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- Category: Vermischtes
- Published: 08 April 2011
Rom wurde die Königin der Welt; aber bald nahm Üppigkeit, Verschwendung und Schwelgerei in ihren Mauern überhand. Man erbaute die prächtigsten Speisesäle; die Speisesäle waren mir unzähligen Tischen angefüllt. Der ernsthafte Weltweise Seneca hatte 500 Tische, auf welchen er der Reihe nach speiste. Einige der berühmtesten Züngler besaßen mehrere Speisesäle. Für jeden Saal war der Preis der Mahlzeit bestimmt. Wenn Lucullus in seinem Apollos-Saale aß, so musste das Mahl 6.000 Rthlr. kosten. Cäsar gab nach seinen Triumphen ein Gastmahl, bei welchem man an 22.000 Tischen speiste.
*) Der dort gewesene Teil der Gesellschaft ist nun, aber ohne Elise Bürger und die Ernstischen Eheleute (die nach Hannover abgereist sein sollen) wieder nach Glückstadt gegangen. Die Direktion ist da unter 5 Mitglieder, als: die Herren Bröckelmann, Frodini etc. verteilt.
Die Söhne des Quintus Arrius besetzten ihren Tisch gewöhnlich mit einer Schüssel Nachtigallen, deren Wert auf 3.000 Rthlr. geschätzt wurde. Asinius Celer kaufte einen einzigen Fisch für 240 Rthlr.
Der Kaiser Heliogabalus aß Pasteten von lauter Hahnenkämmen, Pfauenzungen, Nachtigallen, Rebhühnern, Papageien, Phasanenköpfen etc.; seine Hunde futterte er mit Fasanen.
Zum Trinken wurden die Gäste gezwungen. Der Philosoph Empedokles beschwert sich, dass man ihm den Wein, den er nach den Trinkgesetzen hätte trinken sollen, und nicht trinken konnte, über den Kopf hat gießen wollen.
So schwelgten sich die Römer von ihrer Höhe herab. Anfänglich hatten sie berühmte Männer, Fabricier, Curier, Quinctier, Catos und Scipionen; aber alle diese große Männer lebten wie der Schweizer Kleinjogg und sein Bruder. Anfangs war das Vaterland ihre höchste Gottheit; nachher eine Pastete.
Im 30sten Artikel des hamburgischen Hauptrecesses steht: „Als hat man von Seiten der hohen kaiserlichen Commission solches unter sich selbst zu bewerkstelligen, den allzu großen zum öffentlichen Ärgernis der Auswärtigen und unvermeidlichen Verderb der Einheimischen gereichenden Übermut, Stolz und Kleiderpracht, wie auch allen andern Luxum in verschwenderischen Banqueten, Schmausereien und dergleichen exzessiven Unwesen ernstlich zu coerciren und abzustellen, mithin die göttlichen Gerichte, und Strafen dadurch von der Stadt abzuwenden, E. E. Nach und Collegio der ehrbaren Sechziger anbefohlen und überlassen.“ Diesem Fundamentalartikel ist man nie nachgekommen, vermutlich, weil man die göttlichen Gerichte und Strafen nicht mehr fürchtet. Allein die menschlichen Gerichte und Strafen sind nicht immer ausgeblieben. Übertriebener Prachtaufwand und eitle Ostentation republikanischer Bürger haben dem Staate manche Million gekostet.
Wahr ist es, Prachtaufwand, Luxus, Schwelgerei, lassen sich in einem wahrhaft freien Staate nicht durch Gesetze und Verordnungen unterdrücken. Der freie Bürger sieht in Rücksicht der Anwendung seines Vermögens nicht unter den Zivilgesetzen. Allein er sieht dennoch unter einem weit höhern Gesetz, dem man nicht ungestraft ungehorsam sein darf, unter dem Gesetz der Vernunft und der Sittlichkeit und der öffentlichen Meinung. Wer aber die Meinung der Frisöre, Köche, Putzhändler, Putzmacherinnen (Flegenmakersch), Huren, Schmarotzer etc. für die öffentliche Meinung hält, der glaubt, echten Mallaga zu genießen, wenn er die Sudeleien der Weinkrämer trinkt.
Alexander trank Wasser aus der holen Hand; ein reicher Kaufmann hat dies nicht nötig. Aber er ist ein Verschwender, wenn er aus London Weingläser kommen lässt, wovon das Stück eine Krone kostet.
Pabst Hadrian VI. aß nichts als Stockfisch. Es ist nicht zu verlangen, dass ein hamburgischer Pastor dies ihm nachtun soll. Er mag wohl Hummer essen; aber er muss nicht so lecker sein, sie mit süßem Rahm füttern zu lassen.
Wenn du für einen großen Kaufmann angesehen sein willst, so mache alle Lustfahrten (auch eine Korn und von Hostrupsche Schlittenfahrt) mit, wohne allen Picknicks bei; halte ein Spielkollegium; spiele hoch; lass dein Silbergeschirr umarbeiten, lass deinem Hause eine andre Antlizseite geben, so oft sich die Mode verändert; gib große Tafel zu Mittage und öftere Suppees; traktiere lukullisch gib den Priestern reichlich zum Neujahr und halte dir einen Leibarzt! Von diesen allen wussten zwar die Großväter nichts; aber was waren denn diese auch für Leute? Menschen ohne Geschmack, ohne Genie, ohne Lebensart, ohne guten Ton, ohne Huren und Freundinnen, und wussten von weiter nichts als vom Verdienen und nach getaner Arbeit gut zu ruhen.
Wenn ein Kaufmann zu seinem Ratsherrn-Schmause Kirschen und Ananas durch einen Fußboten aus dem königlichen Treibhause zu Sanssouci holen lässt (jetzt kann man Alles dieses in Hamburg haben, und das ist in der Tat weit vorteilhafter) und das Tafelzeug auf seiner Tochter Hochzeit tausend Mark (was wollen bisweilen tausend Mark sagen!) kosten, so ist das eine wie das andre eine Verschwendung, die jedem rechtlichen Bürger nicht zur Ehre gereicht.
Der Mensch muss nach einem gemischten Prinzip, nach dem Prinzip der Vollkommenheit und der Glückseligkeit handeln, d. h. der Mensch ist nicht ganz Geist und Körper. Wenn man dem Körper zu viel und dem Geiste zu wenig Nahrung gibt, so handelt man gegen die ewigen und unwandelbaren Gesetze der Natur. Wenn alle sinnlichen Triebe befriedigt werden, so bleibt der geistige Trieb unbefriedigt, und rächt sich mit der ödesten, schrecklichsten und fürchterlichsten Langenweile.
Verfeinerung, Kultur und Luxus haben ihre Grenzen. Jeder Stand (der Reiche, der Mittelmann und der Arme) hat eine gewisse Stufe der Verfeinerung. Wird diese Stufe überschritten, so nähert sich der Staat seiner Auflösung.
Ein jeder Staat hat seine Bedürfnisse. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse kann er nur durch solche Bürger erreichen, welchen nach Befriedigung ihrer eignen Bedürfnisse noch Vermögen zu öffentlichen (und zwar reichlichen) Beitragen übrig bleibt. Was bleibt dem Schwelger übrig?
„Ich bezahle Alles, was ich verzehre und verschwende,“ sagt der Verschwender und der Egoist. „Wer hat mir also einzureden?“ Ich, mein Herr Schlemmer! der ich deiner Schlemmerei wegen alle Bedürfnisse und Notwendigkeiten des Lebens noch einmal so teuer bezahlen muss, als wenn du nicht schwelgtest. Wie das möglich wäre? das lerne einsehen, und du schwelgst sicher nicht mehr.
Schwelger sind Verschwender, und Verschwender kaufen die Lebensmittel teurer und im Übermaße. Der Wert der Dinge steigt; ob er aber mit der Maße des zirkulierenden Geldes immer im richtigen Verhältnisse steht? das überlasse ich Andern zu entscheiden. Gute, redliche Hauswirte empfinden das Übel am härtesten, und die Menschen verbittern sich durch das Missverhältnis des Geldes und der Realien einander selbst das Leben.
Es wäre nicht gut, wenn die Menschen noch in Wäldern lebten, noch Eicheln, Wurzeln und Beeren äßen; aber, es ist eben so schädlich und naturgesetzwidrig, dass sie Alles verschlingen wollen. Kultur, Aufklärung, Bildung, Humanität, oder wie man das Ding nur immer nennen will, soll Anwendung aller unsrer Kräfte, aber bloß zu unsrer eignen und unsrer Mitbürger Glückseligkeit und Veredelung sein. Und, wie kann der Mensch, zu der Glückseligkeit Andrer beitragen, der seinen Gaumen gewohnt hat, unaufhörlich, — nicht allein niederzuschlucken, sondern auch die kostbaren und teuersten Leckerbissen niederzuschlucken.
Schwelger! wenn ihr nüchtern werdet, und eure Verdauungswerkzeuge durch Klistiere oder Tartarus Emerikus wieder in Ordnung gebracht habt, dann erzählt mir den Einfluss der Küchen und Keller auf eure Moralität. Ich will euer Bekenntnis in Marmor hauen und zur schrecklichen Warnung für die Nachwelt aufstellen lassen. Ich bin in der medizinischen Kochkunst zu wenig bewandert, als dass ich die Verdaulichkeit oder Unverdaulichkeit der Speisen auseinander setzen könnte. Der selige * * würde es vielleicht weit besser verstanden haben. Von ihm habe ich folgendes charakteristische Epigram gelesen:
Todesanzeige.
Der B**** W***!
Es ist nicht schwer,
Woran er starb, zu raten.
An Wildpastei, an Austern oder Braten.
In seiner Bibliothek sollen die besten Kochbücher sich befunden haben. Nicht so gelehrt, wie die Züngler, weiß ich, dass man sich ohne Nachteil der Gesundheit und des Beutels etwas zu gute tun kann, wenn man auch nur gemeine Speisen (Hausmannskost) isst, und Wasser oder ein gahres und gesundes Bier trinkt. Einzig und allein der frugale Mann ist ein glücklicher Mann.
Es gibt gewisse Feste, an welchen sich der Pöbel von Sinnen trinkt; aber es gibt auch geringer und vornehmer Pöbel, der gar keiner feierlichen Gelegenheit bedarf. Diese Menschen vertrinken bürgerliche Ehre, Vaterfreuden, Ruhe und Zufriedenheit, und ihren ganzen Anteil an der Menschheit.
Die Thlaskalaner gestatteten nur Greisen, die durch Kriegesarbeiten entkräftet waren, starke Getränke. Einem Mexikaner, welcher sich besoffen hatte, wurde der Bart öffentlich abgeschoren. (Der höchste Schimpft den man ihm antun konnte.). Man zog ihm seine Güter ein, beraubte ihn seiner Würden, und riss ihm sein Haus nieder. Mit welcher Rührung habe ich nicht neulich die dringenden Bitten der kanadischen Wilden an den amerikanischen Kongress gelesen, den Brandweinshandel in ihren Ländereien zu verbieten, weil dies unselige Getränk die Menschen unsinnig mache. Wir Deutschen nennen diese Völker Wilde, und ein Engländer nennt Deutschland das Land der Trunkenbolde. Möchte der Engländer doch Lügen gestraft werden können!
Wenn Menschenfreunde über den unmäßigen Gebrauch des Kaffees, des Weins, Brandweins etc., über den aufs höchste gestiegenen Luxus in Kleidern, Möbeln, Essen und Trinken klagen: so schreit man ihnen allenthalben entgegen: Freiheit ist die Seele der Welt. Sollen die Giftmischer (privilegiert oder nicht privilegiert) sich auch auf diese Freiheit berufen?
O Geselligkeit! du Tochter der göttlichen Menschenliebe! man entheiliget dich, wenn man deinen Namen mit der Schwelgerei paart.
Man kann dreist behaupten, dass freundschaftliche Zusammenkünfte in eben dem Maße abnehmen, in welchem die Kostbarkeit der Mahlzeiten zunimmt; dass wahre Geselligkeit sich immer mehr verliert, je mehr man ängstlich besorgt ist, sie zu verbreiten. Alle Klubs, Picknicks, Gesellschaftshäuser, Harmonien etc., sind nicht im Stande, die Freude in sich zu zaubern, welche in Familien-Zirkeln von gebildeten Menschen einheimisch ist.
Seid gesellig, Menschen! esst euren Bissen mit einander! aber seid keine Schwelger! Nicht der Gebrauch, der Missbrauch erniedrigt den Menschen!
Theophilanthropos.