Zur Geldfrage

Archiv für Landeskunde in den Großherzogtümern Mecklenburg und Revue der Landwirtschaft. 1857
Autor: Redaktion, Revue der Landwirtschaft 1857, Erscheinungsjahr: 1857
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Geldfrage, Banken, Spekulation, Kredit, Zins, Wucher, Geldmarkt, Bankgeschäft, Profit, Aktien, Sicherheiten
Die Geldfrage ist für alle zivilisierten Menschen wichtig, da selbige, wenn sie auch in zwei Klassen — Habende und Habenwollende sich teilen, doch sehr wenig in den Meinungen über den Wert des Besitzes, insbesondere auch des Geldes — abgesehen von Agio und Kursen — abweichen und sich deshalb auch — so weit sie gesittet sind — nicht gegenüberstehen. Sehr wichtig und sehr intrikat ist dies Thema wie der vorstehende etwas verschnürte Satz abzuspiegeln nicht verfehlen wird. Mag man die Sache aber ansehen, von welcher Seite man will, die Geldfrage hat immer ihr Publikum, und sobald sie in Zeitschriften erörtert wird, ein anständiges, wenn sie umfänglich behandelt wird, das beste Publikum. Ist dies der Fall, so gibt es kein Thema, welches so wenig wegen seines Oftkommens Entschuldigung bedarf, kein Thema, welches man so getrost aufs Neue besprechen könnte. Wagen wir's darauf.

Im Januarhefte des „Archiv“ findet sich eine Abhandlung über den Geldmarkt und die Wuchergesetze, der das Verdienst zukommt, die betreffende Frage namhaft gelichtet zu haben, und die Neigung erweckte, auf ihren Ermittelungen weiter zu bauen. Um dies zu können, müssen wir zunächst versuchen, einige Dinge auf ihre Ursprünglichkeit zurückzuführen. Was sind z. B. Banken? Weiter nichts, als Geldverkauf und Einkaufgeschäfte. Als Lord Waterfood vor einigen Jahren wettete, er wolle den ganzen Tag mit ächten Guineen, drei für'n Pfennig, auf dem Trödelmarkt aussitzen und werde wenig Abnehmer finden, da hasardierte er ein unglückliches Bankgeschäft, bei welchem völliger Geschäftsstillstand der beabsichtigte größte und glücklich erreichte Erfolg war. Seitdem sind viele Banken aus ganz entgegengesetztem Standpunkte und gewiss mit eben so entgegengesetztem Erfolge begründet worden. In Frankreich eröffnete der Credit mobilier den Reigen mit Glanz; er gab entzückende Dividenden. Die gründlichen Deutschen legten — auf weit soliderer Grundlage, nach geläuterten Prinzipien — ebenfalls Banken an, wählten Direktoren von klassischem Rufe, zahlten solche mit Splendidität und — es kam nichts nach der Geschichte.*) Sie war — fast hätten wir gesagt, zu tugendhaft arrangiert. Der Verkehr fordert Beweglichkeit, Leichtigkeit, Raschheit, Unternehmungsgeist und scharfblickende Berechnung. Nur letztere war vorhanden. Es ward aber mit solcher Umsicht und Gründlichkeit berechnet, dass darüber die Zeit hinging, und hatte man endlich den Plan fertig, war an das Unternehmen längst nicht mehr zu denken. Wir haben geschichtlich manche Pendants zu dieser Erscheinung, z. B. den ehemaligen Hofkriegsrat in Wien, der selbst den genialsten Feldherren das Schlachtengewinnen schwer, oft unmöglich machte, vor lauter Kriegswissenschaft und Besonnenheit. Man kann noch näher greifen: in Deutschland werden Bankfragen in Art der Verfassungsfragen behandelt; sie werden reizlos, unpraktisch; es kommt mithin in Wirklichkeit nichts darnach. Wohlverstanden sollen nur die Credit Mobilier-Erwartungen, die man in Deutschland an die Banken zu knüpfen kindlich genug war, mit diesem „Kommt nichts darnach“ zur Ruhe geleitet sein. Sollte indessen Jemand sichere Bürgschaft für die Unwahrheit dieser Ansicht neben einer in allen Beziehungen garantierten Dividende uns bieten, geben wir sie sofort auf und machen ein Geldgeschäft mit ihm; aber sichere Realbürgschaft! Für glänzende Aussichten haben wir nicht die mindeste Einsicht.

*) Nachdem gegenwärtiger Artikel bereits vor einigen Wochen bei der Redaktion eingegangen war, lesen wir in einem Hamburger Blatte Folgendes: „ ... Übrigens lässt sich nicht leugnen, dass das Vertrauen in die Rentabilität beider Banken“ — der Norddeutschen und Vereinsbank zu Hamburg — „ebenso wie in die Dispositionsfähigkeit der leitenden Direktoren derselben, beim intelligenten Teile der Hamburger Kaufmannschaft arg erschüttert worden ist. Die hohen Verwaltungskosten und Gehalte der Direktoren und Subdirektoren nehmen augenscheinlich den größten Teil des Reingewinnes in Anspruch, wenn man keine gewagten Unternehmen zu machen gedenkt. Der Misskredit, der die Aktien trifft hat, wenn nicht alle Anzeichen trügen, noch seinen niedrigsten Moment nicht erreicht.“

Die Nachricht, dass künftig die Banken nicht die größeren Kapitalien mehr einschlucken, ist von großer Wichtigkeit für Mecklenburg; denn dann bleiben die Gelder in den Gütern, und der Zinsfuß, den die Gutsbesitzer geben, steigert sich nicht. Auch die Kreditbankaktien, nicht bloß die Leipziger, sondern sogar die Dessauer, sind namhaft heruntergegangen. Mithin ist Aussicht auf Geld und auf kein naheliegendes Steigen der Zinsen in Grundstücken.

Alle Banken, als Unternehmungen, Assoziationen für großartigen, direkten Betrieb von Handelsgeschäften, haben in Deutschland anscheinend keinen Erfolg. Dagegen die Banken, die, was wir Ursprünglichkeit nennen, den Geldhandel, den Geldumsatz, die Versur von Valabilien gegen Baar und umgekehrt, rasch und ohne große Kosten ermöglichen, die passen zum Deutschen, da sie der Bedenklichkeit Abhilfe, der Schwerfälligkeit Rührigkeit bieten. Es gibt in keinem Lande so viele gescheite Leute, als in Deutschland. Wir kennen Geschäftsmänner, die 25 Jahre die gewinnreichsten großartigsten Spekulationen unterließen wegen eines Aber. Dies Aber betraf das Wenn, welches in voller Größe so lautete „wenn Verlegenheiten entstehen sollten.“ Es ist dies ein Schrecken jedes gewissenhaften, soliden Geschäftsmannes. Diese Dynastie hat aber aufgehört, vermögende Untertanen zu haben, seitdem Banken vorhanden sind, die dem Vermögenden zuverlässige Gelegenheit bieten, Geldsummen erheben zu können; auf wie lange, unter welchen Bedingungen, das ist mehr Nebensache. Die Hauptsache ist und bleibt, dass die Banken Sicherheit geben, in ihnen Auskunftsmittel auf rein geschäftlichem Wege da zu finden, wo man sich sonst auf privatem Wege darum bemühen musste und sich nicht bloß leicht umsonst bemühte, sondern sogar „schändlich kompromittieren“ konnte.

Dieser so eben entwickelte „schändliche Kompromiss“. war auch das Gebäude, auf welchem eine Giftpflanze wucherte, nämlich: der Wucher. Dieser bestand darin, dass Verlegenheiten blutsaugerisch ausgebeutet wurden. Der auf der fruchtlosen Geldjagd Ermattete fand Ruhe und Kühlung, gewann kurzen Schlaf durch eine Anleihe, bei der ihm sein Kreditor terminmäßig das Blut aussaugte. Durch die Banken kann sich Jeder, der Vermögen oder nur einige vermögende Freunde hat, die durch ihre Unterschrift für seinen Kredit einstehen, wider solch Missgeschick ziemlich sichern.

Wer aber das nicht kann? — Gerade herausgesagt: der darf sich nicht anmaßen, Geschäfte, am wenigsten Geldgeschäfte, machen zu wollen. Man muss Vermögen haben, mindestens guten — es gibt auch schlechten — Kredit, um hier mitzumachen. Es ist ein Unglück für den Verkehr und für die Gesellschaft, wenn Unvermögende leicht Gelegenheit finden, Geschäfte die zu ihrem Betriebe Geldmittel erfordern, zu unternehmen. Dadurch kommen jene Unternehmungen auf, deren Inhaber Nichts zu verlieren haben, mit denen der solide Geschäftsmann nicht konkurrieren kann, die ihm unendlich schaden und in kurzer Frist den Inhaber selbst stürzen. Ob der Wucher da mitfrisst, wo doch ringsum Verderben in Aussicht, das scheint nicht von großem Belange. Geschäftsnot ist im Allgemeinen keine ächte Not, und ist sie das nicht, so hat sie auf gesetzlichen Halt und Schutz keinen Anspruch. Andernteils muss Geschäftsnot den Wucher ver- und ertragen können. Wir sind mit dabei gewesen, dass mit Vergnügen 7 Prozent Zins gegeben wurden, wo mit der Anleihe binnen kurzem 10 Prozent zu verdienen waren.**) Geschäfte, die den Wucher, dem sie anheimfallen, nicht besiegen, dürfen entweder an sich, oder von dem Unternehmer, der sie hiergegen nicht halten konnte, nicht gemacht werden.

**) Das Archiv im Dezember-Heft, pag. 713, gibt hierzu einen hübschen Fall.
Völlig verkehrt scheint es, die Zinsfrage mit dem Wucher in Verbindung zu bringen. Wenn man die meisten älteren Wuchergesetze, Zinsbestimmungen und Verbote betrachtet, so ergibt sich bald, dass die meisten die Zinsen als eine Abnahme vom, also als einen Eingriff in und einen Angriff an das Kapital angesehen haben. An dieser lindlichen Auffassung litten, beiläufig bemerkt, auch Viele, die in neuerer Zeit pathetisch wider die Zinsen aufständisch wurden. Diese Ansicht ist so verkehrt, als nur zu denken ist. Der Zins mag immerhin nach einem gewissen Kapitalbetrage — meistens nach 100 — berechnet werden; er hat aber mit dem Kapitale selbst nichts zu tun: er ist das Erzeugnis desselben. Ist dies, wie wir glauben, richtig, so ist nicht abzusehen, weshalb darin Schranken gesetzt werden sollen, dass Jemand Kapital, unter der Aufbürdung, daraus einen beliebig hohen Ertrag zu machen, und verhältnismäßig von diesem als Miete des Kapitals zu zahlen, anleihet. Wenn sich Jemand 100 Rth. zu 7 Rth. jährlich mietet, dawider sollte der Staat eben so wenig mit Strafe einschreiten, als er bis jetzt dawider einschritt, wenn Armen Kartoffelacker zu 16 Schilling die Rute vermietet und den nicht prompten Mietszahlern der Acker mit ihrer Bestellung schon nach 6 Wochen am Verfalltag — loco poenae conventionalis, spricht der Lateiner — also samt inzwischen gemachter Einsaat und sauer verwendetem Schweiße, ohne Weiteres wieder abgenommen und jetzt zu 32 ßl. zum zweiten Male verpachtet wird.


Wir sind hier zu der leidigen Frage gekommen: Darf dem Armen denn jeder beliebige Zins abgenommen werden? — Es hat diese Frage eigentlich keine Antwort, weil es Unsinn ist, dem Armen Geld zu leihen.

Man missverstehe diesen Ausspruch nicht. Er musste hier in dieser rein merkantilischen Erörterung so fallen: wir wissen sehr wohl, dass unabweisbare Pflicht sittliche Notwendigkeit werden und sein kann, was in logischer Beziehung oft nicht zu rechtfertigen ist. Wir können uns aber zu einer ernsthaften Untersuchung der Frage, wie viel Thaler Zinsen man Den zahlen lassen dürfe, der keinen Pfennig im Vermögen hat, nicht hergeben — und insoweit dies richtig ist, insoweit müssen alle Gesetze wider den Wucher fallen, die durch Normierung des Zinsfußes Heil schaffen wollen und sollen.

Diese Erörterungen sind hier auf dem freilich etwas unheimlichen Wege bestehenden Ansichten Streit zu bieten. Es kann aber Nichts helfen, noch ein naheliegender, vielfach übersehener Satz muss aufgestellt und behauptet werden, nämlich der, dass man, um zu sparen, reich sein muss oder krank.

Es hat uns nie gelingen wollen, zu begreifen, wie Der, der Nichts übrig hat, etwas zu sparen vermöge. Gespart kann vernunftmäßig nur Das werden, dessen Verbrauch unnötig und dessen betriebsmäßige Verwendung unmöglich. Wer Geld hat, mit dem zu arbeiten er unfähig ist, der finde Gelegenheit, zunächst es Anderen möglichst hoch zu vermieten, unmittelbar Anderen, die damit zu arbeiten vermögen. Hierauf laufen die Resultate der Abhandlung im Januar-Hefte sehr richtig hinaus. Besser, als durch Kredit-Einrichtungen möchte noch durch Arbeits- und Erwerbs-Einrichtungen zu fördern sein. Immerhin ist der Rentier, der 25 Rth. zu 3 ½ Prozent in der Sparkasse hat, respektabler, als der, welcher gar Nichts auf Zinsen hat — wenn man aber den Bankzins auf 7 Prozent, also aufs Doppelte, gesteigert und willig benutzt sieht, so möchte eine Vermittelung dieser Extreme heilsam sein.

Wer nicht erwerben kann, ist — wie gesund er sonst sein mag — nationalökonomisch krank, er mag, was er nicht aufbraucht, Anderen lassen, mag schonen, sparen aufs Äußerste. Wenn aber, wer erwerben könnte, daran durch Verhältnisse gehindert wird, also krank sein muss, der wird untergehen, oder das Weite suchen und sich in eine andere Lage versetzen müssen. Im ersten Falle erhält der Staat eine Last, im zweiten leidet er einen Verlust. Wir wollen hier es bei diesen Andeutungen bewenden lassen.

In einer früheren Erörterung über Wuchergesetze, die das Archiv für 1855, Seite 53—55, brachte und die an verschiedentlicher, gründlicher Unklarheit leidet, war wenigstens Das verständig aufgefasst, was über Sparkassen dort gesagt ist. Der Kern jener Erörterungen liegt in dem freilich empfundenen, aber dort nicht herausgestellten Satze, dass Anstalten, welche dienen, das kleine Kapital zu sammeln, aus der Mitte der arbeitenden und gewerbetreibenden Klassen zu ziehen, schädlich wirken. Sie schaffen ein Proletariat. Es lässt sich nachweisen, dass in dem Grade, als die Sparkassen dem Volke die Mittel, anders als durch körperliche, durch Tagelohns-Arbeit zu existieren, entzogen, dasselbe ausgeartet ist und ausarten musste. Sogar die Arbeit begann zu fehlen, weil die entzogenen Geldmittel dem großen Kapital zugeführt wurden, dessen Inhaber zu groß sind, um Geschäfte zu machen, bei denen Tagelöhner Arbeit finden. Es ist ein Missgeschick, viele Kräfte durch Konjunkturen auf bloße körperliche Arbeit, auf bloßes Broterwerben von Tage zu Tage angewiesen zu sehen — Anstalten, die dahin führen, dem großen Kapital das kleine Kapital unwiederbringlich zuzuführen, sind schädlich, weil der große Reichtum, den sie eben fördern, für das breite Elend, das sie mittelbar verursachen, in keiner Weise Ersatz und Sicherung bietet.***)

***) Die allerdings schon verschiedentlich von Nationalökonomen aufgeworfene Frage, ob der Nutzen von dem nicht zu leugnen, eben angedeuteten Nachteil der Sparkassen aufgewogen werde, ist hier doch etwas zu hypothetisch abgetan, um eben mehr, als eine Hypothese gelten zu können.