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Die öffentlichen Vergnügungen werden mit Eifer aufgesucht, und das wirklich schöne Theater ist, trotz seiner Größe, bei beliebten Darstellungen fast überfüllt. Was das literarische Leben und Treiben anbelangt, so ist es so ziemlich beim Alten damit geblieben, das will sagen, unsere Buchhändler, die sich fast ausschließlich auf den Sortimentshandel beschränken, der ihnen in der Tat hier ganz besondere Vorteile gewährt, verkaufen viele Bücher und verlegen sehr wenige, mit Ausnahme der Campeschen Buchhandlung, die seit einiger Zeit sich tüchtig zu regen scheint, und mehrere, mit großem Beifall von der Lesewelt aufgenommene Werke herausgegeben hat, worunter H. Heines Schriften wohl obenan stehen dürften.

Von den hier herauskommenden Zeitschriften, Hamburg allein zählt derselben einige Zwanzig, sind mehrere eingegangen, wogegen neue entstanden sind; aber seltsam genug haben, mit Ausnahme, der „Hammonia,“ der „neuen Pariser Modeblätter,“ redigiert von Frau Amalie Schoppe, und des „Columbus“ redigiert von Röving, alle diese zahlreichen Zeitschriften durchaus keinen Verleger, sondern müssen sich im Selbstverlage der Herausgeber durchquälen. Seit Neujahr ist, wie der Herausgeber wenigstens behauptet, der treffliche Asmus wieder aus seinem Grabe auferstanden, und muss zum zweiten Mal botenlaufen, indem er den Leuten einen „neuen Wandsbecker Boten“ in das Haus bringt; alle Sonnabend schleppt er überdies eine „Teufelszeitung“ mit sich, geschrieben, wie es heißt, von sämtlichen Teufeln und Hexen, redigiert von Satanas, dem Fürsten der Finsternis. Dass dieses letztere Blatt eine durchaus nur polemische Tendenz habe, versteht sich von selbst, und so etwas gefällt ja den Leuten, wenigstens auf einige Zeit, bis der Quell des sprudelnden Witzes, der die Sache allein aufrecht erhalten kann, versiegt ist. Die bis jetzt erschienenen Nummern beider Blätter haben für den Liebhaber der Polemik manches Ergötzliche dargeboten, wohl aber mehr für unsere Stadt als das übrige Deutschland, weil viele Witzeleien und Anspielungen nur denen verständlich sein können, die in Hamburg leben. „Der Freischütz,“ ein sehr gutes Volksblatt, das auch häufig von den Gebildeten gelesen wird, besteht fort, und zeichnet sich nicht selten durch recht gute und wahre Kritiken über die Leistungen des hiesigen Theaters aus; die, welche man über die Oper darin findet, gehören mir zu den besten, gewiss aber zu den unparteiischsten, die hier geschrieben werden. Wer der Redakteur dieses Blattes ist, weiß keiner, und das ist sehr gut, denn kennte man ihn, so würde er nicht mehr mit so großer Freimütigkeit schreiben dürfen, als er es jetzt zur Freude der Unparteiischen tut. Dieser Theaterartikel allein gibt dem Freischützen ein sehr großes Lesepublikum. Zu loben ist noch, dass dieses Volksblatt sich stets innerhalb der Grenzen des Auslandes hält, und nie dem Gebildeten Veranlassung gibt, bei Lesung desselben zu erröten. Die ungewöhnliche Teilnahme, welche man diesem Blatte schenkt, zeigt nur zu deutlich, welch ein dringendes Bedürfnis Offenheit und Unparteilichkeit auch für die Masse des Volks ist, und das scheint mir ein gar erfreuliches Zeichen für den Geist, der demselben im Ganzen noch innewohnt. Auch der „Beobachter,“ die „Hammonia“ und die „Originalien“ bestehen fort.

Die „neuen Pariser Modeblätter,“ welche von Frau A. Schoppe redigiert und hier gedruckt werden, haben ihren zweiten Jahrgang begonnen, fingen aber erst in der Mitte des vorigen Jahres an; man sagt, daß dieses Unternehmen ein sehr glänzendes sei, worüber aber wohl nur der Verleger richtig urteilen kann; wenigstens aber ist in Hamburg dieses Blatt schon jetzt außerordentlich verbreitet, da der Preis desselben ungewöhnlich billig ist, die Kupfer sehr gut und zweckmäßig sind, und das Äußere sich in jeder Hinsicht elegant zeigt; auch für eine angemessene Unterhaltung gesorgt ist. Ich glaube, dass die Verlagshandlung mit diesem Unternehmen einen Treffer gezogen hat, und sie verdient dieses Glück, da sie für weniges Geld eine sehr gute Zeitschrift liefert, die sich sichtbar noch immer verbessert. Die „literarischen Blätter der Börsenhalle“ sind eine sehr gediegene Zeitschrift, und finden immer größere Teilnahme, obgleich sie meist nur Übersetzungen geben, die aber stets an sich wertvoll sind. Der „Kolumbus“ redigiert von dem in Hinsicht auf Geographie sehr gelehrten Dr. Röbing, sollte eigentlich auf keinem Komptoir fehlen, denn er ist für den Handelsstand von großer Wichtigkeit

An polemischen Schriften und Schriftchen fehlt es uns nicht; besonders haben Zimmermann und Witt, genannt von Döring, sich tapfer mit einander herumgebalgt, und zwar aus, Veranlassung einer Theaterkritik von Witt in Zimmermanns neuen dramaturgischen Blättern; die Sache würde wohl bald wieder in Vergessenheit geraten sein, wenn die kleinen Blätter sie nicht von Zeit zu Zeit wieder aufgefrischt hätten, denn Fehden der Art sind immer sehr erwünscht für die, denen es oft an Stoff zur Unterhaltung ihres Publikums gebricht, und die daher jeden begierig ergreifen, der ihre Leser nur einigermaßen unterhalten kann. Der „neue Wandsbecker Bote“ hat sich auch schon mehrfach an Andern gerieben, namentlich an einem bedauernswerten jungen Kaufmann, der es sich zu seinem Unglück einfallen ließ, Lord Byrons „Belagerung von Korinth“ übersetzen zu wollen; das Machwerk ist freilich unter aller Kritik, und selbst der Ernsthafteste wird es nicht ohne Lachen lesen können. Das sind denn nun die Späße, womit man sich hier gemütlich genug abspeisen lässt; das ist der Ton, der immer mehr Mode zu werden scheint, und wozu der erste Impuls wohl von Berlin ausgegangen ist, das nach meiner Ansicht tief genug im Argen liegt, weil dort die seichteste und niedrigste Possenreißerei mit Jubel aufgenommen wird, wenn sie nur entfernt einem Witz ähnlich sieht. Trotz dem aber hege ich das feste Vertrauen zu den braven Hamburgern, deren Charakter wirklich viel Gediegenes, Ernstes und Würdiges hat, dass sie sich nicht so leicht gänzlich verderben lassen werden, und entweder mit Mitleid oder mir Abscheu auf diejenigen sehen, die um ihr tägliches Brod sich Alles erlauben und jedem Bessern Hohn sprechen.

Seit lange ist kein Winter so reich an Festen und Vergnügungen gewesen als der diesjährige. Die Maskeraden im neuen Stadttheater waren überaus glänzend, und es herrschte eine anständige Fröhlichkeit bei denselben, die meinem alten Herzen recht wohl tat; denn welcher Anblick ist wohl erfreulicher als der fröhlicher Menschen? Auch viele und glänzende Privatbälle wurden gegeben, so wie eine Menge anderer Feste; kurz, Hamburg erinnerte einmal ganz wieder an die gute alte Zeit, wo es nicht nur eine reiche, sondern auch eine fröhliche Stadt war. In Hinsicht der äußern Verschönerung gewinnt, es immer mehr und mehr, und es sind seit einigen Jahren nicht nur eine wirklich außerordentliche Menge geschmackvoller Gebäude, sondern auch sogar mehrere sehr prachtvolle aufgeführt worden.

Die Wälle sind jetzt fast ganz abgetragen und in reizende Spaziergänge umgewandelt, so dass die nächste Umgebung unserer großen Stadt dem reizendsten Garten gleicht. Unser Hamburg wird überhaupt bald, und mit Recht, eine der schönsten Städte Deutschlands genannt werden müssen. Außerhalb des Dammtors werden noch fortwährend eine Menge geschmackvoller Gartenhäuser erbaut, denn wer sich nur irgend behaglich in seiner Lage fühlt, strebt im Sommer aus der drückend heißen Stadt fort und aufs Land hinaus, wo dann die zunächst am Tore gelegenen Landhäuser immer den Vorzug erhalten, weil es nur wenige unter uns gibt, die sich von ihren Geschäften während des Sommers trennen könnten und nicht täglich an die Börse müssten.

Als ein Zeichen vermehrten Wohlstandes und des wieder fester begründeten Geschäftsganges mag auch das noch gelten, dass wenig bedeutende Fallissements im verflossenen Jahre vorgekommen sind; mancher ist durch Schaben klug geworden, mancher schränkt sich besser ein, um Einnahme und Ausgabe in Übereinstimmung zu bringen, und der verzweifelte Geschäftszustand, der alle wagen lässt, um sich die Aussicht zu eröffnen, wenigstens das Notdürftige zu gewinnen, hat aufgehört, weil jetzt jeder leicht wieder erwerben kann, was er bedarf, wenn er nur nicht allzu übertriebene Forderungen an das Leben macht. Der Volksgeist, welcher sich während der französischen Okkupation wirklich zum Erschrecken verschlimmert hatte, weil die Armut gezwungen war zu jedem Mittel zu greifen, um nur das elende Dasein zu fristen, hebt sich sichtbar wieder, und wenn gleich noch hie und da Exzesse vorfallen, die in einer so großen und volkreichen Stadt nicht ausbleiben können, so sind sie doch weit seltener als in und kurz nach jener Zeit. Auch die polizeilichen Einrichtungen haben gewonnen, und man hat auf jeden Missbrauch jetzt ein wachsames Auge, wenn es gleich nicht möglich ist allen Übelständen abzuhelfen.

Eine traurige Bemerkung bringt sich indes dem aufmerksamen Beobachter unsers städtischen Treibens auf; die schauderhafte Krankheit des Wahnsinns soll nämlich nach allen Berichten so sehr überhand nehmen, daß unser geräumiges Krankenhaus, wovon ein bedeutender Teil für Irren angewiesen ist, sie nicht mehr fassen kann, und man sich deshalb genötigt sieht, noch eine eigene Anstalt dafür zu errichten, wozu schon ein kleiner Fonds vorhanden ist, indem die jungen Männer einer unserer Bürgerkompanien eine Summe von 1.600 Thlr. Banco zu diesem Zwecke niederlegten. Dieses rühmliche Beispiel wird nicht ohne Nachahmung bleiben, denn bei uns bedarf es gewöhnlich nur eines kleinen Impulses, um Dinge der Art zu Stande zu bringen. Es möge dieses aber den Lesern einen richtigen Begriff von unserer gebildeten Jugend geben, die sich durch Ernst und wackeres Streben von der so vieler anderen großen Städte auszeichnet, und nicht bloß auf ihr Vergnügen, sondern auch auf das Wohl ihrer minder beglückten Nebenmenschen bedacht ist. In der Tat vergeht fast keine Woche, in der unsere öffentlichen Blätter nicht Belege für den Wohltätigkeitssinn der hiesigen Bewohner geben, und kein fröhliches Fest wird gefeiert, ohne der Armen reichlich zu gedenken; ja es existiert eine eigene, sehr zahlreiche Gesellschaft junger Leute, die bedeutende Summen für die Leidenden durch eigene Beiträge zusammenbringt, die dann der Behörde zur zweckmäßigen Verwendung vertrauungsvoll übergeben werden. . . .