen. Es kommt nur auf die Schriftsteller an, dass sie nicht zu engherzig sind und sich auf den Zeitgeist verstehen, der in der Rationalität in diesem Augenblick nicht blinde Vorliebe für die deutschen Eichenhaine und Hass gegen jede Extremität erblickt, sondern jene Liebe im umfassendsten Sinne des Worts, die überall den Menschen anerkennt, aber stolz darauf ist, ihm in dem Volke, welchem sie angehört, seine ursprünglichen Rechte zu sichern. Unter dieser Voraussetzung werden wir auch fremde National-Stoffe als die unsrigen betrachten, und uns an Kosciusko und Arnold von Winkelried, an die Julius-Revolution und die Helden Polens kräftigen und erheben. Ja wir werden noch weiter gehen. Wir werden die Natur über den Staat, das Menschenrecht über das historischestellen. Wir werden nicht die Nase rümpfen, wenn ein Dichter eine Jungfrau für unbefleckt erklärt, die hinter den Koulissen in die Wochen kommt, wenn sich neue soziale Zustände auf der Bühne entfalten, von denen das römische Recht so wenig weiß, wie das kanonische, die dem longobardischen Lehn-Rechte derogieren, wenn sie etwa für ein adeliges Blut keine legitime Geburt feststellen. — Töpfer übertrifft Clauren, bei allem seinem Haschen nach Naivität und Kartoffel-Unschuld, an Wahrheit, Kotzebue muss er den Preis der Satyre zugestehen; Raupach den des Wortwitzes; Iffland ist ihm an; Charakteristik und scharfer Porträtierung überlegen. Aber dem Ersten tut er es an Sittlichkeit zuvor; dem Zweiten an komischen Situationen, an Witz der Handlung; dem Dritten übertrifft er darin, dass er es mehr auf den Menschen, als den Hofrat und was mit ihm zusammenhängt absieht. An Bühnenkenntnis steht er Keinem von Allen nach; an Produktivität allen Dreien. Er kann nur Gerippe mit neuen Fetzen behängen; das Leben setzt er dem Theater nach; die Intensivität dem Worte. Bauernfeld übertrifft Töpfer an Geschliffenheit und Glätte des Dialogs. Was die Leichtigkeit der Handlung betrifft, den drastischen Effekt, so steht er ihm unter allen neuern Lustspieldichtern am nächsten.