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Dieser zufolge zählte die Stadt damals 18.000 Häuser und 180.000 Einwohner, Christen und Juden. Sie war schon damals in ihren Promenaden und öffentlichen Spaziergängen so sauber, rein und saftiggrün gehalten, dass man sie allgemein „die Gartenstadt“ nannte. Nicht ohne Stolz rühmte man an ihr, dass es darin gar keine Bettler gebe, und wie reich in der Tat damals Hamburg und zugleich wie wohltätig es war, beweist die Tatsache, dass an einem Sonntage in dem kalten Winter von 1755 vor den Kirchentüren zur Feuerung für die Armen 3.000 Reichstaler einkamen und man dennoch bei dieser Gelegenheit „seufzete und klagete“, wie es in dem betreffenden Berichte heißt, „dass die heilige Edelmut erfroren sey“.

Griesheim selbst gibt in seinem Buche, um auf dieses zurückzukommen, von dem Hamburger folgende Beschreibung: „Der Hamburger“, sagt er, „ist noch ein Rest der alten deutschen Tugenden, in der schwarzen Kleidung, deren er sich bei bürgerlichen Zusammenkünften bedient; außer denselben beobachtet er die Moden mit, doch mehrenteils ohne Pracht und Eitelkeit, welche nur junge Leute unterscheidet, die einen kaufmännischen Edelmann vorstellen wollen. Beiderlei Geschlecht liebt die Reinlichkeit, besonders in der Wäsche.“

An einer andern Stelle heißt es: „Der Hamburger ist die ganze Woche in seinen Geschäften, als wenn er ums Tagelohn arbeiten müsste. Das beständige ernstliche Nachdenken macht den gesetzten Hamburger schon in frühem Alter stille. Er nimmt seine Kopfrechnungen überall mit.“

Endlich schreibt er auch noch bei einer andern Gelegenheit: „Der Hamburger ist ein vernünftiger Ehemann ohne übertriebene Zärtlichkeit. Er lässt seine Frau teil an seinem Glücke und Vermögen nehmen, doch seltener an seinem Handlungsgeschäfte.“

Von der Hamburgerin meldet er: „Die Hamburger Bürgerfrau ist ehrbar, sie stört ihren Mann nicht, beschäftigt sich mit ihrer Haushaltung und weiblicher Arbeit, trinkt fleißig Tee, des Sonntags beobachtet sie den Wohlstand der Visiten, wobei der Quadrille- oder Trisett-, d. h. ein Spieltisch, zum Zeitvertreib herbeigeholt wird.“

Die noch heutzutage von ihren Dienstleuten geplagten Hausfrauen wird es interessieren, zu hören, dass schon der edle Griesheim klagt, wie das Gesinde zu seiner Zeit ungenügsam und vorteilsüchtig gewesen und selten auf einer Stelle lange gut getan. „Es isset den ganzen Tag“, schreibt er, „und der Bierkrug muss dabei stehen.“

Über den Wohlstand und das gute Leben in Hamburg ist viel von Grießheim und Andern geschrieben worden. Ein Buch, „Briefe über Hamburg“ betitelt, dessen Autor sich nicht genannt hat und welches 1794 erschien, aber die Verhältnisse und Zustände augenscheinlich aus frühern Tagen schildert, gibt folgendes Bild davon: „Du findest einen dem Reichtume und dem ansehnlichen Erwerbe dieser ersten Häuser der Stadt angemessenen, oft diesen übersteigenden Luxus; du findest elegante Equipagen, eine zahlreiche Bedienung, prächtig möblierte Zimmer, palastähnliche Gartenhäuser und freundschaftliche Mahlzeiten, die jeder fürstlichen und königlichen Tafel Ehre machen würden. Mitten in einer solchen Familie kannst du mehre Tage und Wochen verweilen, ohne von Zerstreuungen und Vergnügungen aller Art auch nur eine Stunde leer zu lassen. Besonders ist der Aufwand der reichen Hamburger in Essen und Trinken äußerst groß, und, wenn man vielleicht Wien ausnimmt, nirgends in Deutschland so weit getrieben. Du verlassest kaum Morgens den Tee- und Kaffeetisch, so erwartet dich ein sehr delikates Frühstück mit den trefflichsten Weinen, mit englischem, holländischem oder Schweizerkäse, und bist du ein Freund vom Teetrinken, welches fast alle Hamburger in einem sehr hohen Grade sind, so steht auch dieser wieder um 12 oder 1 Uhr für dich da, wogegen du aber die Mittagsmahlzeit erst um 3, oft auch um 4 Uhr einnimmst. Nachmittags nach dem Kaffee wird oft wieder eine kleine Collation von Schinken, kaltem Braten u. s. w. aufgetischt, bis du endlich Abends um 9 oder 10 Uhr zur wohlbesetzten und besonders mit fremden Weinen wohlversehenen Abendtafel eilst.“

 

 

*) Griesheim, Christian Ludewig v., Cameralist, war geboren im Jahre 1709. Einer im Fürstentum Gotha begüterten Familie angehörig, verlegte er sich nach absolvierten Universitäts studien auf praktische Landwirtschaft, machte Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn und Dänemark, um sich in der „praktischen Regiments und Cameralistenkunft“ zu üben; als Landstand des Fürstentums Gotha, wegen der Herrschaften Herde und Lodersleben, sowie als fürstlich sachsen-gothaischer Oberamtshauptmann, Hof- und Konsistorialrat fand er vielseitige Gelegenheit zur Verwertung seiner praktischen Kenntnisse auf dem Gebiete der Verwaltung. Um das Jahr 1752 wurde er jedoch, aus Ursachen, über welche er sich selbst nie aussprach, von seinen Ämtern entlassen und scheint gleichzeitig auch seinem Vaterlande für immer den Rücken gewendet zu haben. Wir finden ihn von nun an unablässig mit theoretischen Studien über Cameralwissenschaft beschäftigt, bald in Berlin, bald in Hamburg, Hannover, Braunschweig, Wien etc., überall in finanzieller Bedrängnis vergebens cameralistische Projekte und Dienste anbietend. 1755 trat er in besondere Beziehungen zu dem damals berühmten Professor Georg H. Zinke in Braunschweig, auf dessen Empfehlung hin er den Tractat von Verbesserung des Adels anonym veröffentlichte „theils zu gemeinnützigen Absichten, theils zum Gebrauch meiner Kinder, daß väterliche Herz sollte abwesend sprechen“. Ein längerer Aufenthalt in Hamburg gab ihm sodann Veranlassung zu der Schrift: „Die Stadt Hamburg in ihrem politischen, ökonomischen und sittlichen Zustande“, 1759, mit einem Band Anmerkungen und Zugaben, und in neuer Auflage 1760, wodurch G. schnell zu einiger Berühmtheit gelangte, da er es verstand, mit praktischem Blicke die charakteristischen Merkmale öffentlicher Zustände und Einrichtungen herauszufinden und sie unter den gangbaren Gesichtspunkten der damals zur Modeneigung gewordenen Cameralwissenschaft zu beleuchten. Einen bleibenden wissenschaftlichen Wert hat jedoch diese Schrift ebensowenig, wie die etwas später erschienenen „Beiträge zur Aufnahme des blühenden Wohlstandes der Staaten“, 1. Bd. 1762, 2. Bd. 1767. Die letzten sieben Jahre seines Lebens verbrachte er bei dem Major von Nostitz in Ullersdorf bei Görlitz, wo er am 10. October 1767 starb.