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- Category: Geschichte
- Published: 25 February 2011
Die Bürgergarde belief sich im April bereits auf eine Zahl von ungefähr 6.000, doch nur der vierte Teil hatte gehörig mit Waffen versehen werden können. Die Uniformen waren höchst mangelhaft, und hatten daher gar oft ein sehr buntscheckiges Ansehen. Mit einer solchen Macht war es unmöglich, die Stadt zu verteidigen. Um so größeren Schreck verursachte deshalb die plötzliche Nachricht, dass Davoust mit großen Truppenmassen heranziehe. Nun, vom 7. April an, mussten Alle, die irgend Hände und Füße rühren konnten, bei der neuen und stärkeren Befestigung der Stadt arbeiten. Wirklich ging die mühsame Arbeit aber auch so rasch, dass am 18. April schon Alles vollendet war. Man hatte geschanzt, getragen, mit den Karren geschoben, im Schweiße seines Angesichts, ohne Ansehen der Person. Desgleichen wurde die nächste Umgegend mit den möglichen Befestigungen versehen, Batterien wurden errichtet, Haubitzen aufgefahren und selbst die Wilhelmsburg zur Abwehr mit Kanonen versehen. Allein alle diese Rüstungen konnten nicht genügen, so lange Dänemark noch in Spannung mit England lebte.
Napoleon zog seine Heere immer dichter zusammen, man hätte sagen mögen, der Horizont verfinstere sich durch die streitbaren Massen, welche an allen Seiten und Enden zusammenstießen. Namentlich auch war Vandamme wieder mit Davoust vereinigt worden.
Auf der Wilhelmsburg stand das erste Bataillon der Hanseaten mit den hannoverschen Jägern. Am 9. Mai, Morgens 6 Uhr, wurden die Bürger durch die Lärmtrommel gegen den herannahenden Feind unter die Waffen gerufen. Der Feind sollte auf Flößen bei der Wilhelmsburg gelandet sein. Der Major Godeffroy eilte mit 400 Mann nach dem Eichbaum und Rothenburgsort; 200 Mann wurden nach der roten und blauen Brücke geführt, dann auch der Deich, Grasbrook und Hamburgerberg besetzt. 1.200 Mann blieben zur Reserve auf dem Walle beim Bauhof. Dänen, Mecklenburger, Lauenburgische Jäger rückten überall den einzelnen Abteilungen zu Hilfe. Das aber, was ausgerichtet wurde, war bei allem Mut, bei aller Tapferkeit nur gering, weil jeder Offizier nach seiner eigenen möglichst besten Ansicht und Einsicht handelte, ein geregelter Plan, eine klare Sonderung und Benutzung des Terrains durch den leitenden, kundigen Blick eines einzigen ihnen wie ihren Truppenabteilungen aber völlig abging. Endlich fehlte es auch am guten Willen, sich gegenseitig zu fügen und nachzugeben. Die geordnete Taktik der Franzosen richtete daher auf der Veddel eine vollkommene Niederlage an. Viele von den Fliehenden fanden noch in den Wellen ihren Tod. Glücklicher waren die auf der Wilhelmsburg, welche ihre Tapferkeit bis zur Tollkühnheit überboten. — Das Hamburg vom April schien in eine ganz andere Zeit hinzugehören, unter einem ganz andern, heißeren Klima zu liegen. Was ja in der Geschichte von der verzweiflungsvollsten Verteidigung einzelner Städte, von einer Kühnheit, die an Wahnsinn grenzte, von Karthago, Rom, Saragossa erzählt worden ist, das hat sich damals in Hamburg im reichlichen Maße wiederholt. Während die Sturmglocken unaufhörlich läuteten und die Lärmtrommeln wirbelten, schleppte und drängte das unbewaffnete Volk diejenigen fort, welche so glücklich waren, ein Schießgewehr zu erlangen, Weiber trieben die Greise und Knaben nach dem Bauhofe, um für ihre Ehre und Freiheit zu kämpfen. Es gab Mütter, welche den spartanischen Weibern glichen, welche ihre blutjungen Söhne beschworen, keine Gefahr zu scheuen, wenn sie auch keine Waffe besaßen oder führen konnten, so doch wenigstens den Andern bei ihrer sauren Arbeit behilflich und dienlich zu sein. Die ganze Gegend bot das Bild des Schreckens und der Verzweiflung dar; wer gefallen oder verwundet war, fand, wes Standes er auch sein mochte, von jeder nächsten, seiner schon harrenden weiblichen Hand die zärtlichste Pflege, Tröstung und Beruhigung zur Linderung seiner Schmerzen. Da saßen die kleinsten Mädchen und pflückten Charpie, aus dem feinsten Leinen, die Wunden zu verbinden, und manche Träne fiel auf die Binden und Leinen, welche das für Hamburg vergossene Blut stillen sollten!
Andere aber auch, welche dieser Regung und Empfindung, dieser Begeisterung nicht fähig waren, fingen schon an, nach Altona auszuwandern, weil sie, bei dem allgemeinen Getöse, das Luft und Straßen erfüllte, den Feind mit seiner blutigen Rache und züchtigenden Vergeltung nahe vor den Toren wähnten. Nach den zahllosen Erfahrungen des Leids und Kummers sahen sie in ihrer aufgeregten Phantasie die blitzenden Bajonette schon vor sich, den gezückten und mit Wut geschwungenen Säbel schon über sich. Sie nahmen ihre letzten Habseligkeiten in besinnungsloser Verwirrung und verließen mit unendlicher Angst, Beklommenheit und Wehmut einen Boden, der ihnen auch nach so vielen Tagen des Kummers noch lieb und wert war. So sah man nunmehr eine doppelte Bewegung in der verwilderten Stadt, eine nach dem östlichen Tore, zum Kampfe, eine nach dem westlichen, zur Flucht. Wehklagen und Hilferufen, Entschlossenheit und Mutlosigkeit, Weinen und Anfeuern durchtönten gleichzeitig die Luft!