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Eckmühl rückte heran und nötigte die Dänen, sich über die Eider zurückzuziehen. Aber auch die Deutschen, Russen und Schweden näherten sich! Die Dänen schlossen sich in Rendsburg ein, ihre Mittel waren erschöpft und ihr Freund Napoleon vermochte ihnen nicht zu helfen. Da blieb ihnen nichts übrig, als einen Waffenstillstand und Frieden zu schließen. Sie mussten Norwegen verlieren und 10.000 Mann gegen Napoleon stellen. Dieser Abschluss verursachte nicht geringe Freude, man wusste Dänemarks unglückliche Lage zu würdigen, den Vertrag mit Napoleon, der ohne Englands selbstsüchtige Politik nie möglich gewesen wäre.

In dieser Umwandlung der Dinge wurde dem General Bennigsen die Bekämpfung der Franzosen in Hamburg jetzt allein überlassen. Dieser aber war dem Davoust nicht an Truppenzahl gewachsen, er konnte sich nicht entwickeln, ohne sich zugleich wieder Blößen zu geben. Die kleinen Vorposten-Gefechte zwischen Belagerer und Belagerten führten zu nichts. Das Einzige war, dass die Franzosen immer mehr auf die Stadt eingeschränkt wurden. Ein Ausfall auf Eppendorf, worin die Russen sich festgesetzt hatten, wurde glücklich zurückgeschlagen. Viele Häuser in Harvestehude gingen bei dieser Gelegenheit in Feuer auf.

Die Teuerung hatte in jenen Tagen ihren höchsten Grad wohl erreicht; ein Pfund Weizenmehl kostete 13 ß; ein Spint Kartoffeln 2 Thaler 8 ß; ein Ei 3 ß; Milch war gar nicht zu haben, Vornehme halfen sich mit Mandelmilch aus den Apotheken, so lange diese Vorrat hatten. Rindfleisch war ebenso selten geworden, hatte man ein Pfund aufgetrieben, so musste es wenigstens mit 2 Thaler bezahlt werden, und jenes Pfund war gewiss auf die seltsamste Weise eingeschmuggelt worden.

Endlich schreckte Sturmgeleute und Kanonendonner, am Morgen des 9. Februar, 4 Uhr früh, Alles aus dem dumpfen Schlafet Der Generalmarsch wurde geschlagen und die ganze französische Besatzung geriet in die größte Bewegung. Davoust zog hinaus unter anhaltendem Feuer, nur Patrouillen mussten auf Charlots Befehl die öden und verwüsteten Gassen durchstreifen. Gegen 4 Uhr Nachmittags vernahm man noch einzelne Signalschüsse von den Wällen, dann verstummte der Donner. Dagegen fuhren jetzt fortwährend Wagen mit Verwundeten in die Stadt ein, die Franzosen waren gut zusammengeschossen worden. Dass Hamburgs Bürger in diesen Augenblicken ruhig blieben, dafür hatte Charlot gesorgt, welche auch einen Teil der Kanonen gegen sie richten ließ. Außerdem wurde unter Breteuil in aller Eile eine sogenannte Nationalgarde errichtet, deren einziges Abzeichen eine weiße Binde um den rechten Arm war. Vorpostengefechte fielen noch täglich vor und auch an Solchen fehlte es nicht, die den Franzosen mit deutscher Zunge als Spione dienten, ihnen jeden kleinen Vorteil, jede Lücke sich zu Nutzen machen zu helfen. Der größte Schade, welcher den Franzosen in diesen Tagen zugefügt wurde, war aber wohl die Zerstörung der Harburger Brücke, wodurch ihnen eine schnelle Flucht wenigstens unmöglich gemacht war.

In den Lazaretten herrschte die größte Verwirrung, die Ärzte wollten nicht mehr hineingehen und mussten gezwungen werden. In den Kasernen verbargen die halb oder noch ganz Gesunden sogar die vorkommenden Leichen, um nicht bekannt werden zu lassen, dass eine ansteckende Seuche unter ihnen herrsche. Und während die Ärzte nun in den Lazaretten festgehalten wurden, mussten die ihrer bedürfenden Familien vergeblich nach Hilfe rufen. Welch' eine Kälte überdies Alles aufgerieben und darnieder geworfen hatte, gehört fast noch zum Sprichwort, wenn man von dem Winter der Belagerung redet. Davoust tat noch verschiedene Ausfälle, jedes mal unglücklich, und dennoch gab er Bälle in den Zwischenpausen und erdreistete sich, die Damen von Hamburg dazu einladen zu lassen. Es war dies ein Experiment, um die Menge glauben zu machen, dass er nichts von den sich häufenden Siegen der Verbündeten halte, und die französische Sache noch immer gut stehe. Ja, in einer Anwandlung von Laune erzählte er mit heiterer Stirne, Napoleon habe sich mit dem Kaiser von Österreich wieder versöhnt, und der König von Preußen wie der Kaiser von Russland wären zu Kriegsgefangenen gemacht worden! Davoust war also nicht bloß Attila, sondern auch Münchhausen in den besten Exemplaren.

Am 16. April hielten Bennigsen und Loison eine Zusammenkunft zu Altona und meldeten dem Prinzen von Eckmühl, dass Napoleon entsagt habe. Allein jener meinte, die Welt sei jetzt so voller Widersprüche, dass man an eine solche Begebenheit am allerwenigsten glauben dürfe!

Doch Davoust musste sich endlich von der Veränderung in der Regierung Frankreichs überzeugen, denn am 27. April 1814, Nachmittags 12 Uhr, wehte vom Turme der großen Michaeliskirche die weiße bourbonische Fahne herab, flatterte in der Frühlingsluft wie eine schimmernde Taube, welche das Ölblatt des Friedens brachte! Obwohl alsbald wieder die niederschlagende Nachricht einlief, dass Hamburg, Harburg mit den dazu gehörigen Distrikten für Ludwig XVIII. behauptet werden sollten. — Auch diese Angst ging vorüber! Am 4. März erschien eine Bekanntmachung auf Befehl des Prinzen von Eckmühl, dass Hamburgs Handel, mit Vorbehalt der Octroi, ganz wieder frei gegeben sei; eine andere meldete, dass am 5. Mai zwischen Hamburg und Altona, auf dem Hamburger Berge ein Markt gehalten werden sollte, wo Jeder sich mit Lebensmitteln versorgen könne; wieder andere, welche den noch beschäftigten Schanzarbeitern ihre Freiheit gab, welche die öffentlichen Gebäude säubern und sie ihrer frühern Bestimmung zurückgeben hießen. In Hinsicht der Bank erklärte der Graf Gerard dem Bankdirektor Pehmöller, „die Bürger möchten sich beruhigen, es würde Alles zurückerstattet werden.“ Es wurden sogleich 4.826 Thaler 2 ß eingeliefert, um damit den Beamten und Officianten der Bank ihr rückständiges Gehalt auszubezahlen. — Die Verbündeten hatten durch einen Separatartikel der Übereinkunft am 23. April ebenfalls Schutz und Sicherung versprochen, und im Friedenstraktat vom 30. Mai wurde abermals der Hamburger Bank gedacht; das französische Gouvernement verpflichtete sich darnach, alle Kräfte aufzubieten, den Bankschatz zu ersehen, und die Hehler des Raubes zu verfolgen. Allein später erklärte das französische Ministerium, dass die Wegnahme geschehen sei, um die auferlegte Kontribution von 48 Millionen zu decken, und der Ertrag zum Besten der Armen, zum Besten Frankreichs verwandt worden sei! Die Wegnahme der Bank sei als ein unglückliches Ereignis einer unruhigen Zeit zu betrachten und — zu tragen! — Wie eine solche Auslegung möglich war, von einer Regierung, welche die ganze Napoleon'sche- Dynastie für ein Unding erklärte, das muss freilich Erstaunen und erstarrende Bewunderung erregen. Die Hamburger Bürger ließen jedoch nicht ab, ihre Ansprüche mit Nachdruck zu verfolgen, nur war der Erfolg, aller Anstrengung ungeachtet, ein ungenügender.