Die Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg im 13ten bis 19ten Jahrhundert

Man hat nun einmal über das arme Juden-Völkchen, und besonders über das Berliner, die große Glocke angezogen, warum sollte ein unparteiischer Beobachter dieses Unwesens nicht auch noch seinen Bindfaden daran befestigen, nicht um den Spektakel und das Wehklagen zu vermehren, wahrlich nicht? — sondern um einige Töne zu berühren, die man vor allem Getöse bisher nicht hören konnte und wollte.

Alle kleine Pieçen, die bis jetzt über diesen Gegenstand, in so mancherlei Hinsichten und aus so verschiedenen Absichten erschienen sind *), tragen mehr oder weniger das Gepräge der Animosität, der Intoleranz und des Kitzels, einmal sein Mütchen kühlen zu können, und sogar, man denke sich den Reitz, gegen ein Honorar von 2 bis 3 Rthlr. pr. Bogen, in Preuß. Silbermünze. Wer wollte da nicht schreiben, und sollte der Witz durch schäumenden Champagner flüssig gemacht werden müssen. Wahrlich, dem letztem Umstande, denn für Geld ist Heuer selbst die Ehre feil, verdankt die Judenschaft und das lachende Publikums die meisten ephemeren Produkte, welche zum Teil sogar ihrer Väter Namen an der Stirnführen!


*) Und die wir, beiläufig gesagt, dem Titel nach, damit diese wenigstens der Nachwelt aufbewahret und noch auf einige Jahre länger der Vergessenheit entrissen werden, in den Miszellen gelegentlich, vielleicht auch nach ihrem extensiven Wert, d. h. nach ihrer Bogenzahl und Korpulenz aufführen werden.

Dem Anschein nach, sind sämtliche Gall- und Geistes, Emanationen wider die ganze jüdische Nation gerichtet; ich sage nur dem Anschein nach; denn man müsste wenig vertraut mit dem Lokale sein, wenn man es nicht den Schriften und ihren Verfassern ansehen wollte, dass sie eigentlich nur gegen die Berliner Judenschaft, und unter dieser wieder gegen besondere Individuen gerichtet sind. Dies bedarf keines Beweises, denn die Tendenz der Verfasser, welche, keinen ausgenommen, mehr oder weniger mit Juden in Verbindung stehen oder gestanden haben, liegt am Tage und sie selbst haben sich zum Teil so rein darüber ausgesprochen, dass man über die Motiven der Flugschriften auch keinen Augenblick zweifelhaft bleiben könnte.

Das Charakteristische dieser Pamphlets, das einzige Buchholzische Werk ausgenommen, liegt also darin, dass sie, die ursprünglich personell sein sollten, aber nicht durften — gegen die ganze Korporation der Judenschaft gerichtet werden mussten, und dass die Verfasser die Miene annehmen, als wenn sie aus religiösem und patriotischem Eifer Vorschläge zu einer bessern, dem Zeitgeist mehr angemessenen, Konstitution tun wollen, kurz, dass die meisten Broschüren den Anschein haben, als liege ihnen die Kultur und die bürgerliche Verbesserung der Juden am Herzen. Possierlich genug, dass man mit einem „ewig unauslöschlichen Hass gegen die Juden“ doch so wohltätige und ächtchristliche Absichten für sie verbinden kann.

Das alles hat das Publikum verschlungen und belacht und die Judenschaft gelesen und beseufzt — und niemand hat an die Inkonsequenz der Judenfeinde gedacht, oder wenigstens ihrer öffentlich erwähnt.

Allein dies ist auch meine Absicht nicht. Ich will die Juden und ihre Widersacher, das Benehmen der einen oder, der andern Partei, so wenig anfeinden wie verteidigen; sondern nur einige Data zur Geschichte der jüdischen Kolonie in der Mark Brandenburg, besonders in Berlin, beibringen, um die Frage beantworten zu können: Wie stark vermehrt sich diese Nation der Residenz und ist aus dieser Vermehrung, wie einige Broschüren zu vermuten scheinen, für die Christen und deren Gewerbe wirklich etwas zu befürchten? Ich werde dabei rein historisch zu Werke gehen, die Fakta ohne gelehrte Allegate und Zitationen so vortragen, wie ich sie finde, und das Publikum, ohne Vorgriffe in den Stand sehen, selbst urteilen zu können.

Die jüdische Nation gehört, seit der Zertrümmerung ihres Reichs leider überall und nirgends zu Hause. Von einem feindseligen Genius durch alle Teile der Erde zerstreut sind sie überall nur geduldet und Fremdlinge in dem Lande ihrer Geburt, ohne Vaterland und folglich ohne Interesse für das Wohl und Wehe desselben. Wahrlich keine beneidenswerte Lage. Ihr Schicksal ist durch keine Verträge, durch keine Grundgesetze gesichert, sondern hängt von der freien Willkür der Regierung ab, unter der sie ihre Existenz erhielten. Daher war sie so oft das Spiel der Launen, der Habsucht und des Despotismus der Fürsten.

Gedrückt, vertrieben und verstoßen irrten sie von einem Lande zum andern und erschienen sehr früh, das Jahr ist so wenig, wie das Jahrhundert auszumitteln, in Deutschland. Gehasst vom Volke, suchten sie den Schutz der Fürsten und erhielten ihn, gegen Erlegung unverhältnismäßiger Summen, die sie durch Wucher und Übervorteilungen zu erschwingen suchen mussten.

Ihre erste Erscheinung in der Mark Brandenburg verdeckt der Schleier der unenthüllten Vergangenheit. Wahrscheinlich fanden sie hier sogleich nach dem Verschwinden der Wendischen Herrschaft, eine Freistätte, und erschienen in dem von Albrecht dem Bären gestifteten Reiche, ohne gerufen zu sein, indem gerade eine heftige Verfolgung im südlichen Deutschland sie bewog, ihre Laren zu verlassen, und ihren Stab weiter zu setzen. Dass sie in dem Sächsischen Teile der Mark, der Altmark, früher und in Menge vorhanden waren, ist aus den Urkunden der Städte jener Provinz evident erwiesen. Dass die Juden aus dem südlichen Deutschlande, und nicht aus Pohlen in den neuen christlichen Staat eingewandert sein müssen, können allenfalls die deutschen Namen Liebmann, Meyer etc. beweisen, welche man in den frühesten Dokumenten häufig findet.

Über ihre Verfassung, ihre Verhältnisse zu den Landesbewohnern und dem Landesherrn, schweigen unsere Annalen. Sie lebten in Städten und ernährten sich von Handel und Gewerbe, bezahlten, wie überall, dem Fürsten ihren Zins oder Judenschutz und wurden dafür von ihnen gegen die Christen, denen die Industrie der Juden nicht wenig nachteilig war, in Schutz genommen. Auf der Nordseite der Elbe müssen sie aber vor den Waldemarschen Unruhen sich nicht häufig niedergelassen haben, weil die Urkunden jener Gegend ihrer erst von dem Zeitpunkt an erwähnen. Sie hatten aber kaum sich hier eingenistet, als sie auch schon, wahrscheinlich doch durch irgend eine Veranlassung, den Hass der Mönche und des gemeinen Volks, gegen sich erregten.

Unduldsamkeit, Fanatismus und Bigotterie waren herrschende Züge jenes rohen Zeitalters, und es bedurfte von Seiten des alles dominierenden Klerus nur eines Winks, — so schnob der Pöbel Rache und Wut. Ihr armen Hebräer! — keine Macht der Fürsten, die im Grunde eure Gönner waren, konnte euch gegen Priesterwut schützen. Sie verstanden es zu gut, ihren Beschuldigungen den Anschein einer rechtlichen Veranlassung zu geben. Nichts konnte die Beschuldigten retten.

Die ersten Märtyrer wurden die armen Juden zu Berlin (1243), welche, nach Aussage der Mönche sich eine konsekrierte Hostie zu verschaffen wussten, sie aus Hass gegen den Stifter der christlichen Religion zerstachen und zerhieben. Dass Blut ihnen entgegen quoll,— wer hätte das bezweifeln wollen. Die Heiligen Väter hatten es gesagt, und die Täter, durch Torturen gezwungen, es ja selbst eingestanden. Der Judenberg bei Berlin, auf dem die unglücklichen Schlachtopfer verbrannt wurden, führt noch bis auf den heutigen Tag, zur Schande der Menschheit, den Namen davon. Sie mussten geopfert werden, denn ohne dieses tragische Schauspiel erreichten die Mönche ihre Absicht, die Wallfahrt nach dem Wunderblute zu Belitz nicht.

Auf ähnliche Art ward der Diebstahl eines Juden in Techow in der Prignitz benutzt. Er hatte eine in der entwendeten Monstranz gefundene Hostie zerrieben, und vergraben. Blutend ward sie hervorgezogen, blutend dem staunenden Volke gezeigt, das Hass und Verfolgung der Nation schwor, die seinen Gott so verachten konnte. Die Stiftung des Klosters Heiligengrabe und einer berühmten Wallfahrts-Kirche, war die natürlichste Folge davon. Mochte diese heilige Gaukelei auch immer gewesen sein, sie entsprach der damaligen Kindheit des menschlichen Geistes. Aber schrecklich waren die Wirkungen für die arme jüdische Nation, welche diese Begebenheiten in der Folge für sie hatten.

Unter der glücklichen Regierung der Anhältschen Markgrafen, im l4ten Jahrhundert vermehrten sich die Juden in der Mark Brandenburg ungemein. Manche Städte waren, zum Nachteil des Gewerbes der Christen, mit Hebräern überschwemmt, so dass die Fürsten ihrer um sich greifenden Industrie, durch strenge Gesetze Grenzen setzen mussten. Sie waren, wonach sie jetzt so sehnlich schmachten, wirkliche Bürger in den Städten, und waren gezwungen das Bürgerrecht zu erkaufen, wogegen sie auch zu den landesherrlichen Abgaben außer dem gewöhnlichen Schutzgelde, ihr Kontingent entrichteten. Dass sie sich zur Ungebühr mit Wucher, Übervorteilungen, Kippen und Wippen abgaben, beweisen die häufigen Klagen und Verbote jener Zeit zur Genüge; es war auch kein Wunder, denn das Land war überschwemmt, der Zugang zu den Gewerben war ihnen untersagt, und die Neigung zu einer soliden und körperliche Anstrengung erfordernden Arbeit, der Nation von jeher zuwider.

In diesem Zeitraum, im Jahre 1320, wird zum erstem mal der Juden in Berlin gedacht, indem die Markgräfin Agnes sie, vermittelst eines Instruments, der Gerichtsbarkeit des dortigen Magistrats unterwarf. Geschützt von der Landes-Herrschaft, aber gehasst von den Bürgern und den Geistlichen, weil beide darunter verloren, vermehrten sich die Juden, besonders unter der Regierung des Baierischen Hauses ungemein. Die Städte waren fast ohne Ausnahme überladen, sie nahmen ganze Straßen ein, die noch bis jetzt davon den Namen erhalten haben. Die Fürsten befanden sich wohl dabei, denn die Juden mussten ihren Schutz hoch und teuer bezahlen, und füllten nicht selten durch Anleihen die leeren Hofkassen. Markgraf Ludewig, der so mancherlei Bedürfnisse hatte, nennt sie daher seine lieben Kammerknechte, und weise und bescheidene Leute und nahm sie gegen die Angriffe und Beleidigungen der Hofbedienten und Bürger, die ihnen in seiner Abwesenheit zuweilen übel mitspielten, kräftig in Schutz. Da die Fürsten von den Juden ansehnliche Revenüen hatten, so zahlten sie selbige zu ihren Regalien und betrachten, sie als wirkliche Lehnstücken, die nach Gelegenheit wie liegende Gründe verpfändet und verliehen wurden.

Besonders zahlreich waren die Juden in Stendal, Brandenburg, Frankfurt, Prenzlow, Havelberg, Arneburg, Pritzwalk, Seehausen, Werben, Kyritz und Perleberg. So war die Lage der Juden, als eine Pest ausbrach. Seuchen und Landplagen mussten ehedem verschuldet sein, das Volk schrieb die Ursache den Juden zu und die Geistlichkeit, welche hierin eine Gelegenheit fand, ihren Hass gegen diese Nation auszulassen, bestärkte den Pöbel darin. Kurz es brach, eine allgemeine Verfolgung der Juden aus, die keine Macht der sie schützenden Markgrafen zu unterdrücken im Stande war. Sie wurden für vogelfrei erklärt, ermordet, verbrannt, ausgeplündert, nackend fortgejagt, und verhungerten oder erfroren in Wäldern und Höhlen, und nun erst richtete ihre Verwesung Pesten an. Allein auch diese Szenen gingen vorüber und es gelang den Juden, sich in Ludewig des Römers Gunst fester zu setzen wie je, und Kaiser Karl der 4te verstand sich zu gut auf seinen Vorteil, als dass er die Juden hätte vertreiben sollen. Auch Friedrich von Hohenzollern versagte ihnen seinen Schutz nicht. Denn sie bezahlten ihn teuer und fanden Gelegenheit genug, in den damaligen unruhigen Zeiten sich Reichtümer zu erwerben, wobei sie aber von Hohen und Niedrigen verachtet waren.

In Berlin, welches damals mit dem jetzigen Köpenick in einem Range stand, hatten die Juden 1439 noch keinen Kirchhof, sondern mussten ihre Toten nach dem Juden-Kirchhof zu Spandow, — welches wahrscheinlich judenreicher war, bringen. Im 16ten Jahrhundert ereignete sich wieder ein Vorfall in der Mark Brandenburg, der auf das Schicksal dieser Nation aufs neue den nachteiligsten Einfluss hatte. Ein Jude in Bernau hatte einem Kirchendiebe die geraubte Monstranzen und Hostien abgekauft und damit vielleicht einigen Unfug getrieben. Die Sache kam zur Sprache und der ohnehin furchtsame Jude gestand auf der Folter Dinge, die abscheulich aber höchst unwahrscheinlich waren. Das Geständnis war aber hinreichend ihn sowohl wie 35 andere jüdische Teilnehmer in Berlin zu verbrennen. Allein dabei blieb es nicht. Die schreckliche Aussage der Verbrannten erheischte eine Verfolgung, die das menschliche Gefühl empören musste. Sie wurden gezwungen, 151l die fürchterlichste Urphede abzuschwören, „dass Pech und Schwefel auf ihrem Halse gerinnen müsse, wie zu Sodom und Gomorra, dass die Erde sie verschlingen solle wie Datan und Abimra, dass sie aussätzig werden wollten wie Naema etc.“ wenn sie je wieder das Land betreten würden.

Indessen, wie der ewige Jude, durch keine Macht unvertilgbar, waren sie 1541 schon wieder in so großer Masse vorhanden, dass der Magistrat und die Bürgerschaft sich über die zunehmende Anzahl der Juden und die Beeinträchtigung des bürgerlichen Gewerbes durch sie, dringend beschwerten. Der nämliche Fall trat auch bald in allen Städten der Mark Brandenburg ein. Sie scheinen für die glänzende Hofhaltung Joachims II, ein wahres Bedürfnis gewesen zu sein, denn nur da ist der Jude angesehen, wo zerrüttete Finanzen ihn unentbehrlich machen. Joachim nahm verschiedene jüdische Familien wieder auf, welche ihm jährlich 400 fl. Schutzgeld und 3.000 Mark fein Silber in die Münzen von Berlin und Stendal zu liefern versprachen, also nur reiche Juden, aber mit den Reichen schlichen sich auch Arme ein, und diese suchten durch Wucher und Druck begütert zu werden.

Einem Juden Namens Lippold, der aus Prag mit seiner Familie ins Land gekommen war, gelang es sogar, sich so sehr bei dem Kurfürsten einzuschmeicheln, dass dieser ihn zum Oberaufseher sämtlicher Juden in der Mark und endlich sogar zu seinem Kammerdiener und Münzmeister ernannte. Der Jude auf einem solchen Posten ist, wegen seiner Gewalt, doppelt gefährlich. Durch sein viel vermögendes Ansehen und durch seinen Wucher, den er en gros betrieb, zog er sich den Hass der Christen, und durch seine Härte und seinen Druck den Hass der Juden zu. Sein Gönner starb plötzlich an einer auf der Jagd sich zugezogenen Erkältung. Kurfürst Johann George hatte kaum die Regierung angetreten, als eine Untersuchung wider Lippold verhängt wurde. Lippold wusste sich gut zu verteidigen, aber ein albernes Zauberbuch — im Geist der damaligen Zeit geschrieben — gab Veranlassung, ihn als die Ursache des schleunigen Todes des Kurfürsten anzunehmen. Ungeachtet dieser, was keinem Zweifel mehr unterworfen ist, natürlichen Todes gestorben war, so gestand der arme Jude, durch die Martern der Folter gezwungen, alles und mehr noch ein, wie man wissen wollte. Mehr bedurfte es nicht, um ihn (1573) auf dem Neuenmarkte in Berlin zu rädern und seinen Körper zu zerstückeln. Ein fürchterliches Denkmal jenes abergläubischen Zeitgeistes!
Froher konnten die Christen nicht sein, wie die Juden es waren, diese Geißel losgeworden zu sein, allein sie dachten gar nicht daran, dass die Überzeugungen von der Vergiftung des Kurfürsten für die ganze Judenschaft die nachteiligste Folgen haben werde. Nach einigen Wochen erschien der Kurfürstl. Befehl, dass die Juden ohne Ausnahme ihre Habe und Güter verkaufen und nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums das Kurfürstliche Gebiet räumen sollten. Der freudetrunkene Pöbel plünderte sogleich die in der Klosterstraße befindliche Synagoge. Die Auswanderung erfolgte also zum dritten Male. Die meisten gingen nach Pohlen und Böhmen, um desto eher wieder, herein schlüpfen zu können.

An den Ausfall, den die Staats-Einkünfte dadurch erlitten, hatte keiner gedacht, daher kam es denn, dass ihnen 1575 schon wieder ein Privilegium zum Handel und zum Besuch der inländischen Jahrmärkte auf 5 Jahre erteilt wurde. Jedoch blieb es ihnen nach wie vor untersagt, sich in der Mark häuslich niederzulassen. Diese Geleits-Privilegien wurden, versteht sich gegen eine nicht ganz unwichtige Rekognition an Geld, Pferden u. dgl. von Zeit zu Zeit erneuert. Im dreißigjährigen Kriege machten die Juden verschiedene Versuche, die Hofrentei zu hintergehen. Der Erfolg aber davon war, dass ihnen das Geleit gänzlich untersagt wurde. Durch häufige Bittschriften erlangten sie es endlich wieder, dass es ihnen gegen Erlegung einer zwei bis dreimal so hohen Summe für die- Zukunft wieder erteilt würde.

IV. Die Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg.

So war die Lage der jüdischen Angelegenheiten, wie Kurfürst Friedrich Wilhelm der Große, l640 zur Regierung kam. Das zerrüttete Finanzwesen des Brandenburgischen Staats hätte dadurch leicht einige Verbesserung und Unterstützung erhalten können, wenn man den Juden gegen eine bestimmte Summe Geldes wieder Zutritt in die Mark erlaubt hätte; aber der Hass gegen diese Nation war noch zu groß.

Die Polnischen Grenzjuden erhielten aber, besonders auf das verschiedentliche Ansuchen des Polnischen Hofes, der davon wesentlichen Nutzen hatte, die Erlaubnis des freien Handels in der Mark, vorzugsweise aber in der Neumark-Brandenburg, welches in der Folge in den Verträgen mit der Republik und der Krone Polen besonders festgesetzt wurde.

Wenn es den Juden auf dieser Seite schwer fiel wieder in die Mark einzudringen, so waren sie desto häufiger in den neu akquirierten Ländern des Kurfürsten, welchen der Schutz des Staats auch unbedenklich zugesichert wurde; vorzüglich in Eleve, Minden und Halberstadt, und dieses erleichterte der Nation nachher auch wieder den Eingang in die Mark Brandenburg.

In dem Landes-Rezess vom 22sten April 1664 heißt es noch ausdrücklich:

„Mit den Juden haben wir einen besondern Kontrakt „schließen lassen, vermöge desselben ihnen aller Handel „Und Wandel in unsern Kurfürstlichen Landen interdiciret ohne allein in publicis et solennibus nundinis*) in welchen sie doch bei dem Magistratratus loci sich angeben sollen, darüber denn, weil zu solcher Zeit alle commercia civis libera**) sein müssen, niemand eine Klage und Beschwerung zu führen wird Ursache haben. Im übrigen wollen wir ihnen keine fixa domicilia in unsern Landen, noch auch Synagogen verstatten; werden sie auch untüchtige Waren feil haben oder illicitas ufuras ****) treiben, wollen Wir solches mit Ernst zu bestrafen nicht unterlassen. etc.“ Auch wurden die Edikte wider das Hausieren der Juden häufig eingeschärft.

*) d. h. auf öffentlichen Jahrmärkten.
**) d. h. aller Handel der Bürger frei sein muss.
***) d. h. feste Wohnsitze.
****) d. h. unerlaubter Wucher.


Indem trat die allgemeine Juden-Vertreibung in den Österreichischen Staaten ein, da man ihnen dort ähnliche Verbrechen Schuld gab, die zu ihrer Verweisung aus dem Brandenburgischen ehedem Veranlassung gegeben, hatte. Da unter den Vertriebenen verschiedene wohlhabende Familien sich befanden, so beschloss der Kurfürst, vorzüglich auf die Vorstellung seines Residenten in Wien, 40 bis 50 wohlhabende Judenfamilien ins Land zu nehmen, welchen aber keine öffentliche Synagogen erlaubt werden sollten. Jede Familie erlegte jährlich 8 Thaler Schutzgeld und erhielt, die Erlaubnis, gegen Erlegung eines zweijährigen Schutzgeldes, das Land wieder zu verlassen. Die meisten gingen nach Frankfurt, Berlin und Züllichau.

In dem Schutzprivilegium, welches Friedrich Wilhelm diesen Juden 1671 auf 20 Jahre erteilte, gestand der menschenfreundliche Kurfürst den armen Vertriebenen wirklich große Vergünstigungen zu. Z. B. Sie könnten Häuser mieten, bauen und besitzen, wie sie wollten; könnten, nach den vorhandenen Gesetzen, Handel treiben und selbst schlachten; ihre eigene Schullehrer halten; sollten außer den acht Thalern Schutzgeld, die Lasten der übrigen Bürger tragen, dagegen aber von dem Leibzoll befreiet sein, u. s. w. In Berlin wurden ihnen die sogenannten Judenhöfe (in der Kloster- und in der Judenstraße) eingeräumt, aber noch immer keine Synagoge gestattet.

Nicht so ruhig verhielten sich indes die Stände dabei, denn diesen Östreichischen Juden folgten noch weit mehrere heimlich und öffentlich ins Land, und die Untertanen vorzüglich in den Städten fingen an sich zu beklagen, dass sie durch die Juden in ihrer Nahrung beeinträchtigt würden, indem die Juden dem Landmann schlechte Waren natürlich wohlfeiler verkaufen könnten, und bei ihrem Hausieren gewissermaßen aufdrängen; dass sie alle Handelszweige ohne Unterschied z: B. mit Seide, Wolle, Tuch, Leinwand, Kleidern, Schuhen, Fleisch u. s. w. an sich rissen, und die geringen Abgaben, welche sie zu tragen hätten, ständen teils mit denen der Christen teils aber auch mit der Nahrung der Juden in gar keinem Verhältnis. — Allein der Kurfürstliche Bescheid fiel dahin aus, dass er nun einmal den Juden sein Kurfürstliches Wort gegeben habe, und dieses nicht zurücknehmen könne.

Von diesem Zeitpunkte an schreibt sich die jährlich zunehmende Anzahl der Juden in den Residenzstädten und der Mark überhaupt. Den zum öfteren nachher noch eingereichten nachdrücklichen Klagen einzelner Städte und Gewerke, wurde gewöhnlich die Antwort entgegengesetzt: dass die Juden dem Lande doch nicht ganz so schädlich wären, wie es geschildert und dass sie auch mannigfaltigen Nutzen hätten etc. Im Jahre 1672 wurde der bisherige Neumärkische Rabbi Kam zum ersten Rabbi aller in der Mark Brandenburg vergleiteten Juden ernannt.

Der Einfall der Schweden in den Jahren 1674 und 1675 kam vielen Juden, besonders denen in Frankfurt an der Oder teuer zu stehen. Kaum hatten die Schweden sich blicken lassen, so entwichen sie mit ihrem Vermögen, und wie Friedrich Wilhelm der Große das Land wieder gereinigt hatte, kamen sie zurück; allein der Kurfürst nahm ihre Entweichung so ungnädig auf, dass er ihnen eine Strafe von 4.000 Thalern auferlegte, welche sie ohne Weigerung bezahlen mussten. —

Nach und nach suchte die industriöse Nation sich dem Hofe unentbehrlicher zu machen und durch hohe Pachtanerbietungen manche Handelszweige als Monopole an sich zu reißen. Schon im Jahre 1676 erhielt ein Jude, Namens Hartwig Daniel, ein kurfürstliches Privilegium über den Tabakshandel in der ganzen Kurmark-Brandenburg, und man gab die Konsumtion dieses Produkts damals schon auf 100.000 Thaler in dieser Provinz an.

Vorzüglich war es dem Kurfürsten angenehm, dass die reicheren Juden in Berlin anfingen wüste Stellen zu bebauen, da ihm sehr daran gelegen war, dass sie sich ansässig machen sollten, so sehr auch die Landstände dagegen eiferten.

Im Jahre 1774 hatte die Judenschaft in Berlin schon 1 Vorsteher oder Ältesten, ein Beweis dass die Kolonie bereits sehr ansehnlich gewesen sein müsse.

Im Jahre 1682 hatte eine Begebenheit in Berlin schreckliche Folgen für die Juden herbeiführen können. Es entstand nämlich im Februar dieses Jahres ein Auflauf, wegen eines Weibes, welches den Juden ein Kind zum Verkauf angeboten hatte. Das Faktum war unbezweifelt wahr, aber es bewies sich, dass das Weib des Verstandes nicht mächtig war, und dass die Juden unschuldig waren. Einige hundert Jahre früher hätte diese Begebenheit die grausamste Verfolgung veranlassen können.

In dem Jahre 1684 nahm man im eigentlichsten Verstande die Juden erst unter die Klasse der Menschen auf, denn es ward der Leib zoll, den zwar nicht die im Lande wohnenden, aber doch die reisenden Juden bis dahin mit 4 oder 2 Groschen bei jedem Zollhause hatte bezahlen müssen, abgeschafft; eine Einrichtung, die dem Herzen des großen Kurfürsten alle Ehre bringt. —

Wie Kurfürst Friedrich III. zur Regierung kam, hatte die Nation sich unter der Protektion des großen Kurfürsten fast über alle Städte der Kurmark verbreitet. Dennoch blieben noch immer verschiedene übrig, die sich zu ihrer Wiederaufnahme nicht verstehen wollten, z. B. Ruppin, und ab und zu liefen bei Hofe noch Vorstellungen gegen die armen Hebräer ein, die aber aus Politik nicht beantwortet wurden. Vielmehr wurden den Juden in der Kur- und besonders Neumark, wo fast keine Stadt von ihnen befreiet war, 1668 ihre Privilegien gegen eine Summe von 20.000 Rthlr. die aber im nächsten Jahre auf 16.000 Rthlr. ermäßiget wurde, von der Regierung erneuert, ihnen für die Zukunft ferner Schutz zugesichert, und sogar im Jahre 1690 in Berlin, 6 Kramläden verstattet, und dadurch wirklicher Kaufhandel zugesichert; dagegen musste die gesamte Judenschaft in der Mark dem Staate auch wieder 20.000 Rthlr. entrichten.

Die Klagen über das Hausieren auf dem Lande wurden immer allgemeiner und schon fingen die Östreichischen Juden in Berlin an zu fürchten, dass die große Anzahl der Fremden und zum Teil unvergleiteten, die sich in die Residenz eingeschlichen hatten, für sich und ihre Nachkommen besorgt zu werden, so dass sie den Hof baten, keinem Juden in Berlin Aufnahme und Schutz zu erteilen, über den sie nicht zuvor ihre Meinung gesagt hatten.

Ein auffallendes Beispiel, wie verschieden die Magisträte in Absicht dieser Nation dachten, gibt der Rat der Stadt Salzwedel (1693), indem dieser sogar zwei auf dem Perwer vor Salzwedel wohnende Juden in die dortige Kaufmannsgilde aufgenommen hatte, welches aber von Seiten des Hofes ernstlich gerügt wurde, indem zugleich der Befehl erging, beide Juden, ohne Zeitverlust gänzlich wegzuschaffen.

Noch immer hatte Berlin leine öffentliche Synagoge, aber desto mehr Schulen. Auch fing die Regierung, die sich bis dahin um die Heiraten der Juden wenig bekümmert hatte, an, die Verwandtschafts-Grade zu bestimmen, in welchen eine Verheiratung statt finden dürfe, und behielt sich in gewissen Fällen die Dispensation vor. — Dass Friedrich III. in Absicht der Juden doch von andern Grundsätzen ausging, wie sein Vater, beweiset der 1696 an alle Regierungen erlassene Befehl, dass es künftig den Juden untersagt sein solle, Häuser oder Immobilien anzukaufen.

Unter Friedrich dem 3ten kamen verschiedene jüdische Familien in Berlin, aus sehr guten Gründen, in großes Ansehen bei Hofe. Die Prachtliebe des Kurfürsten gab ihnen dazu die beste Gelegenheit, und manche, worunter vorzüglich der Hof-Juwelier Joost Liebmann genannt zu werden verdient, hatten sich unentbehrlich zu machen gewusst. Diese Juden benutzten sehr schlau die Zeitumstände, sich Vorzüge und Freiheit zu verschaffen. — Ungeachtet die Zahl der jüdischen Familien in Berlin sehr angewachsen war, so nahm der Kurfürst im Jahre 1700 doch noch 10 auswärtige wohlhabende Familien, gegen eine Summe von 50 Spez. Dukaten auf.

Dass die zum Christentum übergegangenen Juden in der Regel die größten Widersacher ihrer bisherigen Glaubensgenossen sind, bewiesen um diese Zeit verschiedene Beschuldigungen, welche von einigen solchen Proselyten gegen die Judenschaft ausgestoßen und öffentlich bekannt gemacht wurden. Da sie die Religion der Christen betrafen, so verursachten sie, weitläuftige Untersuchungen, die aber übrigens nicht zu unserm Zweck gehören. Die angeschuldigten erwiesenen und nicht erwiesenen Lästerungen und Verbrechen waren indessen hinreichend die Erbitterung des Volks in einem so hohen Grade zu erregen, dass sie in den kleinen Städten und auf dem Lande kaum ihres Lebens mehr sicher waren und die Regierung um Beschützung anflehen mussten. Ein 1703 erlassenes Publikandum an sämtliche obrigkeitliche Behörden sicherte sie indes gegen Gewalt und öffentliche Kränkungen. Am Ende der weitläuftigen Untersuchung wurde ihnen 1703 durch ein königliches Edikt die Hersagung verschiedener Gebete, und Beobachtung einiger Gebräuche untersagt, und das Ganze beigelegt, der Hass des gemeinen Mannes gegen die Nation aber doch nicht völlig unterdrückt. — Auf ähnliche Art endigten sich alle übrige Untersuchungen gegen sie, da die Regierung tolerant und aufgeklärt genug dachte ihrer zu schonen und die Sache so zu nehmen, wie sie an sich war, da es ihr doch leicht gewesen sein würde, wenn sie die faden Einfälle der Rabbinen zu wirklichen Gegenständen einer strengen Untersuchung hätte machen wollen, den Theologen und dem Volke Veranlassungen zu den glänzendsten Auto da Fé’s zu geben. — Das um diese Zeit von, dem Professor Eisenmenger Herauegegebene Werk: Das entdeckte Judentum betitelt, setzte die Juden aufs Neue in Furcht und Schrecken. Es hatte indes bei dem milder gewordenen Zeitgeiste weiter keine Folgen, als dass es gelesen und vergessen wurde, und in neuern Zeiten ihren Feinden und Widersachern eine Quelle abgab, mit gelehrten, tiefgedachten und mit, von ihnen wenigstens nie gesehenen, Belegen ausgerüsteten Beschuldigungen aufzutreten, die vor kurzem so viel Aufsehen und manche Besorgnis erregten.

Im Jahre 1711 existierte in Berlin schon eine hebräische Druckerei, welche sich vorzüglich mit dem Druck der hebräischen Bibeln und der Kalender in jüdischer Sprache beschäftigte.

Die Verordnungen wegen des Hausierens, wegen der unverleiteten Juden und vorzüglich wegen der fremden Betteljuden wurden verschiedentlich wiederholt. — Bisher hatten zwei Familien in Berlin (Rieß und Liebmann) Privat-Synagogen und Schulen besessen; da dieses aber zu Parteien-Hass und Zwietracht Veranlassung gegeben hatte, so wurde im Jahre 1712 mit dem Bau einer allgemeinen Synagoge der Anfang gemacht, und dieselbe 1714 vollendet, und in Gegenwart des Hofes eingeweihet. Sie ist dieselbe, welche noch gegenwärtig in der Heidereutergasse auf einem besondern Hofe steht.

Im Jahre 1714 erhielten die Juden unter Friedrich Wilhelm I. ein neues Reglement, und sollten nach einem besonders dazu entworfenen Edikte, ein eigentümliches Zeichen tragen, wie dieses von Alters her in verschiedenen Teilen des deutschen Reichs Sitte war. Allein, sie versprachen 8.000 Rthlr. aufzubringen, wenn man sie von dieser, vielleicht nicht so ganz zweckwidrigen, Auszeichnung befreien wollte, und das Edikt wurde unterdrückt. Der König gab verschiedenen Familien, worunter sich vorzüglich der Schutzjude und nachherige Oberhof- und Krieges-Faktor Gumperz auszeichnete, mancherlei Vorrechte, und schützte die Nation im Ganzen genommen in seinen Staaten; aber alle herumlaufende Krämer und Vaganten mussten das Land räumen.

Verschiedene Vorfälle hätten für die Juden sehr leicht üble Folgen haben können, da der König im Innern doch immer eine gewisse Abneigung gegen diese Nation fühlte, die seinen Vater zu so manchen unnötigen Ausgaben verleitet hatte. Der Münzjude Veit hinterließ 1712 nach seinem Tode einen Kassendefekt von 100.000 Rthlr. und durchaus kein Vermögen um ihn zu decken. Da der König argwohnte, dass die ganze Judenschaft Teil daran habe, so ließ er die ganze Kolonie in ihrem Tempel, in Gegenwart des Oberhofpredigers Jablonsky mit dem Bann belegen. Von dieser Zeit an setzte Friedrich Wilhelm großes Misstrauen in die Nation, und ließ jüdische Verbrecher wohl zuweilen härter behandeln, wie er zuvor gtan hatte. Charakteristisch ist noch die kleine Neckerei von ihm, dass die Juden gezwungen waren, eine gewisse Anzahl wilder Schweine nach der festgesetzten Taxe zu nehmen, wenn deren bei den großen Saujagen, die er um Weihnachten anzustellen pflegte, eine große Menge, die sich öfters auf mehrere tausend belief, geschossen waren.

Übrigens gab Friedrich Wilhelm den Juden sehr strenge Gesetze, in Absicht der Errichtung ihre Abgaben, des Ankaufens gestohlener Sachen, der Prozente und Zinsen, der Wechselangelegenheiten u. s. w. Im Jahre 1728 hob er das Schutzgeld der Juden auf, und befahl, dass die Juden in seinen Staaten, statt desselben, jährlich 15.000 Rthlr. und außerdem noch 4.800 Rthlr. zur Rekruten-Kasse bezahlen sollten. Bei Gelegenheit der Reparation dieser Summe zählte man in dem ganzen Preußischen Staate 1191 Familien, welche etwa (5 Menschen auf die Familie angenommen) 5.955 Köpft ausgemacht haben können.

Im Jahre 1730 gab Friedrich Wilhelm das erste General-Juden-Privilegium und ein Reglement für die Juden in dem ganzen Staat. In demselben Jahre ward ihnen erlaubt mit Tabak und Farbewaren zu handeln, aber 1738 wurde ihnen dagegen untersagt, wollene Waren zu fabrizieren, noch damit zu handeln. Um diese Zeit müssen sich sehr viele fremde Juden in Berlin eingeschlichen haben, weil über ihre Zunahme häufig Klagen geführt wurden.

Friedrich II., der 1740 den Thron bestieg, konnte sich in den ersten Jahren seiner Regierung nicht viel um die jüdische Nation bekümmern, aber nach dem zweiten schlesischen Kriege richtete er auch sein Augenmerk auf sie, und fand, dass ihre Ausbreitung eingeschränkt werden müsste, wenn sie dem Handel und dem Gewerbe der Christen nicht nachteilig werden sollten. In Gemäßheit dieser Grundsätze erschien 1750 ein neues revidiertes General-Privilegium für die Juden, in welchem die genauesten und strengsten Bestimmungen in dieser und andern Hinsichten enthalten sind. Friedrich war fest entschlossen ihre Anzahl nicht zu vermehren, und schlug daher alle Anträge zu Privilegien ab. Im Jahre 1752 befahl der König, dass die Schutzjuden-Familien in seinen Staaten nicht nach Familien, sondern auf eine gewisse Anzahl von Köpfen festgesetzt werden sollten, und sobald wie diese überstiegen, sollten die geringsten und liederlichsten aus dem Lande geschafft werden. Indessen, auf inständiges Bitten der Judenschaft, wurde diese Verordnung im nächsten Jahre wieder aufgehoben, doch bald darauf befohlen, dass jährlich förmliche Tabellen von den Schutzjuden angefertigt und eingereicht, und dass, unter keinem Verwände, das Einschleichen neuer Familien in den Landstädten erlaubt werden sollte.

Dennoch übergab der König gewissen jüdischen Familien das Münzwesen, und die Verschlagenheit und Feinheit der Juden machte, dass Friedrich alle Ursache hatte, mit ihnen zufrieden zu sein. Von dieser Zeit an dachte er gegen seine jüdischen Untertanen, die ihm nunmehr besondere im Kriege wesentlichen Nutzen gebracht hatten, weit milder und toleranter. Er erteilte nach und nach verschiedenen Familien die Rechte eines christlichen Bankiers, nebst der Erlaubnis zum Häuser-Ankauf und zum Etablissement ihrer Kinder. Dadurch entstanden ansehnliche jüdische Häuser in Berlin, welche zum Teil noch, beträchtliche kaufmännische und unstreitig die wichtigsten Wechselgeschäfte machen. Sogar soweit ging Friedrich, dass er verschiedenen Familien den Ankauf eines adligen Landgutes erlaubte. Kurz, von der Zeit an leben die Juden, wenn man die Amsterdammer ausnimmt, seit ihrer Zerstreuung in keinem Staate so glücklich und uneingeschränkt, wie im Preußischen.

Die reichgewordenen jüdischen Familien unternahmen darauf, nach dem Wunsche des Königs, Fabriken und Manufakturen, die bis dahin im Lande noch gefehlt hatten, vorzüglich von seidenen Waren, Stoffen etc. und wandten auf diese Art die im Kriege erworbenen Summen zum Nutzen des Staats an, und man sah nunmehr in und ausserhalb Berlin die wichtigsten Fabriken aufblühen und gedeihen. Gleich darauf übertrug der König der gesammten Judenschaft die Silberlieferung für seine Münzen, wobei sie freilich keinen großen Vorteil haben soll, und befahl, dass ein jeder jüdische Fabrikant jährlich eine gewisse Summe einländischer Fabrilwaren außerhalb des Landes absetzen solle, wogegen denn besonders die Ansetzung des zweiten Kindes begünstigt ward.

Dadurch hatte der große Friedrich den bisher unerfüllten Zweck erreicht, den jüdischen Untertanen eine bestimmtere Tätigkeit anzuweisen und sie für das Land nützlicher zu machen. Dagegen widersetzte er sich mit allem Ernst, wenn ein Jude eine Beschäftigung wählte, die seinen christlichen Untertanen allein vorbehalten sein sollte.— Bald darauf bestimm te er die Sätze und Preise, nach welchen den Juden in Berlin und in den großen und kleinen Städten ein neues Schutz-Privilegium, erteilt werden sollte.

Bei der Regie-Errichtung liefen unaufhörlich Klagen über die Feinheit und List der Juden in Absicht des Schleichhandels bei ihm ein. Sogleich befahl er, dass alle dergleichen Kontravenienten nicht allein mit aller Strenge nach den Landesgesetzen bestraft, sondern auch überdies Ihres Privilegiums verlustig gehen sollten. Würde aber dessen ungeachtet dieser ihm höchst missfällige Handel nicht unterbleiben, so dürfte er sich entschließen, sämtliche Juden aus seinen Landen verweisen zu lassen.

Im Jahre 1769 ging Friedrich mit seinen Absichten in Betreff der zum Christentum übergegangenen Juden noch weiter, indem er die menschenfreundliche Verordnung bekannt machte, dass es den Handwerken und Zünften auf keine Weise nachteilig sei, junge Juden, welche die christliche Religion angenommen, auch ehe sie noch getauft worden, in die Lehre zu nehmen. — Bei den folgenden Regierungen ist dieses sogar auf die jüdischen Individuen selbst ausgedehnt, und die einzelnen Provinzial-Behörden haben sogar Prämien ausgesetzt, wenn christliche Handwerker junge Juden in die Lehre nehmen; bis jetzt hat es aber, wenn man allenfalls Schlesien ausnimmt, aus einem, auf Seiten der Juden beruhenden und hinlänglich bekanntem, Grunde, wenig Erfolg gehabt.

Bei vielen Gelegenheiten äußerte und befolgte indes Friedrich II. den Grundsatz: dass eine Vermehrung der Juden dem Staate keinen Nutzen, sondern vielmehr Nachteil verschaffe, wenn sie sich nicht zu Manufakturen und andern Geschäften bequemen wollten, die dem allgemeinen Besten angemessen wären.

Kurz, die jüdische Nation muss das Andenken eines Mannes segnen, der ihnen, während seiner Regierung, eine von der vorigen so verschiedene und weit freiere und blühendere Lage verschafft hatte. Jeder öffentliche Druck war, bei seiner toleranten Denkungsart, gänzlich weggefallen; ihre Geschäfte und ihre Erwerbszweige hatten sich veredelt und vermehrt, ihre Lebensart und ihre Sitten sich verfeinert und dadurch der Kolonie einen höhern Grad von Achtung und Würdigung verschafft, so dass der gebildete Jude nicht leicht in einem Staate so große Rechte und Achtung genießt, wie in den unsrigen.

Friedrich Wilhelme II. Regierung war nicht weniger wohltätig für die Judenschaft. Schon im zweiten Jahre seiner Regierung (1787) befreiete er nicht nur die Juden in seinen Erbstaaten, sondern auch die fremden Handelsjuden von dem, diese Nation so belästigenden als entehrenden, Leibzolle, befreiete auch die Schutzjuden von der ihnen von Friedrich II. auferlegten Exportation des Berliner Porzellans, ohne ihnen dafür eine andere Abgabe aufzulegen. Vorteile, die sie unter der vorigen Regierung nicht hatten erlangen können. Wenn Friedrich II. nur mit einigen Familien eine Ausnahme machte, so erteilte sein menschenfreundlicher Nachfolger den Juden sogar die Erlaubnis, Güter auf dem Lande an sich zu bringen, und befahl dass man sich in den Verfügungen an einige wohlhabende jüdische Häuser des Worts: Jude, nicht bedienen, sondern sie als christliche Bankiers benennen und behandeln solle. In welchem andern Staate genießen jüdische Subjekte wohl solche Vorzüge?

Auch unter der gegenwärtigen milden und gerechten Regierung König Friedrich Wilhelme gedeihet die jüdischen Nation, ohne dass die Rechte irgend eines Standes darunter geschmälert würden, der Schutz an, den alle Untertanen unsere Monarchen genießen. Und gewiss wird der Zustand der Judenschaft, wenn die Regierung ihre wohltätigen Absichten erreicht, und ihr die Kolonie selbst nicht Hindernisse in dm Weg legt, einst noch besser und beglückender für sie werden.

So weit die historische Schilderung des Zustandes dieser Nation seit ihrer ersten Erscheinung in der Mark Brandenburg und der Residenzstadt Berlin. Jetzt mögen aus authentischen Quellen die Listen von den wirklichen Zählungen der jüdischen Individuen folgen, und zwar von den frühesten Zeiten an, so weit diese Zählungen zurück gehen, woraus sich denn ergeben wird, wie stark und in welchen Verhältnissen die Judenschaft sich bisher vermehrt habe.

Tabelle von der Judenschaft in Berlin.

1688*) 200
1700**) 560
1714***) 645
1743 1850
1754 2510
1763 3297
1786 3363
1797 3552
1801 3549
1803 3636

In der Tabelle des Jahres 1740 ist auf die Juden nicht besondere Rücksicht genommen worden. Die Zunahme ihrer Anzahl seit dem Regierungsantritt Friedrichs des Großen ist in die Augen springend. Friedrich Wilhelm I. fand nur 645 Köpfe vor, und gewiss können wir unter ihm eine Verdoppelung annehmen, aber unter Friedrich dem Großen, (von 1743

*) Eigentlich 40 Familien, die Familie zu 5 Personen gerechnet, ungeachtet dieses für die Juden fast zu wenig ist, gibt 200 Individuen.
**) Eigentlich 112 Familien.
***) Eigentlich 129 Familien.


an gerechnet) innerhalb 43 Jahren, vermehrte sich die Kolonie um 1513 Kopfe; unter Friedrich Wilhelm II. binnen 13 Jahren nur 168, und von dessen Tode bis zum Anfang des gegenwärtigen Jahres, um 104 Köpfe. Im 7jährigen Krieg,, der für die Judenschaft in Berlin nicht ganz unwohltätige Folgen hatte, haben sie sich unm 787 Individuen vermehrt. Nimmt man nun einen Durchschnitt von 1743 an, so gibt dieser eine jährliche Vermehrung von etwa 28 Personen, und könnte Man diese Zunahme, in der Art, bis zum Jahre 1839 voraussehen, so würde die Judenschaft sich binnen 136 Jahren verdoppelt haben, und auf siebentausend vierhundert Köpfe in Berlin angewachsen sein. Dieses wird etwa verhältnismäßig mit der jahrlichen Vermehrung der ganzen Volksmasse Berlins gleichen Schritt halten, und das ist es doch wohl, was die, in Hinsicht der Judenschaft gegebenen, Gesetze bewirken wollen.

Tabelle von der Judenschaft in der Mark Brandenburg.

Im Jahre Kurmark Neumark Summe
1700 1440 1160 2600*)
1750 3842 1114 4956
1800 5748 1889 7637

*) Beruht wieder auf Berechnungen, indem in der Kurmark 248 und in der Neumark 232 Familien gezählt waren.

Die Kurmark hat also gegenwärtig vier mahl so viel Juden, wie vor hundert Jahren. In der Neumark haben sie sich verhältnismäßig sehr wenig vermehrt. Das große Plus der Kurmark rührt indessen einzig und allein von Berlin her, worin sich beinahe zwei Dritteile der ganzen Kurmärkischen Judenschaft befinden. Dessen ungeachtet hat die Neumark doch verhältnismäßig mehr jüdische Individuen, denn in der Provinz kommen 9 Juden, in der Kurmark aber, mit Ausschluss Berlins, nur 5 mit Einschluss Berlins freilich 13 Juden auf jede Quadrat-Meile. In der Neumark zeichnen sich vorzüglich die Städte Königsberg, Friedeberg und vorzüglich Landsberg (welches letztere allein 338 Köpfe in seinen Mauern zählt) durch starke jüdische Kolonien aus. Unter den Kurmärkischen Städten hat Frankfurt an der Oder die meisten, denn man zählte daselbst im Jahre 1800 591.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Preußisch Brandenburgische Miszellen