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Anders ist es in Hamburg. Das Geschäftsleben schweigt; aber es tritt ein anderes, eben so geräuschvolles Leben an die Stelle des Handels. Hunderte von Wagen halten an den verschiedenen Toren, und ganz Hamburg strömt, nach dem Morgen-Gottesdienst hinaus nach Harvestehude, Hamm, Horn, Billwärder, Wandsbeck, Eimsbüttel, Rainville, Ottensen, den Vierlanden, Reinbeck, Friedrichsruhe, Wohldorf und Poppenbüttel. Der Wall ist mit Spaziergängern bedeckt; die Droschken haben vollauf zu tun; der Jungfernstieg bietet ein Gedränge von Feierkleidern. Eine Lustbarkeit sucht es der andern vorzutun: Feuerwerker, Aerostaten und Seiltänzer wetteifern, sich die Menge zuzuwenden. Das Treiben wächst von Stunde zu Stunde bis zur Mittagszeit, wo es in der Stadt seinen Gipfel erreicht. Was der Morgen nicht hinausgezogen hat ins Freie, das wendet sich, Nachmittags, der Umgebung zu. Hamburg wird jetzt stiller, wenig bewegter, bis zum Abend, wo Alles wiederum von den Landhäusern und den vielen Vergnügungs-Orten zurückkehrt. Jetzt öffnen Peter Ahrens, Dorgerloh, Mandels ihre Pforten, und mit ihnen erschließt sich jenes Bild, welches ich oben beschrieben habe, und welches Einen auf den Zenit tierischen Genusses geleitet. So ist denn Hamburg in unaufhörlicher Regsamkeit, ein stets bewegtes Meer, eine ewige Brandung der Menschheit, die sich an tausend Klippen bricht, um wieder in den großen Ozean des nie rastenden Verkehrs zurückzuströmen. Das öffentliche Leben hat keinen Ruhepunkt aufzuweisen; nicht einmal die Kirche bringt hier den Menschen zum Stehen. Es wird Alles unter steter Bewegung vollbracht. Man geht in die Kirche, und aus der Kirche sofort zu anderen Dingen über. Hamburg ist das Perpetuum mobile Deutschlands, ein ewiges chaotisches Gewirre von Menschen, Kaufleuten, Lastträgern, Maklern, Christen, Juden, Seiltänzern, Bestien, Phrynen, Matrosen, Gaunern, Fremden. Man sollte es nicht für möglich halten, dass diese stete Bewegung zu zügeln sei. Dass sie gezügelt wird, solches verdankt Hamburg der Weisheit seiner Regierung.

Seltsam sticht gegen den Vergnügungs - Verkehr in jenen Stadtteilen, die ich oben bezeichnet habe, die Ruhe im Hafen ab, der sonst ganz Hamburg übertönt. Die Schiffe liegen in ihrem Feierkleid, mit aufgezogener Flagge dicht neben einander gereihet, ruhig und harmlos. Kein Geräusch der Segel, kein Aus - und Einladen von Waren; keine Schifffart, kein Matrosengeschrei, keine Ruderschläge stören diese Stille. Hie und da durchschneidet ein leichtes Boot, oder eine Jolle in taktmäßiger Bewegung die Flut. Sie will den Kapitain an's Land tragen, dem die Einförmigkeit des Hafens nicht behagt. Wahrlich! nur die Schiffe scheinen an einem Sonntage in Hamburg andächtig Gott zu feiern; die Menschen kommen vor lauter Beweglichkeit und Genuss selten zu mehr, als zum Besuch der Kirche.

Ich habe oben den Charakter der Kirche in Hamburg bezeichnet. Was ich davon sagte bezog sich nur auf sie, als Ausfluss des Staats, nur auf die Geistlichkeit. Dem wirklichen Leben mag man im Ganzen mehr Indifferentismus, als Religiosität nachrühmen; und was für die Kirche in so reichem Maße getan wird, das geht teilweise vom Staat aus, teilweise von dem Familienleben, das übrigens vom Volke geschieden ist. Hamburg selbst, die große Menge, empfindet eben kein religiöses Bedürfnis, das ja überhaupt mehr Moral voraussetzen würde, als man hier im öffentlichen Leben antrifft.