Was sich die Leute von einem Teiche bei Stavenhagen erzählen.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 1
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1858
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Pommern
Schon über hundert Jahre sind's her, da war einmal ein großes Feuer in Stavenhagen ausgebrochen; der Wind wehte gewaltig, man konnte das Schrecklichste befürchten.

Alles war sofort herbeigeeilt und half und rettete nach besten Kräften; aber alle Mühen und Anstrengungen blieben ohne Erfolg. Es schien unmöglich, Herr des wütenden Elements zu werden.

Schrecken und Entsetzen herrschte überall, Alles weinte und schrie; denn erbarmte sich der liebe Gott jetzt nicht der Bedrängten, so war die Stadt verloren und bald nur noch ein großer Asch- und Schutthaufen.

Wenn aber die Not am größten, ist oft die Hilf' am nächsten! — so war's auch hier. —

Wie ein rettender Engel erschien nämlich plötzlich der in der Nähe wohnende Ritter von O. . . n, allgemein geachtet und geliebt wegen seines großen Edelmuts.

Hoch zu Ross kam er herangesprengt. Schnell zerteilte er die dichte Menge, ritt um das Feuer und besprach es. Dann rief er mit lauter Stimme: „Platz da, Ihr Leute!" und jagte im vollsten Karriere wieder davon.

Und oh Wunder, das Feuer stürzte sich dem Reiter prasselnd nach; mit Windesschnelle folgte es ihm durch die Straßen, hinaus zum Tore der Stadt.

Hier aber warf sich der brave von O. mit seinem treuen Rosse in den nahen Teich. Ihm auf dem Fuße nach folgte auch jetzt das Feuer, aber es konnte nun nicht mehr folgen; denn als der Ritter das jenseitige Ufer glücklich erreicht, war es bereits durch das Wasser ausgelöscht.

Stavenhagen war somit gerettet. Alles pries den hochherzigen Mann, und noch heute nennt man dankbar seinen Namen.

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Das Wasser, worin damals das Feuer seinen Untergang gefunden, existiert noch; der kleine Teich vor der Stadt soll's nämlich sein, worin die Mädchen jetzt gewöhnlich ihre Wäsche spülen.

Auch das Feuer soll dort noch fortbrennen; denn die Jungfern behaupten immer, dass das Wasser gar nicht kalt sei, selbst wenn's auch Winter ist und noch so stark friert.

Mecklenburgs Volkssagen - Band 1

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