Zur Erinnerung an Friedrich Pogge auf Zierstorff

Mecklenburgisches Volksbuch für das Jahr 1846
Autor: Schnelle, S. Dr. (?) auf Buchholz, Erscheinungsjahr: 1846
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Fritz Pogge, Mecklenburger, Mecklenburg, Gutsherr, Landwirt, Bauernversammlung,
Das war ein tüchtiger Mann, der Fritz Pogge, dessen Bild unser diesjähriges Volksbuch bringt. Wir sehen zwar kein Band in seinem Knopfloch, kein Kreuz und keinen Stern auf seiner Brust, auch ist er schlechtweg nur Fritz Pogge ohne Titel und Staatsamt — und doch hat dieser Mann nicht in Mecklenburg allein, sondern auch weit über dessen Grenzen hinaus eines Ansehens und einer Liebe genossen, deren sich nicht bloß in unserer Zeit, sondern überhaupt wenige Mecklenburger rühmen können.
Aber wodurch war denn Pogge der populärste Mann im Lande geworden? — Durch seinen gesunden Menschenverstand, vor dem kein Vorurteil Bestand hatte und der sich kein X für ein U machen ließ; durch sein Herz, welches jeden Druck und jede Ungerechtigkeit, die seinen Nebenmenschen widerfuhr, mit empfand; durch die Macht seines Willens, der von dem einmal für recht und zweckmäßig Erkannten nicht wieder abließ und nicht wich und wankte, bis er sein Ziel erreicht.

Fritz Pogge war ein echter Mecklenburger, ein Mecklenburger durch und durch, und doch vergaß er keinen Augenblick, dass er ein Deutscher sei. So musste er wohl der volkstümlichste Mann werden, den Mecklenburg seit langer Zeit gehabt. In ihm waren alle Eigenschaften, welche den Mecklenburger gerade zu dem machen, was er ist, in höchster Blüte und in schönster Harmonie vorhanden. Sinnig und launig, gemein und niederträchtig, wie unser Bauer das nennt, praktisch und doch schwärmend für seine Ideen, vor dem Entschlusse zaudernd, nach demselben zähe, ein geborner Feind alles affektierten, gezierten und hochmütigen Wesens, so war unser Pogge. Merkwürdig war es, wie Theorie und Praxis in ihm völlig zusammenfielen; was er für gut und zweckmäßig hielt, was ihm zu reformieren oder abzuschaffen schien, das griff er ohne langes Bedenken und Besinnen sofort an, auch wenn der Sieg noch so zweifelhaft schien. „Wer da weiß, Gutes zu tun, und tut's nicht, dem ist Sünde,“ dieser Bibelspruch wäre die beste Devise für ihn gewesen. Und er verzweifelte nie am Erfolge, er wusste immer die Sachen anzufassen, denn es trieb ihn unwiderstehlich und unaufhörlich zur Verwirklichung seiner Ideen.

Seine Wirksamkeit war eine dreifache und in jeder ist er von großem und segensreichen Einfluss auf unsere Zustände gewesen. Er hat als Landwirt, als Landstand und als Freund der geringeren Landleute Epoche gemacht, und Mecklenburg verdankt ihm sehr Vieles von dem, was es in diesen Beziehungen Gutes hat und Gutes noch hoffen darf.

Betrachten wir nun zunächst seine landwirtschaftliche Wirksamkeit.

Es ist allgemein anerkannt, dass erst in den letzten 30 Jahren eine allgemeine und nachhaltige landwirtschaftliche Industrie in Mecklenburg sichtbar geworden ist. Was früher für diese Industrie geschah, waren vereinzelte Bestrebungen, die um so weniger Nachahmung fanden, als sie häufig mit dem Ruin oder doch mit Verlusten der Unternehmer endeten. Pogges heller praktischer Verstand aber wusste das Richtige aus jenen verunglückten Bestrebungen herauszufinden und mit der Energie, die ihm eigen, das für richtig Erkannte auf die zutreffendste Weise auszuführen. Zunächst hinsichtlich der Schafzucht. Rückkehrend von einer im Jahr 1814 nach Holland und England unternommenen Reise, sah er die auf wunderbare Weise dem Schlachtmesser entronnene echte Merinoherde des Baron Grote. Dieselbe war vom Kaiser Napoleon in das ehemalige Königreich Westfalen zur Hebung der dortigen Schafzucht geschickt, aber im Kriegsgetümmel schon auf dem Wege ins Lager gewesen, um dort zu Kochstücken zerhauen und verspeist zu werden. Pogge sah diese Herde mit dem Blicke des Land- und Volkswirtes. Er erkannte sogleich, welcher Vorteil dem Lande erwachsen müsse, wenn es statt seiner Schmierschafe echte Merinos besitze, und wusste, nach Hause zurückgekehrt, auch seinen Bruder für die Idee, einen Stamm echter Merinos in Roggow aufzustellen, so einzunehmen, dass der Vater dem Drängen der beiden Söhne nicht widerstehen konnte. Es wurden also zwei Böcke (unter ihnen der für die mecklenburgische Schafzucht so bedeutend gewordene Napoleon) aus der Herde des Baron Grote und eine Herde von Merinoschafen aus der fürstlich Lichnowsky'schen Stammschäferei gekauft. Diese Stammherde ist es, die für den Nationalwohlstand Mecklenburgs von unermesslichen Folgen gewesen. Ähnlich war freilich schon früher der Oberjägermeister von Moltke auf die Hebung der mecklenburgischen Schafzucht bedacht gewesen, aber leider nahmen alle Unternehmungen dieses trefflichen Mannes durch Missgeschick, Ungunst der Menschen und der Verhältnisse, vielleicht auch noch aus andern Gründen ein trauriges Ende, und auch seine Stammherde von Merinoschafen ging gänzlich zu Grunde. So ist also Pogge als der Gründer der edlen Schafzucht in Mecklenburg zu betrachten, und wenn auch sein noch lebender jüngerer Bruder in der Folge mit besonderer Vorliebe für dieselbe gewirkt hat, so hat jener doch in dieser Sache den ersten nachhaltigen Impuls gegeben.

Gleiches, wenn nicht noch größeres Verdienst hat sich Pogge um die Pferdezucht erworben. Er heißt davon der Pferde-Pogge. In diesem Zweige unterstützte ihn vorzüglich der leider zu früh verstorbene Baron von Biel, mit welchem er gemeinsam und fast in Allem von gleichen Ansichten ausgehend, das Ziel der möglichsten Vervollkommnung unserer Pferdezucht verfolgte. Pogge war selbst ein tüchtiger Reiter und ein Liebhaber von Pferden. Den ersten Grund zu seiner hohen Kennerschaft in dieser Hinsicht legte er dadurch, dass er seinem Vater 1813 bei Lieferung der Pferde für das Walmoden'sche Corps assistierte. Auch die Pferderennen in Mecklenburg verdanken Pogges und Biels vereinten Bemühungen ihr Entstehen, und wenn auch ältere Landleute das „alte, echt mecklenburgische Pferd“, welches bereits fast ganz verdrängt ist, immer noch sehr zu preisen pflegen, so wissen wir doch alle, dass Mecklenburgs Pferdezucht zur Zeit auf einem Standpunkte steht, der den Neid des Auslandes erregt und dass jetzt weit höhere Summen für Pferde ins Land kommen als vordem.

Rappsbau, Mergeln, Rieselung der Wiesen, Hebung der Viehzucht in allen ihren Zweigen, das sind vier andere Betriebe, die hauptsächlich durch Pogges Bemühungen und Vorbild in Mecklenburg heimisch geworden sind und durch diese Betriebe hat des Land Millionen gewonnen.

Besonders aber wirkte Pogge für unsere Landwirtschaft im Allgemeinen dadurch ganz außerordentlich viel, dass er, obschon die Überlieferung und die Erfahrungen der Alten in Ehren haltend, doch mit regstem Sinn allem Neuen seine Aufmerksamkeit zuwandte. Dabei prüfte er denn freilich mit der Bedächtigkeit der Alten, führte aber aus mit der Energie des Jünglings. Das Wohl seines Gewerbes und das damit so wesentlich zusammenhängende Wohl des Landes immer im Auge haltend, hat er ökonomischen Versuchen sehr viel Zeit und Geld geopfert; freimütig teilte er die gewonnenen Resultate mit, denn ferne war ihm jene Eitelkeit, die nur der günstigen erwähnt, die ungünstigen aber verschweigt oder bemäntelt.

Als einer unserer renommiertesten Landwirte kam er denn auch bald mit den bedeutendsten Landwirten Deutschlands und des Auslandes in Verbindung und durch den Besuch der Versammlungen der deutschen Land- und Forstwirte mit den meisten derselben auch in persönliche Berührung. Wie ihm selbst diese Verbindungen eine große Anregung gaben, so wurde diese Anregung ferner fruchtbar, indem er sie Andern mitteilte.

So wirkte Pogge nicht bloß durch positive Verbesserungen für unsere Landwirtschaft, sondern noch mehr durch den Eifer, den er für diese Kunst bei seinen Gewerbsgenossen zu wecken wusste. Besondere Erwähnung verdienen hier noch seine Verdienste um die Vervollkommnung unserer ökonomischen Werkzeuge und um eine zweckmäßigere und wohlfeilere Ausführung der ländlichen Arbeiten. Wer den Eigensinn und Schlendrian unserer älteren Landleute kennt, der wird die Schwierigkeiten ermessen können, die sich der Einführung z. B. von Sämaschinen und von anderen als den bisher üblichen Ackerwerkzeugen entgegenstellten. Durch sein Wort und Beispiel haben jedoch alle die Verbesserungen, welche der landwirtschaftliche Betrieb in den letzten dreißig Jahren erfahren, einen schnellen und allgemeinen Eingang bei uns gefunden und die Geschichte der mecklenburgischen Landwirtschaft wird es ihm also nachzurühmen haben, dass er vorzüglich eine neue bessere Zeit für das ganze ländliche Gewerbe herbeigeführt hat. —

Pogges landständische Wirksamkeit war aber nicht minder bedeutend und folgenreich. Zufällig und unabsichtlich auf seine landständischen Rechte und Pflichten aufmerksam gemacht, wurde er von Stund' an der eifrigste Landstand. Er wurde nämlich durch ein Mitglied des sogenannten eingebornen Adels einer speziellen Abstimmung halber, zum Landtag gerufen; dieser Besuch des Landtages veranlasste ihn, weiter über seine landständischen Obliegenheiten nachzudenken und nachzuforschen und so wurde er nicht allein seitdem ein eifriger Landstand, sondern es kann auch die seit jenem Besuch und namentlich seit 1838 so sehr gestiegene Zahl der Landtagsbesucher größtenteils auf Rechnung jenes einen Besuches geschrieben werden. Wie musste aber Pogges unbefangener, vorurteilsfreier Sinn durch unsere landtägigen und landständischen Verhältnisse verletzt werden! Er spricht sich darüber in seiner klaren, einfachen Sprache in einem Aufsatze im freimütigen Abendblatt aus. Pogge hat nun in dieser Beziehung das große Verdienst, nach 40 Jahren zuerst wieder tätig die Gleichstellung der bürgerlichen Gutsbesitzer mit den adligen versucht zu haben. Allerdings hatte schon Mancher vor ihm das Demütigende in der politischen Stellung der bürgerlichen Gutsbesitzer tief empfunden; allerdings hatte auch schon Manchem sein politisches Gewissen gesagt, dass einem solchen Zustande ein Ende gemacht werden müsse, — Niemand aber hatte geglaubt, dass in dieser Sache irgend ein Erfolg zu erreichen sei und so hatte die Scheu vor einem vermeintlich vergeblichen Unternehmen, Jeden von Dem zurückgehalten, was doch seine Pflicht war. Doch das war nicht Pogges Art: er konnte bei der Erkenntnis von der unverrücklichen Gleichheit aller Mitglieder der Ritterschaft, nicht die Hände müßig in den Schoß legen; auch sah er bald, dass die Mehrzahl seiner Standesgenossen keine so träge und teilnahmslose Masse sei, als man bis dahin annahm. Da er nun auch der Überzeugung lebte, dass nur dann ein nachhaltiger Fortschritt in Mecklenburg möglich sei, wenn den bürgerlichen Gutsbesitzern ihre verfassungsmäßige Bedeutung und so mindestens die Möglichkeit gegeben werde, dass auch das liberale Prinzip unter den Ständen Mecklenburgs seine Vertretung finde, — so griff er denn mutig zum Werke. Früchte hat er von diesen Bestrebungen nicht gesehen, aber er hat das Samenkorn, das er legte, doch noch keimen und an das Tageslicht treten sehen. Seine Verdienste in dieser Beziehung sind übrigens bedeutender als es scheinen mag. Seine allgemeine Popularität kam ihm auch hierbei zu Statten: seiner Aufforderung widerstand kein bürgerlicher Gutsbesitzer und was unser Pogge wollte, das wollten sie alle.

Mögen denn die bürgerlichen Gutsbesitzer nie vergessen, was sie ihm schuldig sind und ihm dadurch danken, dass sie seine reine warme Humanität und seine Gesinnungstüchtigkeit sich anzueignen suchen.

Was war endlich Pogge als Freund der kleineren Landleute? Was hier zunächst seine Stellung als Guts- und Dienstherr betrifft, so hielt er das Verhältnis zwischen Herrn und Untergebenen nicht für ein „patriarchalisches“ in der Art, dass der Herr die Sonne, um welchen sich der Untergebene in willenloser Unselbstständigkeit zu drehen hat. Eine solche Gesinnung war ferne von ihm; er betrachtete sich auch als den Vater seiner Untergebenen, diese selbst aber (und darin liegt der Unterschied von anderen Liebhabern der Patriarchie) nicht als Kinder, sondern als Mündige, die zu immer größerer Selbstständigkeit zu führen seien. Eine solche Behandlung, welche seine Selbstständigkeit respektiert, erkennt aber der so oft geschmähte gemeine Mann stets mit größtem Danke an, und so war Pogge von allen seinen Leuten geliebt und konnte sich mehr auf sie verlassen als Andere, die immer um ihr Herrnansehen in Sorgen sind, oder in übelverstandener Humanität ihre Leute durch unzeitige Nachsicht, durch Gnade oder durch eine verschwenderische Freigebigkeit an sich zu fesseln suchen, sie aber in Wahrheit nur verderben und zu Heuchlern machen.

Das Wohl der arbeitenden Klasse war überhaupt der stete Gegenstand seiner Bemühungen. Das hat er durch Wort und Tat bewährt und keine Gelegenheit hierzu unbenutzt gelassen. In jeder Bauernversammlung, wie fast auch in jeder Versammlung des patriotischen Vereins, brachte er einzelne das leibliche oder geistige Wohl der untern Klassen berührende Punkte in Anregung. Leutselig verkehrte er mit jedem Arbeiter, der ihm in den Wurf kam, und keiner verließ ihn, ohne einen mehr oder weniger bedeutenden Eindruck davon zu tragen.

Selbst auf seinen Reisen hielt er häufig an, unterhielt sich mit den Arbeitern und Hirten und immer fand er Gelegenheit, beiläufig und ganz mit dem Anschein der Absichtslosigkeit ein gutes Wort fallen zu lassen. War das gelungen, so freute sich Pogge herzlich des ausgestreuten guten Samenkorns, lies sich aber, bekannt mit dem Misstrauen des gemeinen Manns, niemals verleiten, einen moralisierenden oder predigenden Ton anzunehmen, oder ein ermahnendes Wort anders zu sprechen, als wenn der Verlauf der Unterredung auf natürliche Weise ein solches herbeiführte.

Ein anderes, die schönsten Früchte verheißendes Samenkorn legte Pogge in dieser Beziehung durch die Bauernversammlungen, welche er ins Leben rief. Er hatte solche Versammlungen in anderen Teilen Deutschlands kennen gelernt und ruhte, von ihrem Nutzen und ihrer Ausführbarkeit überzeugt, nicht eher als bis die Veranstaltung einer Bauernversammlung im Teterow'schen Distrikte des Patriotischen Vereins beschlossen worden. Die Sache war neu und machte großes Aufsehen; es wurden über Nutzen und Ausführbarkeit solcher Bauernversammlungen die entgegenstehendsten Ansichten laut; zwei Jahre vergingen, ehe ein zweiter Distrikt (Warin) sich entschloss, dem gegebenen Beispiel zu folgen. Unterdes war aber Pogge schon weiter gegangen; kaum hatte nämlich die Idee, dass Bauernversammlungen aus einem bestimmten kleineren Kreise denn doch ihr Gutes haben möchten, sich einigen Eingang verschafft, als er auch alsbald mit der Absicht hervortrat, eine allgemeine mecklenburgische Bauern-Versammlung zu veranstalten. Das schlug zündend ein und so wie sich nun die Freunde des Fortschritts eng um Pogge scharten, so wurde die Gegenpartei dadurch auch aufgestachelt zum letzten Kampf. Mit dem vornehmen Lächeln und dem mitleidigen Achselzucken, mit welchem man die Bauernversammlungen in den Distrikten Teterow und Wann hatte abfinden wollen, ließ sich jetzt die Sache nicht mehr zurückweisen: es mußte ernstlicher gekämpft werden. Man bot also so ziemlich alle Arten von Mitteln auf, um die Sache zu bekämpfen; man versuchte die Behörden einzuschüchtern und schickte nach dem Prinzip, die Parteien zu verwirren, Leute vom liberaler Färbung gegen den Feind, hauptsächlich aber bekämpfte man denselben mit dem groben Geschütz der so beliebten Theorie der Unreife.

Danach war denn der Bauer für Bauernversammlungen nicht reif; er war nicht fähig dazu, sich über das zu besprechen, was er täglich unter Händen und vor Augen hatte; ja, er war ein „elender Waldstamm“, auf den man ein „Edelreis“ setzen wollte u. dgl. m. Solcherlei Redensarten wagte man noch, nachdem doch bereits drei Bauernversammlungen in den Distrikten Teterow und Warin sehr glänzende Resultate gegeben hatten; ja man sah solche Waffen von Leuten brauchen, die gewiss in dem guten Glauben leben, zu den Männern des Fortschritts zu gehören und demselben allen Ernstes zu huldigen gemeint sind.'

Dies Kämpfen gegen eine allgemeine Bauernversammlung hatte denn doch manchen denselben ungünstigen Erfolg gehabt; die Behörden mochten mit der Sache nichts zu thun haben und zu der Hauptversammlung des patriotischen Vereins, in welcher die Sache ein moralisches Gewicht dadurch erhalten sollte, dass aus den Mitteln jenes Vereins eine Summe für die Kosten der allgemeinen Bauernversammlung ausgesetzt wurde, — zu dieser Hauptversammlung waren recht viele Gegner der Emanzipation des Bauernstandes entsandt. Da hörte man denn die gedachte Theorie der Unreife in recht vielen Variationen durchführen, und es fehlte zugleich keinesweges an frommen Wünschen für eine Hebung des Bauernstandes in anderer Weise. Fragte man freilich, wie diese zu realisieren seien, so fehlte die Antwort und eben so wenig war ein Bescheid zu erlangen, wenn man forschte, wie es denn anzustellen sei, um die Bauern für allgemeine Bauernversammlungen reif zu machen, falls sie wirklich zur Zeit für dieselben noch Unreif wären.

So war denn wohl ein heißer Kampf zu erwarten, — aber er entstand gleichwohl nicht. Das landesväterliche Auge des Fürsten hatte nämlich Zweck und Nutzen der Bauernversammlungen richtig gewürdigt und es war nicht bloß eine bestimmte Summe für die Kosten derselben ausgeworfen, sondern es waren auch die Behörden angewiesen worden, die Bauernversammlungen tunlichst zu unterstützen. Davor war denn manche Stimme verstummt und die sich dennoch erhebenden, immer noch genug, um eine Beteiligung des patriotischen Vereins zu hintertreiben, — diese wusste Pogge dadurch zu beseitigen, dass er den Gedanken festhielt: über den Nutzen der Bauernversammlungen im Allgemeinen sei kein Streit (dies hatten nämlich die Gegner solcher Versammlungen unvorsichtiger Weise zugegeben). Jeder wolle ja auch eine Hebung des Bauernstandes, nur dieser auf diese, jener auf jene Weise, Streit sei also nur darüber, ob der mecklenburgische Bauer für allgemeine Bauernversammlungen reif sei und Mancher möge auch wohl nebenher noch die Verantwortlichkeit für eine neue Maßregel, deren Erfolg im vorliegenden Falle zweifelhaft sei, nicht übernehmen; sei man so in der Hauptsache einig, so erbiete er sich nun, die Verantwortlichkeit wegen der Bauernversammlungen zu, übernehmen, — er sei zu fest von ihrem Nutzen überzeugt, — über Nebendinge möge man nicht streiten und es, es möge ihm also nur jeder, der es aufrichtig meine mit der Hebung des Bauernstandes, mit Rat und Tat an die Hand gehen; er werde es ebenso machen, wenn späterhin etwa Andere für denselben Zweck auf andere Weise wirken wollten; das nahe Gute dürfe nicht über das Bessere versäumt werden, welches noch in weiter Ferne liege; Verbesserung der ländlichen Schulen sei allerdings ein wichtiger Gegenstand, da aber Niemand einen Weg anzugeben wisse, wie dieselbe zu erreichen, so möge man sich doch durch die Wünsche für diesen Weg zum gemeinsamen Ziele, nicht vom Handeln für den seinigen abhalten lassen.

Es wurden auch hiergegen wohl noch viele Stimmen laut, aber es fehlte doch dem Widerspruch der gehörige Nachdruck, und so bewilligte der patriotische Verein denn eine bestimmte Summe für die Kosten einer allgemeinen Bauernversammlung. Pogge hatte gesiegt.
Einer solchen Versammlung hat der Verewigte nun noch als Leiter beigewohnt; kurz vor der zweiten überfiel ihn aber die tödliche Krankheit und machte, dass dieselbe erst im folgenden Jahre 1844 gehalten wurde. Die Stimmen gegen solche Versammlungen sind aber jetzt schon durch die Gewalt innerer Gründe eben so stumm geworden, als nach Gottes Ratschluss die Stimme dessen, der sie ins Leben rief. Bereits hat jeder verständige Freund seines Landes die feste Überzeugung gewonnen, dass diese Bauernversammlungen ein mächtiger Hebel zur Hebung des Bauernstandes und zur Annäherung der verschiedenen Klassen und Stände sein werden. Allgemein wird diese Ansicht bei uns freilich wohl sobald noch nicht werden, denn wir sind in Mecklenburg noch gar vielfach mit unserem Blick zu sehr auf denjenigen Kreis beschränkt, in welchem wir uns zunächst bewegen; der sogenannte Höhere vermag kaum anders als herablassend mit dem Niederen zu verkehren und daraus ist eine hässliche Scheidewand zwischen den verschiedenen Geburts- und Berufsständen emporgewachsen. Diese Scheidewand verhindert die gegenseitige Bekanntschaft und Achtung unserer Ständeklassen. So besitzt unser Bauer im Durchschnitt so viel echte praktische Lebensweisheit, die wohlhabenderen in der Regel so viel praktische, von jeder Pedanterie entfernte Kenntnis seines Gewerbes, dass wahrlich der Vorteil der Bauernversammlungen nicht bloß auf Seiten der Bauern sein wird. Und lernte auch wirklich die höhere Klasse durch dieselben nichts Anderes als Leutseligkeit, so würde das schon ein großer Gewinn sein. Lasst es Euch gesagt sein, Ihr vornehmen Herren: Ein Landwirt ist wirklich dadurch nicht schlechter, dass er etwa nur 6 statt 60 Last Aussaat zu bewirtschaften hat, und wer sich bei selbst gebrautem oder doch inländischem Bier des Lebens freut, ist darum kein schlechterer Mann als einer, der nur „Rappsbier“ gut genug hält, um dabei froh zu sein. Wir klagen alle über das Misstrauen der Bauern, aber ehe die höheren Stände nicht von der Zurückhaltung oder gar Herablassung nachlassen, mit der sie den Bauern begegnen, ehe sie sich nicht mehr Mühe geben, denselben kennen zu lernen, wird dies Misstrauen nicht schwinden und werden alle die Übelstände nicht aufhören, welche daraus, und wahrlich nicht bloß für den Bauernstand allein entstanden sind, dass er bisher in einem fast ganz isoliertem Zustande lebte.

Die Bauernversammlungen haben nun eine herrliche Anregung gegeben, diesen Zustand der Absperrung aufzuheben und es ist gewiss sehr befriedigend, zu sehen, wie sehr die Bauern jedes Entgegenkommen anzuerkennen wissen, welches aus reiner Humanität hervorgeht; ja es hat wohl auf Viele eines tiefen Eindrucks nicht verfehlt, dass die in den Bauernversammlungen erhaltene Anregung bei sehr vielen würdigen Bauern den Vorsatz hervorgerufen hat, recht eifrig bei ihren Kindern für das zu sorgen, was ihnen selbst nicht zu Teil geworden, — einen guten Schulunterricht. Wenn tatsächlich solche Vorsätze in Folge der Bauernversammlungen bei den Bauern entstanden sind, so kann gewiss auch der besonnenste, ruhigste Beurteiler, die schönsten Resultate von denselben erwarten.

Der Bauer ist ein zu wesentliches Mittelglied zwischen den höheren Ständen und den eigentlichen Tagelöhnern, als dass man ihn länger unberücksichtigt lassen oder doch nur so obenhin beachten dürfe. Anzuerkennen ist es freilich, dass unsere Regierung *) seit mehr als hundert Jahren ihre besondere Sorgfalt diesem Stande gewidmet hat, — aber wie alle solche von oben herabkommende Bestrebungen zunächst nur äußere Resultate hervorrufen, so ist es auch hier gewesen: der Bauernstand ist durch diese Sorgfalt zunächst nur äußerlich gehoben, dadurch aber freilich nun bereits empfänglich für solche Einwirkungen, welche darauf berechnet sind, ihn auch innerlich zu veredeln, ihm Selbstvertrauen und die richtige Würdigung seiner Stellung zu geben. Pogges scharfes Auge erkannte nun, dass unser Bauer schon in solcher Verfassung sei und die Bauernversammlungen waren gewiss das zweckmäßigste Mittel, um diesen Zustand zur Blüte und Frucht zu treiben.

*) Die Regierung verdient das Lob, welches Sie derselben hier zollen, doch nur hinsichtlich der Domanialbauern, denn die ritterschaftlichen Bauern sind ja in quali et quanto fast ganz der Willkür unserer Ritter preis gegeben und der Staatskalender von 1819 hat noch zirka 50 ritterschaftliche Bauern mehr als der heurige; — das kommt aber davon, wenn man von der Ritterschaft vertreten wird!
A. d. Herausgebers.


Dank also, ewigen Dank dem Manne, dessen helles Auge das, was Not tat, erkannte, dessen großes Herz*) höher schlug bei dem Gedanken, eine ganze, bis dahin wenig beachtete Classe von Mitmenschen auf den Weg der Bildung und des Fortschritts zu führen.

*) Pogge war nichts weniger als sentimental! aber als er auf der Doberaner Versammlung der deutschen Landwirte seine Begeisterung für die Idee der Bauernversammlungen aussprach, war er so ergriffen von seinem Gegenstande, dass er seine Rührung nicht bemeistern konnte. Eine solche Träne ist wertvoller als der köstlichste Diamant, der in der Krone eines morgen- oder abendländischen Herrschers funkelt.

Wenn wir nun auf diese großartige Wirksamkeit eines schlichten Privatmanns zurückblicken, so erscheint uns das Beamtentum mit seinen bebänderten und betitelten Söldlingen in einem höchst impotenten Zustande. Ja, wenn wir nur in allen Klassen Pogges hätten, wir würden gewiss nicht mehr bei jeder Gelegenheit sagen: Das muss der Staat thun, dafür muss der Staat sorgen, — sondern wir würden inne werden, dass das Gemeinwohl vielmehr wesentlich auf dem Gemeinsinn der Staatsbürger beruht und dass wir selbst mit anfassen müssen, wenn es besser werden soll, — dazu möge denn uns alle diese Erinnerung an den teuren Todten führen.

Ich kann es mir nicht versagen, neben diesem Abriss von der Wirksamkeit Pogges, wie sie äußerlich ins Leben trat, meinen Landsleuten auch noch ein Bild seines inneren Menschen zu geben, ein Bild, welches auch an sich und abgesehen von unserem teuren Freunde Jeden ansprechen wird. In der landwirtschaftlichen Literaturzeitung des Staatrats Fischer, Jahrgang 1843, Heft 12. findet sich nämlich von dem genannten Herausgeber nachstehender Nekrolog unseres Pogge.

Dem Andenken dieses vortrefflichen Mannes in diesem Blatte einige freundliche Zeilen zu widmen, war dem Herausgeber ein von seinem Herzen gebotenes Anliegen. Welchem Mitgenossen der schönen Erinnerung an die heitern Tage des Zusammenlebens so vieler befreundeten Männer auf den Versammlungen der Landwirte zu Doberan und Altenburg wäre der gemütsheitere Pogge entgangen, der mit dem regsten Eifer für seinen Beruf ein so rein menschliches Herz zeigte, das in der Lebendigkeit seiner Gefühle so oft bewegt wurde, wo es sich von Äußerungen liebevoller Teilnahme an rein menschlichen Interessen handelte.

Sehr am Herzen lag mir dabei die Sorge nicht bloß in Bezug auf sein äußeres Leben und Wirken, als Landwirt und Staatsbürger, sondern hauptsächlich auf sein inneres Leben, einen treuen Berichterstatter zu gewinnen. Ich erhielt einen solchen nach Wunsch in einem Korrespondenten, von dessen eignen Worten eine Silbe dem Publikum vorzuenthalten, ich für einen Verrat an der Gemütlichkeit der Leser halten möchte. Ich tue es auf die Gefahr, dass eine solche buchstäbliche Veröffentlichung dieser Mitteilung sogar als ein unzarter Gebrauch eines hingegebenen unbefangenen Vertrauens gelten könnte, — ja auf die Gefahr, meine eigene Persönlichkeit dem Verdacht des Eitelkeitsgenusses auszusetzen. Aber ich appelliere an das Gefühl meiner Leser, ob ich bei der in dieser Form gegebenen biographischen Mitteilung nicht von denselben eines größeren Danks und Beifalls mich zu erfreuen habe, als wenn ich diese Darstellung von der Feder des gewandtesten Redners und Schriftstellers Deutschlands hätte geben lassen.
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P. P.

„Indem ich Ew. Hochwohlgeboren den aufrichtigsten wärmsten Dank für die mir ausgesprochene Teilnahme an meinem teuren, verklärten Mann und für das Mitgefühl mit meinem unersetzlichen Verluste verpflichte, bitte ich Sie, diesen Aufschub der Beantwortung Ihres geehrten Schreibens mit dem Umstande entschuldigen zu wollen, dass unser unglückseliges Haus seit dreizehn Wochen Krankheit und Tod preisgegeben war, dass ich, vier Wochen nach seines Vaters Tode, einen hoffnungsvollen, reichbegabten Sohn von beinahe 25 Jahren verloren, und dass ich, bisher selbst krank, physisch wie moralisch unfähig dazu war.

Sollte mein Schreiben für Ihre gütige Absicht, meinem teuren Mann eine öffentliche Anerkennung verschaffen zu wollen, bereits zu spät kommen, so dürfte es Ihnen vielleicht eine gewünschte Genugtuung sein, durch mich bestätigt zu finden, was Ihnen, trotz der kurzen Bekanntschaft, Scharfsinn und Beobachtung lehrten: dass er der Mann war, der mit Redlichkeit des Herzens ein hohes geistiges Streben verband, und dessen kräftiger Wille, sich seiner Mitwelt nützlich zu machen, nie Schwierigkeiten wich, sondern durch sie erstarkte, und der dabei aller Ruhmsucht ferne war.

Die Veranlassung seines Todes ist offensichtlich die Altenburger Reise, die ihn geistig zu sehr erregte und anspornte, indes sie ihn körperlich zu sehr ergriff und abspannte, zumal da er schon auf der Reise dorthin eine Rippe gebrochen hatte, und nun allen dadurch verursachten Schmerz heldenmütig überwand, um das nicht zu versäumen, was seine ganze Seele erfüllte: Streben nach eigner Aufklärung und Beförderung des Gemeinwohls nach Kräften. Hierzu noch kam die von der Reise unzertrennliche Erhitzung und Erkältung und die damit verknüpften durchwachten Nächte. Er kam sehr angegriffen, aber mit kaum unterdrückter Lebhaftigkeit zurück, legte sich nach fünf Tagen, lag im Verlauf einer Woche im schrecklichsten Nervenfieber und in einem Monat — als Leiche.

Selbst sein Krankenlager war charakteristisch; so lange er Bewusstsein hatte, trug er sein Leiden mit einer gewissen anmutigen Leichtigkeit und Launigkeit; als dasselbe schwand, hielten ihn seine reichen, blühenden Phantasien inmitten seines großen Wirkungskreises, und ließ ihm die wahrhaft furchtbare Krankheit lichte Momente, so trug er deren Schrecknisse mit männlicher Haltung und ruhiger Ergebenheit.

Einliegende Abschrift *) aus einem hiesigen öffentlichen Blatte lehrt Ew. Hochwohlgeboren die Hauptmomente seines öffentlichen und betriebsamen Lebens, indes ich mir auf Ihr Verlangen eine Hinweisung auf sein inneres Leben erlaube, jedoch nur in schwachen Umrissen, aus dem einfachen Grunde, dass mein Gemüt und mein Herz ihn nur im Stillen zu würdigen gewohnt waren, und ich dem, was mein ganzes Glück ausmachte und mein eigenstes Wesen erfüllte, ein Wort lieh.

*) Es ist dies die im Abendblatt von 1843 Nr. 1298 erschiene Biographie Pogges.

Eine Wahrheit muss ich zuerst feststellen: dass er Alles, was er war, durch sich selbst war, oder besser noch: dass er seines Seins Elemente, die der Himmel ihm so herrlich verliehen, allein, ohne irgend eine Beihülfe auf seine Weise formte und ausarbeitete, mit Hilfe des Gedankens, seines Vaters würdig zu werden, den er bis zu seines Lebens Ende kindlich verehrte, und dessen Vorzüglichkeit er verstand und hochschätzte. Da war nichts Angelerntes, nichts Eingeimpftes, Alles in ihm war reine Originalität. Schulbildung hat er nie besessen, systematisches Wissen nie sich angeeignet, verfeinernden, bildenden Umgang in seinen jüngern Jahren nie viel genossen, und so erklärt sich die verhältnismäßige Abschleifung seines äußern Wesens, seine Welt- und Menschenkenntnis, sein leichter Umgangston, seines Herzens und Geistes Bildung nur allein durch ein ihm inwohnendes natürliches Zartgefühl, eine schnelle Beobachtungsgabe, einen raschen, auffassenden Sinn, sowohl für das Lächerliche, als für das Werthvolle und Anmutige, eine Empfänglichkeit für alles Große, und durch das Genie, den Erfolg einer Sache stets von dem Willen dazu zu trennen, woran so mancher scheitert, was alles Zutaten sind, um den Mann auf den Standpunkt zu heben, den er einnahm im Weltverkehr. Dabei war er von großer Herzensgüte, gesellig und gemütlich, und ewig heiter und unverzagt, ohne viel Klage im Missgeschick; voller Duldung, Nachsicht und Wohlwollen gegen Menschen, und überhaupt gegen alle Gottesgeschöpfe; man durfte, unbedauert von ihm, weder Tiere kränken noch Blumen pflücken; stets hatten wir einen Hund und eine Katze im Zimmer, die er mit dem Rockschöße schlug, wenn sie der Züchtigung bedurften. Den Fliegen öffnete er Tür und Tor, weil ihm deren Umschwärmen gemütlich war; jedem Übelstande der Jahreszeit gewann er, Poeten gleich, die bessere Seite ab. Seinen Kindern, deren wir sechs besaßen, war er der liebevollste Vater, und vorzüglich hübsch sein Umgang mit den drei erwachsenen, die er weiter ausbildete durch Unterhaltung und. Beispiel und durch Vorstellungen, wenn sie irgendwie fehlten, wobei er indes seine Autorität aufs Vollkommenste bewahrte. Mit den drei Kleinen war er ganz Kind, er spielte und rang mit ihnen, und erlaubte ihnen die übertriebensten Launen überstürmisch in seiner Gegenwart auszuführen, selbst wenn er bei schriftstellerischen Arbeiten beschäftigt war. Überhaupt war er, was er auch trieb, am liebsten im Kreise seiner Familie, und fand sich nie gestört durch sie. Morgens stand er in der Regel früh auf, und schrieb und las; der Tag war seiner Außenwirtschaft bestimmt, wo er oft selbst handtätlich verfuhr. Bei seinen landwirtschaftlichen Anordnungen und Betriebnissen verriet er eben so regen Sinn für das Schöne, wie für das Zweckmäßige; einen Beweis liefern drei durch ihn kultivierte Güter, bei deren Einrichtung er nicht das Angenehme über dem Nützlichen versäumte. Überhaupt sprach sich seine Vielseitigkeit, im Großen wie im Kleinen entschieden aus. Den Abend, von der Teestunde an, widmete er wieder geistigen, Arbeiten, denen er sich von Zeit zu Zeit mit. derselben Leichtigkeit, entzog, als er sie wieder begann, um sich mit den Erwachsenen zu unterhalten und die Kinder zu hätscheln; denn sein, Familienkreis, in zwei Zimmern zerstreut, deren Türen geöffnet waren, zusammen mit Hund und Katze — welche letztere, was auch eigentümlich war, er nie liebkoste, sondern nur duldete, und geduldet wissen wollte — war stets um ihn, und wurde durch ihn in keinem seiner Betriebe gehemmt, wenn dieser auch noch so geräuschvoll war. Er liebte geselligen, nachbarlichen Umgang, und trug zur allgemeinen Heiterkeit, und Belebung jedes- Kreises sehr viel bei durch seine fließende Mitteilsamkeit, durch die Anmut seiner Laune — er neckte, gern — die Frische seiner Darstellung, die Schärfe und Nichtigkeit seiner Auffassung und durch die Anspruchslosigkeit seines Wesens. Überhaupt forderte er nie für sich, und gewährte Jedem, der es verlangte, so Vieles. Selbst Aussicht auf Ruhm konnte diese liebenswürdige Eigentümlichkeit nicht schwächen, denn wie oft hat er bei Förderung gemeinnütziger Vorteile und Einrichtungen die Ehre davon Andern überlassen, indes ihm sein Werk und. sein Bewusstsein genügten. Seine vielseitige Menschenkenntnis und deren oft nicht erfreulichen Resultate erregten sein Mitleid, nicht aber Verachtung der menschlichen Gesellschaft, und gaben wohl den Impuls zu seinem öffentlichen Leben und Wirken, zu deren Nutzen und Frommen. Er wurde auch, wie Jeder, der die häusliche Schwelle zu überschreiten wagt und weiter strebt, als die Gewöhnlichkeit gebietet, angefeindet; aber stets verschmähte er alle persönliche Rache, ausgenommen die eines treffenden Witzes; ebenso trennte er in Differenzen jeder Zeit die Sache von der Person. Der Umgang mit seinein uns nahe wohnenden Bruder, der ihm über Alles teuer war, und der, mit ihm ein Ziel und ein Streben vor Augen hatte, aber nichtsdestoweniger oft mit ihm in freundschaftlichen Streit über die verschiedenen Wege zu diesem gemeinschaftlichen Ziele geriet, machte ihn klarer in sich und anschaulicher für Andere. Adel und Bürgertum im Konflikt, gaben ihm seine öffentliche Bedeutung. Hier hörte er auf, einem Stande anzugehören, sondern er war nur Mensch mit dem Menschen, und diesem Grundsatze treu, verfocht er die Sache mit Nachdruck, die in göttlichen und menschlichen Gesetzen vertreten wird, diejenige, die sich auf Recht stützte. Hierbei nun entwickelte er alle seine herrlichen Fähigkeiten, und wandte alle ihm zu Gebote stehenden Mittel zur Verfechtung seiner Sache, „des Menschen Sache an;“ fließende, malende Beredsamkeit, sich auf Verstandes- und Wahrheitsgründe stützend; schlagender Witz, heitere Ironie und Sarkasmus, wenn es nicht anders gehen wollte; aber nie seine Gutmütigkeit ganz verleugnend, die das eigenste Element seines Wesens war und aus allen seinen Handlungen hervorleuchtete. Besiegte er einen Feind, so bot er die Hand zum Frieden; errang er Vortheile, so stand er bei wieder vorkommenden Anlässen dazu freiwillig zurück, und griff man ihn an, so verteidigte er Ehre und Namen mit Kraft und Nachdruck, aber verzieh, ohne sich dieser Güte bewusst zu sein, die Absicht, ihn beleidigen zu wollen; — jeden Federkrieg mied er, sobald er persönlich wurde. — Diese seine Anspruchslosigkeit für sich selbst, verbunden mit dem unerschütterlichsten Humor, der Nachsicht und Duldung gegen Andere und der Schätzung fremden Verdienstes, ohne den mindesten Neid, machten auch einen großen Teil seines Wesens aus, verliehen ihm und dem Umgange mit ihm diese große Liebenswürdigkeit, und hielten, bis auf den geringsten Anflug, ein raues Tugendheldentum von ihm ferne. Seine Lebensweise war höchst einfach, in wie außer dem Hause, sowohl aus Neigung wie aus Grundsatz; ebenso seine Kleidung, worauf er wenig gab — eine Art Röcke, die nur er trug, und seine kurze Pfeife sind fast eben so bekannt wie er, — da sie, nur den Bedürfnissen angemessen, wenig der Mode und dem guten Geschmacke entsprach. Seinem Fürsten war er der treueste Untertan und seinen Untergebenen der liebreichste Herr. Fragen Ew. Hochwohlgeboren nach Fehlern? ich weiß von keinem, wo er nicht zu gut war? — Dagegen vermöchte ich Ihnen noch Hunderte seiner liebenswürdigen Eigenschaften anzuvertrauen, die dies wunderbare Gemisch von höchster Kraft und Milde, und seine Eigentümlichkeit überhaupt noch näher beleuchten würden, wenn ich nicht begriffe, dass das eben Gesagte neben gedachter Abschrift Ihnen vollkommen genügend wäre zu dem beabsichtigten Entwurf, sei er für Sie, oder für die Öffentlichkeit.

Das darf ich indes nicht verhehlen, das die großen landwirtschaftlichen Versammlungen seiner geistigen Richtung einen noch höhern Schwung gaben, wie sie auch sein Rednertalent mehr und mehr ausbildeten, wozu viel beigetragen zu haben, durch Ihre in Doberan gehaltenen Reden, die ihn wahrhaft in Ver- und Bewunderung gesetzt hatten, Ew. Hochwohlgeboren nicht verschmähen dürfen. Es betrübte ihn sehr, in Altenburg auf diesen gehofften Genuss vergeblich gerechnet zu haben, und dies war vielleicht seine letzte irdische Betrübnis.

Da mir Ew. Hochwohlgeboren gütig gestehen, meinem teuren Manne eine freundliche Erinnerung aufbewahren zu wollen, so hoffe ich, sein Bild werde bei Ihnen eine dem gemäße Aufnahme finden, welches meinem Briefe anzuschließen, ich mir die Freiheit nehme. Ich wollte, dass ich so glücklich wäre, neben demselben auch seine gesammelten Schriften und Aufsätze zu besitzen, um Ihnen auch davon ein Exemplar überantworten zu können, aber dies Sammeln ist noch der Folgezeit vorbehalten und einer fleißigen, mühsamen Hand; denn die Ergebnisse seiner Feder sind seit Jahren schon zerstreut in den verschiedensten gemeinnützigen Blättern erschienen.

Ew. Hochwohlgeboren nochmals meines tiefsten Ergriffenseins und meiner Erkenntlichkeit für Ihre wohlwollende Absicht versichernd, wie wiederholt mein langes Stillschweigen entschuldigend, empfehle ich mich hochachtungsvoll Ew. Hochwohlgeboren Zierstorff, den 31. Dezember 1843.
ergebene Auguste Pogge.“

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Wie hätte ich, fügt Fischer hinzu, das Grab des edlen Mannes mit einem schönern Blütenkranz zieren können, als hier die zarteste Weiblichkeit in Zügen des heitersten Gemütslebens und in den Farben der reinsten Wahrheit, gleich einem azurnen Cyanenkranz gewunden hat! — Wer zeiht mich der Übertreibung, wenn ich in dieser Schilderung Deutschlands ländwirtlichen Frauen eine Berufsgenossin darstelle, die in hoher geistiger und gemächlicher Bildung wenigen der geistvollsten Frauen unseres Vaterlandes zurückstehen möchte?