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Zu der Entmutigung, welche sich in der Stadt verbreitete, trug aber noch der Umstand viel bei, dass die Bürgergarde immer weniger wurde. Die Menschen waren an das Kriegs- und Soldatenleben nicht gewöhnt, die heftigen Anstrengungen, die unaufhörlichen Bivouaks und die vorauszusehende Unmöglichkeit, den immer mehr herandrängenden Feind gehörig abhalten zu können, besonders da auch die dänischen Truppen nicht lange mehr Hilfe leisten sollten und sonst keine Verstärkung nachkam, druckten Körper und Seele gleichzeitig darnieder. Da, am 19. Mai, hatten die Franzosen den Vierundzwanzig-Pfünder, erobert, welcher vor der Sägemühle stand, und fingen nun an, die Stadt damit zu beschießen. Jetzt wurden Sorge und Not doppelt, denn man hatte noch nicht daran denken können, das Teermagazin zu schützen, um dadurch eine schreckliche Brunst unmöglich zu machen. Und, um das Maß zu füllen, sollte man noch wahrnehmen, dass Tettenborn abziehen wollte, nachdem die Heere der Verbündeten sich bereits hatten zurückziehen müssen. Die russischen Transportwagen wurden in Bereitschaft gehalten, und die Kosaken bivouakirten bereits beim letzten Heller.

Am 18. Mai erhielten die dänischen Truppen die bestimmte Weisung, das Hamburgische Gebiet zu verlassen, wodurch die Stadt so gut wie jedes Schutzes beraubt wurde. Von Tettenborn verlangte sogleich neuen schwedischen Schutz, und der Oberst von Heß vertröstete die Bürgergarde damit, dass ein schwedisches Corps bald eintreffen würde, dass sie daher den Mut nicht sinken lassen mochte.

Die Dänen zogen Abends 10 Uhr ab, und schon drei und eine halbe Stunde später, also 1 ½  Uhr warfen die Franzosen die erste Granate auf die Stadt, welche beim Bauhofe fiel. Indessen kamen am andern Tage schwedische Truppen an, doch folgte auch zugleich wieder der Befehl, dass sie sich aus Rücksicht gegen Dänemark jeder Aktivität in Hamburg enthalten sollten.

Die Franzosen hörten nicht auf, die Stadt in Zwischenräumen zu beschießen. Gegen ein feindliches Eindringen waren bei den Toren die nötigen Maßregeln getroffen. Beim Altonaer Tore war Alles mit Teer und Stroh versehen, um den Eingang sogleich durch Feuer versperren zu können. Die Zugbrücke beim Dammtore sollte niedergehauen werden, die nötigen Zimmerleute standen in Bereitschaft.

Zu derselben Zeit pflog von Heß Rat, ob die noch übrige Bürgergarde aufgelöst werden oder fortbestehen sollte. Zu Ersterem wollte Keiner die Verantwortung übernehmen. Allgemein aber war bereits der Zweifel an der Treue Tettenborns, dass er nicht Stand halten, sondern, wie schon angedeutet, sich wegbegeben würde, so bald die Stellung der Feinde dies erlaube.

Der Morgen des 29. Mai brach unter heftigem Kanonendonner an. Als es völlig Tag wurde, vernahm man schon die Unglücksbotschaft, dass die Hanseaten von Moorwärder, Ochsenwärder und Wilhelmsburg vertrieben worden wären. Da brach Tettenborn sein gegebenes Männerwort und verlegte sein Hauptquartier, nach der Billwärder Kirche. Auch von Heß befand sich schon außerhalb der Stadt auf dem Hühnerposten und erließ von da aus einen Tagesbefehl, worin er den traurigen Hergang darstellte, der Stadt Hamburg sagte, dass sie auf sich selbst zurückgewiesen sei, und erklärte, dass er bei dem schwachen Schimmer des Erfolges, so viele teure Bürgerleben und Familienväter nicht hinopfern dürfe.

Der Tagesbefehl war seinem Inhalte nach ebenso merkwürdig als niederschlagend. Der Senator Bartels bestand daher hartnäckig darauf, dass er nicht veröffentlicht werden dürfe, um nicht einen Aufstand bei der höchsten Niedergeschlagenheit hervorzubringen. Die Stadt glich nun einem abgetakelten Schiff auf stürmischem Meere, die erste Welle drohte sie zu verschlingen. Es erging der Befehl, alle Gewehre auf dem Bauhofe abzuliefern. Einige taten dies mit dumpfer Zerknirschung; Andere zerschlugen die ihrigen an dm Steinen oder warfen sie zornig in die Fleete. Als die Verwirrung am größten, die Gemüter am aufgeregtesten und verzweifeltsten waren, da trat der edle Mettlerkamp hervor und gab ein Beispiel trefflicher Bürgertugend. Er rief diejenigen auf, welche noch Kraft und Muth hatten, ihm zu folgen, und zog mit seiner kleinen aber von Kriegeslust und Tapferkeit erfüllten Schar den übrigen deutschen Waffenbrüdern entgegen, während Andere schon so glücklich gewesen waren, ihren teuren Leib in Sicherheit zu bringen.