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Auf den Bürger-Konventen kann jeder „erbgesessene“ Bürger, d. h. ein solcher, der mit einem Grundstück angesessen ist, erscheinen; aber jene bürgerlichen Kollegien müssen gegenwärtig sein. Sie wachen über die Interessen der Bürgerschaft, verhandeln mit dem Rate über minderwichtige Angelegenheiten, Namens der Bürgerschaft, und bereiten diejenigen Sachen vor, welche der Rat derselben zur Annahme proponieren will. Repräsentanten der Bürgerschaft sind sie jedoch nur in Betreff der vorstehenden Dinge. Diese wird durch sie nicht von den Staats - Geschäften ausgeschlossen. Jeder erbgesessene Bürger kann an der Gesetzgebung Teil nehmen. Die bürgerlichen Kollegien bevormunden ihn, in Betreff derselben, durchaus nicht. Ohne Anwesenheit von wenigstens 195 „erbgesessenen“ Bürgern auf dem Konvente kann nie ein Rat- und Bürgerschluss zu Stande kommen. Die erwähnten bürgerlichen Kollegien dienen daher hauptsächlich zur Organisierung des Bürger-Konvents, der nun nicht, wie eine rohe Masse, sturmbewegt, ein leckes Schiff dem Senate gegenübertritt. Diesen Kollegien steht es auch zu, dem Rate Vorschläge zu machen, obwohl der Letztere sonst die Initiative hat. Der Rezess von 1612 nennt sie das „Auge des Staats.“ Wenn das Bestimmungen der Hamburger Verfassung sind, die Lübeck und Bremen mehr oder weniger entbehren, die man aber gerade nicht als rühmlich bezeichnen kann, weil sie eigentlich notwendige Erfordernisse einer republikanischen Staats -Einrichtung sind, will diese nicht in verderblichen Aristokratismus ausarten, so kann man auf der anderen Seite einen höchstwesentlichen Vorzug der Hamburger Verfassung darin erblicken, dass die Verwaltung des Staatsvermögens ausschließlich in den Händen der Bürgerschaft ist. Zehn Bürger, je zwei aus den fünf Kirchspielen, „Kämmerei-Bürger“ genannt, haben die Stadtkasse in den Händen. Jährlich tritt Einer von ihnen aus. Die Kämmerei-Bürger präsentieren sodann — was auch bei dem Tode eines Mitglieds geschieht — der Bürgerschaft vier Personen, die aus dem Kirchspiele, in welchem die Vakanz Statt findet, genommen und erbgesessen sein müssen. Von diesen erwählt die Bürgerschaft zwei Kompetenten, unter denen der Rat, vermittelst des Loses, entscheidet. So ist also dem Rate jeder Einfluss auf das gedachte Kollegium benommen. Das Staatsvermögen ist in den sichersten Händen und alle möglichen Irrungen, oder Willkürlichkeiten schwinden. Der zehnte April des Jahres 1563 war der merkwürdige Tag für Hamburg, der dem Senate die Verwaltung des Fiskus nahm, mit welchem er bis dahin nach Belieben geschaltet hatte.

Ein gutes Zeichen des Regiments ist es immer, wenn man das freundliche Verhältnis betrachtet, in welchem Rat und Bürgerschaft in Hamburg zu einander stehen. Seit 1710 ist nur einmal der Fall vorgekommen, dass die Bürgerschaft von dem ihr zustehenden Rechte Gebrauch machte, dem Rate eine sogenannte Neben-Proposition vorzulegen. Man versteht darunter den Fall, wenn die Bürgerschaft ausnahmsweise von der eigentlich dem Rat zustehenden Initiative Gebrauch macht. Die Beobachtung des regelmäßigen Geschäftsganges in den Konventen ist das sicherste Zeichen einer innigen Harmonie zwischen Rat und Bürgerschaft. Das Oppositions-Verhältnis beider Korporationen, welches ja nur durch Zufälligkeiten entstehen kann und durchaus nicht Absicht, oder Wesentlichkeit der Verfassung ist, wird solchergestalt aufgehoben. Auch die Mitglieder des Senats sind ja Bürger; und in der Anrede, die der erste präsidierende Bürgermeister an die versammelte Bürgerschaft hält, dürfen die Worte: „Mitbürger, vielgeliebte Mitbürger“ nicht fehlen. Im Jahre 1658 sah es die Bürgerschaft sehr ungern, dass diese Worte nicht gebraucht wurden, und man bat den Senat, es bei der alten Form zu lassen. Es war das ein ehrenwertes Begehren der Bürgerschaft, denn die Form wird nicht selten Grundsatz. Sie aufgeben, hieße, einen Grundsatz in Gefahr bringen, an den sie wenigstens stets erinnert.

Um die Bürgerschaft nicht in die Lage der Abhängigkeit von den bürgerlichen Kollegien zu bringen, stimmt sie nach den Kirchspielen. Auch das ist gut; denn der absichtliche Oppositions-Geist, der sich so leicht bei kollegialischen Verhältnissen herausstellt, wird dadurch vermieden. Aus den fünf Kirchspielen wird dann, nach der Majorität, der Bürgerschluß gebildet. Sollte sich Rat und Bürgerschaft nicht einigen können, so werden in gleicher Zahl sechszehn bis zwanzig Männer erwählt, deren Entscheidung, (nach der Majorität), als vollständiger Rat - und Bürgerschluss angenommen wird. Sollten auch diese durch Stimmen - Gleichheit nicht zu einem Beschluss gelangen können, so werden aus ihrer Mitte fünf Personen durch das Los gewählt, die, gleichviel ob Senatoren oder Bürger, einen Beschluss fassen, der Gesetz wird.

Die Verfassung Hamburgs ist vollständig, und zwar wie man aus dem Obigen ersehen kann, rein demokratisch. Der Senat steht nur als aufsehende und vollziehende Behörde da. Dass er sich selbst ergänzt, ist der einzige Punkt, der einer Umgestaltung bedürfen könnte. Allein dieser Umstand ist ohne wesentlichen EinFluss, da die hamburgische Konstitution nicht der Art ist, dass sie dem Senate eine die der Bürgerschaft überwiegende Stellung einräumt. Der Senat wird stets dahin Sorge tragen, dass seine Mitglieder tüchtig für die ihnen übertragenen Funktionen sind, da er von der Unfähigkeit derselben am meisten zu leiden hat.

Was die Justiz-Verfassung Hamburgs angeht, so ist sie, ohne vollkommen zu sein, doch der Art, dass sie diejenige Lübecks teilweise, aber die Bremens bei weitem übertrifft.

Das Nieder - Gericht besteht nicht aus Senats-Mitgliedern. Sein Personal, aus einem Präsidenten und sechs Richtern zusammengesetzt, von denen zwei Rechtsgelehrte sind, die übrigen Kaufleute, ist der Bürgerschaft entnommen. Die rechtsgelehrren Mitglieder verwalten ihr Amt lebenslänglich; die Kaufleute werden jedesmal nach zwei Jahren durch andere ersetzt. Dieses Gericht ist erste Instanz für alle Sachen, die nicht der Prätur anheim fallen, oder dem Handels-Gericht. Die Prätur (erste und zweite) wird von zwei Mitgliedern des Rats verwaltet. Sie ist kompetent für Miet- und Zinssachen, sowie für alle Zivilstreitigkeiten, die den Wert von 400 Mark Banko nicht übersteigen, in welchem Falle sie vor das Nieder-Gericht gebracht werden müssen. Das Handels - Gericht endlich, welches aus einem Präses, und Vice-Präses, die Rechtsgelehrte sind und ihr Amt lebenslänglich verwalten, und aus neun kaufmännischen Richtern besteht, von denen alljährlich drei austreten und durch Andere ersetzt werden, entscheidet in allen Handelssachen, im weitesten Umfange des Worts, so wie in allen Prozessen, die aus Handels-, Fracht- und Schiffbausachen entstehen. Das Personal dieses Gerichts ist gleichfalls der Bürgerschaft entnommen. Für Streitangelegenheiten, die den Wert von 500 Mk. Banko nicht übersteigen, ist es erste und letzte Instanz; jedoch hat der gravirte Teil das Recht, von einer Kammer des Handels - Gerichts an die andere zu appellieren, und, im Falle der Reformation, an beide vereint. Bei dem Handels - Gericht findet nur eine mündliche Verhandlung Statt. Das Ober-Gericht, welches nür aus Mitgliedern des Rats besteht, ist zweite Instanz aller Sachen, die vor dem Nieder- und Handels-Gerichte in erster Instanz verhandelt sind und die erforderliche Appellations-Summe aufzuweisen haben. . Das vorstehende Verhältnis beweiset zur Genüge, dass man in Hamburg darauf Bedacht genommen hat, die Administration von der Justiz zu sondern. Der Senat kann überall in erster Instanz keinen Einfluss auf die Entscheidung ausüben, zumal da die Unter-Gerichte sich in gänzlich unabhängiger Stellung vou ihm befinden. Eine Berufung an den Senat steht nun in dem Willen der Parteien. Sie kann nur da Statt finden, wo man sich nicht in die Entscheidung der der Bürgerschaft entnommenen Richter fügen will.

Außerdem muss man den Vorzug der hamburgischen Justiz anerkennen, der in der Errichtung eines eigenen Handels-Tribunals besteht. Er ist in zwiefacher Hinsicht lobenswert: einmal, weil er die Kommerzsachen einem besonderen Gerichte überweiset, welches nicht von anderen Rechtsgeschäften in Anspruch genommen wird; dann aber, weil hier ein mündliches Verfahren eingeführt ist, das eine rasche Entscheidung involvirt. Bei Handelssachen ist stets porioulum iu mors, und der gewöhnliche Gerichts-Schlendrian hält Manchen ab, sein Recht an die Langsamkeit des Proceß - Ganges zu hängen, die oft einem Geschäfte durchaus störend entgegen tritt und den Handel, der vom Augenblicke abhängig ist, an jahrlange Erörterungen bindet.

Will man die dem Senate ausschließlich zustehenden Befugnisse detailliert angeben, so kann man sie in folgendem feststellen. Man wird daraus ersehen, wie wenig diesem Kollegium der Staat ausschließlich in die Hände gegeben ist. Der Senat hat das Recht, Gesandte zu akkreditiren und die Akkreditive derselben entgegen zu nehmen; Privilegien zu erteilen; das Staatssiegel ist seineu Händen anvertraut; er hat die Aufsicht über das StaatsArchiv, das Begnadigungsrecht und das Recht der Dispensation bei vorkommenden Ehehindernissen. Dass diese aus der Administration und der vollziehenden Gewalt herfließenden Befugnisse ihm kein Uebergewicht über die Bürgerschaft, bei den bestehenden Bestimmungen der Verfassung, wie ich sie oben angegeben habe, verleihen können, liegt am Tage.

Diese verständige Sicherung der republikanischen Verfassung hat nicht wenig dazu beigetragen, Hamburg auf die Stufe der Wohlfahrt zu geleiten, die es in diesem Augenblick unbezweifelt eingenommen hat. Man hat es sich angelegen sein lassen, die Bürgerschaft unabhängig und frei hinzustellen; man hat in dieser Hinsicht nichts dem Zufalle überlassen, fondern Alles verbrieft und versiegelt, wohleinsehend, dass Diskussionen über Observanzen nicht genügen, die Willkür abzuweisen, die in einer Stadt, wie Hamburg, so leicht zu Ercessen führen kann.