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- Category: Stadt & Leute
- Published: 27 February 2011
Der Handel befasste sich namentlich mit der Ausfuhr von Holz und Getreide und wurde durch einen 1661 zwischen Celle und Brandenburg für die Elbschifffahrt abgeschlossenen Handelsvertrag begünstigt; sogar der Reiherstieg musste zur Unterbringung der Holzflöße herangezogen werden, nachdem der größte Teil der Insel Wilhelmsburg i. J. 1662 von dem damaligen Beherrscher Harburgs, dem Herzog von Celle, angekauft worden war.
Ein neuer, allerdings nur kurze Zeit währender Aufschwung des Harburger Handels erfolgte nach Beendigung des siebenjährigen Krieges; namentlich blühte der Umschlagsund Durchgangshandel. Bis gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts boten die Harburger Hafenanlagen im wesentlichen noch dasselbe Bild, wie in der Mitte des 17. Jahrhunderts, indessen war das Fahrwasser der Süderelbe soweit verbessert worden, dass Schiffe mit 3,5 m Tiefgang bis Harburg gelangen konnten.
Damals gehörte Harburg zum Königreich Hannover. Es war die Zeit, in welcher in Deutschland die ersten Eisenbahnen gebaut wurden und die ersten Zeichen des Erwachens einer großgewerblichen Tätigkeit auftraten. Dass für eine erfolgreiche Entwicklung von Handel und Gewerbe im Lande Hannover der Besitz eines allen Anforderungen der damaligen Seeschifffahrt entsprechenden Seehafens Vorbedingung sei, wurde in weiten Kreisen des Königreichs erkannt und die Regierung zögerte nicht, dieser Erkenntnis die Tat folgen zu lassen. Unter den in Frage kommenden hannoverschen Orten an der Elbe wurde Harburg als derjenige Platz, bis zu dem die Seeschiffe hinaufgelangen und die Flussschiffe ohne Gefährdung durch Wind und Wetter hinabfahren konnten, für die Anlage des neuen Seehafens ausersehen, und Hand in Hand mit der Herstellung der Eisenbahnlinie Hannover-Lehrte-Harburg erfuhren die Harburger Hafenanlagen einen Ausbau, für den die unter den damaligen Verhältnissen sehr beträchtliche Summe von 1.400.000 Mk. aufgewendet wurde. Dabei fielen alle Ausgaben für die Gleisanlagen, sowie die Ufermauern, Schuppen, Speicher u. s. w., die für den Umschlag der Güter vom Schiff auf die Eisenbahn und umgekehrt erforderlich waren, der Eisenbahnverwaltung zur Last, sodass sie in den obengenannten 1.400.000 Mk. nicht mitenthalten sind.
Die neuen Hafenanlagen wurden im Jahre 1849 eröffnet. Die durch die Bauarbeiten bewirkten hauptsächlichen Verbesserungen bestanden in der Herstellung des Überwinterungshafens, des Verkehrshafens und des östlichen Kanals, die damals bereits annähernd die jetzige Gestalt erhielten, unter Vereinigung des äußeren und inneren Festungsgrabens, in dem Bau von Ufermauern und vor allem in der Anlage einer neuen Kammerschleuse, der jetzigen „kleinen Hafenschleuse“, mit 9,9 m Weite, 43,8 m Länge und 4,0 m Tiefe bei dem damaligen gewöhnlichen Hafenwasserstande von +1,0 m Harburger Pegel. (Harburger Pegel Null annähernd = mittl. Niedrigwasser der Elbe.)
Der Hafen zu Harburg wurde 1848 zum Freihafen erklärt und außerdem durch die Befreiung von dem drückenden (erst 1861 ganz beseitigten) „Stader Zoll“ für alle unmittelbar nach Harburg fahrenden Schiffe begünstigt; die Stellung Harburgs als Freihafen fand indes bereits mit dem im Jahre 1852 erfolgenden Anschluss Hannovers an den Zollverband ihr Ende.
Der Segen aller dieser für Harburg geschehenen Maßnahmen sprach sich deutlich in einem sehr lebhaften Aufschwung des Handels aus, insbesondere des Prachthandels zwischen Hamburg und der genannten nach Hannover führenden Eisenbahn, deren Anfangspunkt Harburg war; doch gedieh auch der direkte Seehandel, wofür die Zunahme der einlaufenden beladenen Seeschiffe von 1032 mit 93.500 t Gütern im Jahre 1854 auf 1114 mit 150.000 t Gütern im Jahre 1856 ein anschauliches Bild gibt.
Mit der zunehmenden Verwendung der Dampfkraft im Schifffahrtsbetriebe waren die Schiffsgrößen und damit die Schiffstiefgänge gewachsen. Die in der Süderelbe und im Köhlbrand vorhandene Tiefe von 3,5 m bei mittlerem Hochwasser genügte infolgedessen den Bedürfnissen der Schifffahrt nicht mehr, und aus den Schifffahrtskreisen ertönte deshalb immer lauter der Wunsch nach einer Vertiefung des Köhlbrandes und der Süderelbe. Diese konnte aber nicht ohne weiteres ausgeführt werden, da Hamburg sich der Vertiefung des in seinem Staatsgebiet liegenden Teils der Wasserstraße widersetzte. Erst im Jahre 1868 gelang es der Preußischen Regierung nach langwierigen Verhandlungen, von Hamburg das Zugeständnis einer solchen Vertiefung des Köhlbrands zu erlangen, dass nach Ausführung der erforderlichen Baggerungen Seeschiffe bis 4,5 m Tiefgang nach Harburg gelangen konnten. Auch wurden in diesen und in den folgenden Jahren die Verhältnisse im Hafen selbst durch Ausbau und Ausstattung verschiedener Uferstrecken, Vertiefung der Hafenbecken, Errichtung von Brücken u. a. m. beträchtlich verbessert.
Da auch die 1848 erbaute Hafenschleuse dem Bedürfnis nicht mehr genügte, wurde eine neue Kammerschleuse, die jetzige „große Hafenschleuse“, erbaut und im Jahre 1880 in Betrieb genommen. Sie hat 17 m Weite, 70 m Länge und 5,3 m Tiefe unter dem, seit 1859 auf + 1,5 m Harburger Pegel (Harburger Pegel-Null = — 0,085 N. N.) festgesetzten gewöhnlichen Hafenwasserstand; der Kostenaufwand betrug 2.060.000 Mk. überdies wurden die untere Strecke der Süderelbe und der Reiherstieg, später auch die obere Strecke der Süderelbe nach und nach mit Buhnen und Parallelwerken ausgebaut und teilweise vertieft; hierfür wurden seit 1870 über 8.000.000 Mk. an Neubau- und Unterhaltungskosten von der preußischen Regierung aufgewendet.
Die zunehmende Entfaltung des Harburger Hafenverkehrs machte in den Jahren 1889 — 1893 einen weiteren Ausbau des Hafens in Gestalt von Uferbauten, in dem Ausbau der Lothse zu dem 6 m tiefen Lothsekanal und der Anlage des gleich tiefen Ziegelwiesenkanals sowie des 3 m tiefen Holzhafens, in der Errichtung mehrerer Lagerschuppen und Lagerplätze und in der Beschaffung fahrbarer Hand- und Dampfkräne erforderlich, wofür 1.140.000 Mk. ausgegeben wurden.
Im Ganzen sind für die Harburger Hafenanlagen vom Jahre 1846 bis zur Gegenwart rd. 5.600.000 Mk. an Neubau- und Unterhaltungskosten staatlicherseits aufgewendet worden — ungerechnet die erheblich höheren staatlichen Ausgaben für die Unterhaltung und Verbesserung der Süderelbe und des Reiherstieges. Von diesen Arbeiten sei besonders die im Jahre 1899 durchgeführte Vertiefung der Süderelbe unterhalb Harburgs und des Köhlbrands um 1 m, unter Schaffung einer Sohlenbreite von 100 m, erwähnt. Diese bedeutsame Verbesserung des Seefahrwassers nach Harburg war erst möglich, nachdem Hamburg in dem zwischen ihm und Preußen am 19. Dezember 1896 abgeschlossenen Staatsvertrage die Genehmigung zur Ausführung der erforderlichen Baggerarbeiten auf seinem Staatsgebiet erteilt hatte. Inzwischen hatte sich das Bild des Harburger Hafenverkehrs infolge der Eröffnung der Eisenbahnverbindung Hamburg-Harburg, des Endstücks der neuerbauten Linie Hamburg-Köln, — im Jahre 1873 — erheblich geändert.
Vor der Erbauung der Eisenbahn Harburg-Lehrte-Hannover wurde ein großer Teil der Güter, die von Hamburg nach den westlich gelegenen Teilen Deutschlands versandt wurden, zu Wasser nach Harburg geschafft, dort auf Landfuhrwerke umgeladen, und auf ihnen weiter verfahren. Nach der Erbauung der genannten Bahn erfuhr dieser Betrieb nur insofern eine Änderung, als ein allerdings erheblicher Teil der Güter in Harburg statt auf Landfuhrwerke auf Eisenbahnwagen umgeladen wurde. Durch die Eröffnung der Eisenbahnverbindung Hamburg Harburg erhielt Hamburg die Möglichkeit, seine Güter direkt mit der Eisenbahn nach Westen zu versenden, sodass das Umladen der Güter im Harburger Hafen zum größten Teil wegfiel. Dadurch erlitt Harburg eine sehr erhebliche Verkehrseinbuße, und die Stadt wäre in ihrer Entwicklung wohl vollständig gehemmt worden, wenn sich das Großgewerbe nicht in ihr in immer steigendem Maße entwickelt und dadurch auch der Hafenverkehr einen neuen kräftigen Antrieb erhalten hätte. Heutzutage, wo Harburg zu den wichtigsten deutschen Industriestädten gehört, dient sein Hafen zu einem sehr wesentlichen Teile der Einfuhr der Rohstoffe für die Harburger Fabriken und der Ausfuhr ihrer Erzeugnisse.
Einen Begriff von der Entwickelung des Hafenbetriebes in den letzten Jahren gibt nachstehende Übersicht über den Gesamt -Verkehr der hingegangenen und ausgegangenen beladenen Schiffe. [Tabelle 1]
Die Betrachtung der vorstehenden Tabelle erweckt leicht ein falsches Bild von dem Harburger Schifffahrtsverkehr. Unter den „Flussschiffen“ sind nämlich alle die zahlreichen Fahrzeuge mitgezählt, die den Gütertransport zwischen den in Hamburg und Altona löschenden und ladenden Seeschiffen und dem Harburger Hafen vermitteln. Der Köhlbrand und die Süderelbe sind zur Zeit für die großen Seeschiffe nicht tief genug und die alten Harburger Hafenanlagen sind zur Zeit auf die Aufnahme großer Seeschiffe nicht eingerichtet. Infolgedessen löschen diese großen Schiffe die für Harburg beistimmten Überseegüter in Hamburg und Altona in Schuten und Leichter und empfangen in solchen Fahrzeugen auch die von Harburg für das Übersee-Ausland bestimmten Güter. Tatsächlich entfällt von den in „Flussschiffen“ beförderten Gütern der weitaus größte Teil auf den Seeverkehr Harburgs, und dieser letztere übertrifft den Flussverkehr um etwa das Sechsfache.
Der Güterverkehr zwischen den Seeschiffen in Hamburg-Altona und dem Harburger Hafen bedient sich zum überwiegenden Teil des im ersten Abschnitt dieser Schrift erwähnten, Reiherstieg genannten Nebenarmes der Süderelbe. Dieser Nebenarm konnte früher nur von Flößen und ganz flachgehenden Fahrzeugen benutzt werden; er ist, mit der Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts beginnend, allmählich mehr und mehr ausgebaut worden und hat jetzt bei mittlerem Niedrigwasser auf 30 m Sohlenbreite eine Wassertiefe von 3 m. Damit der Süderelbe nicht durch den vertieften Reiherstieg zu viel Wasser entzogen wird, vielmehr ihre Wasserführung bei Ebbe in vollem Maße auch unterhalb der Reiherstiegabzweigung erhalten bleibt und so Sandablagerungen in ihr und dem Köhlbrand nach Möglichkeit verhütet werden, ist am oberen Ende des Reiherstieges eine Sperrschleuse mit 2 Schleusenkammern von je 110 m Länge und 12 m Torweite erbaut worden. Die östliche Schleuse hat bei mittlerem Niedrigwasser 3,8 m nutzbare Wassertiefe, die westliche 3 m. Diese Schleuse, deren Kosten sich auf 920.000 Mark beliefen, hat elektrisch betriebene Schiebetore, die während der Flutzeit geöffnet bleiben, sodass dann die Schiffe ohne jeden Aufenthalt durch die Schleuse hindurchfahren können. Die Schleuse schützt auch den Reiherstieg vor Versandung. Der Reiherstieg gehört eigentlich nicht zu dem Harburger Hafen; bei der Bedeutung, die er für das Großgewerbe in Harburg und den ganzen Hafenverkehr der Stadt hat, durfte er hier jedoch nicht unerwähnt bleiben. Hand in Hand mit der Entwickelung des Hafens ging auch diejenige der Stadt Harburg, wie am besten aus folgender Übersicht über die Zunahme der Einwohnerzahl zu ersehen ist:
Jahr Einwohnerzahl
1830 4000
1840 5000
1850 5000
1860 12000
1870 16000
1880 19000
1890 35000
1900 49000
1904 55000
In dieser Zusammenstellung ist die geringe Zunahme der Bevölkerung in dem Jahrzehnt 1870 bis 1880 und die starke Zunahme in dem Jahrzehnt 1880 bis 1890 auffällig. Die letztere beruht teilweise auf der im Jahre 1888 erfolgten Eingemeindung einiger Vororte, die geringe Zunahme der Bevölkerung in der Zeit von 1870 bis 1880 ist eine Folge der Inbetriebnahme der Eisenbahnstrecke Harburg-Hamburg. Mit dieser Inbetriebnahme verlor das in Harburg blühende Speditionsgeschäft in der Hauptsache seinen Untergrund, und die industrielle Entwickelung Harburgs hatte damals noch nicht kräftig genug eingesetzt, um diesen Ausfall soweit auszugleichen, dass er nicht in einer Stockung in der Bevölkerungszunahme erkennbar wurde.