Was man sich zu Glienke bei Neu-Brandenburg von zwei Knechten erzählt.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 3
Autor: Von F. C. W. Jacoby zu Neu-Brandenburg., Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sagen und Märchen, Volkssagen, Neu-Brandenburg, Hochzeitstage,
Es dienten vor vielen Jahren zusammen bei einem Herrn ein Paar Knechte, die sehr viel von einander hielten, sich in keiner Weise zu nahe traten und in einer Freundschaft lebten, die Manchem zum Muster dienen konnte. Sie waren immer ein Herz und eine Seele und hatten nur den einen betrübenden Gedanken, dass sie sich über kurz oder lang einmal würden trennen müssen. Da machten sie sich das Gelöbnis, wenigstens an ihrem Hochzeitstage sich gegenseitig zu besuchen, möge er auch noch so fern liegen und sie sich auch, wer weiß wo, aufhalten.

Nach Verlauf einiger Jahre schlägt denn auch die Trennungsstunde und die Freunde scheiden mit schwerem Herzen von einander.

Es vergehen wieder einige Jahre und einer der beiden Knechte ist jetzt so weit, sich einen eigenen Hausstand gründen zu können und sich zu verheiraten. Natürlich ladet er seinen Busenfreund zur Hochzeit ein und, wie sich auch von selbst versteht, verfehlt dieser nicht zu kommen, und sie sind sehr lustig mit einander.

Der Verheiratete ist ein fleißiger, ordentlicher Mann, aber seine Familie mehrt sich rasch; er wird in einigen Jahren Familienvater von vier Kindern und es will ihm, da Krankheiten und Missgeschicke dazu treten, bei dem angestrengtesten Fleiße nicht gelingen, die Seinigen ehrlich und notdürftig zu ernähren. Die Not steigt immer mehr, er weiß nicht aus und ein; da kommt er auf den bösen Gedanken, sich an fremdem Eigentum zu vergreifen. Er stiehlt, wird aber gleich bei der ersten Tat ertappt und nach kurzem Prozess aufgehangen und am Galgen hängen gelassen.

In demselben Jahre, da dies geschehen, beabsichtigt sein früherer Mitknecht sich auch zu verheiraten. Er geht einige Tage vor der Hochzeit zur Stadt, um zu derselben einzukaufen, und da führt ihn sein Weg in der Nähe des Galgens vorbei, worin sein Freund hängt. Er gedenkt desselben und spricht vor sich hin: „Das weiß ich gewiss, Du hast nur aus Not gestohlen, sonst bist Du immer ehrlich und gerecht gewesen; Du hast es nicht getan aus Übermut, sondern aus Armut!" Und dabei faltet er seine Hände und betet ein Vaterunser für ihn, worauf er in seinem Selbstgespräch fortfährt: „Und nun soll meine Hochzeit sein; auf Deiner bin ich so vergnügt gewesen, Du hast mir versprochen, auf meine auch zu kommen, aber nun kannst Du nicht kommen!" —

Mit einem Mal hört der also vor sich hin Sprechende ein eigentümliches Geräusch im Galgen, fast so, als wenn der Gehenkte sich umdrehe und zu gleicher Zeit vernimmt er die Worte: „„Ich werde wohl kommen!""

Von einer großen Angst befallen, eilt der Lebende so schnell als möglich fort aus der Gegend des unheimlichen Ortes und denkt mit Schrecken seines nahen Hochzeitstages.

Als dieser nun da ist, da kann er es dem Pastor nicht verhehlen, welchen Gast er noch zu erwarten habe und zugleich bittet er diesen und den Küster, dass sie denselben doch zwischen sich nehmen mögten, wenn er wirklich erscheinen solle. Dazu geben beide ihre Einwilligung und Alle sehen nun erwartungsvoll dem Verheißenen entgegen.

Endlich klopft es und herein tritt der Gehenkte mit seinem Strick um den Hals. Schweigend nimmt er den ihm angewiesenen Platz zwischen Pastor und Küster ein, isst und trinkt und entfernt sich dann eben so still, als er gekommen. Vor dem Hinaustreten aus der Tür winkt er aber dem Bräutigam, ihn zu begleiten und als dieser mit ihm bis vor das Dorf gekommen; da bricht er das Schweigen und sagt: „„Bruder, ich habe nun mein Wort gehalten, ich bin auf Deine Hochzeit gekommen; ich kann Dir aber nicht genug dafür danken, was Du an mir getan hast. Dadurch, dass Du das Vaterunser für mich am Galgen gebetet hast, bin ich wieder bei Gott zu Gnaden angenommen. Hab' Dank! Hab' Dank!""

„Und ich", ruft der Andere, „ich kann Dir nicht sagen, wie sehr ich mich freue, Dich wiederzusehen; ich muss Dich noch ein Weglein begleiten!"

Und so gehen sie im traulichen Gespräch weiter und der Bräutigam merkt erst nach einiger Zeit, wie die Gegend dort so verändert ist. Sie wandeln wie in einem großen Garten, voll schöner Blumen und herrlich singender Vöglein.

„„Willst Du auch umkehren?"" fragt der Führer den Andern, „„man mögte Dich vermissen und um Dein Ausbleiben besorgt sein.""

„Oh lass mich!" erwiderte der Andere, „es ist hier ja so schön und ich bin so erfreut, dass ich mit Dir zusammen sein kann!"

Wieder nach einiger Zeit, da hören sie liebliche Musik und die Schönheit des Gartens hat noch immer mehr zugenommen. Da bleiben sie stehen und der Erstere nimmt das Wort, indem er sagt: „„Ich kann Dir nun nicht länger verschweigen, wo wir sind; wir gehen im Paradiese. Ich kann Dich nun aber nicht weiter mitnehmen und auch nicht länger bei Dir bleiben. Wir müssen uns trennen. Leb' wohl! Leb' wohl!"" Und hiermit verschwindet er vor seinen Augen.

Da steht nun der Lebende, und es bleibt ihm nichts weiter übrig, als nach seinem Dorfe umzukehren. Er aber geht und geht, und kommt nicht ans Ziel; er fragt nach seinem Dorfe, aber er erhält keinen Bescheid, bis er am dritten Tage sich einem Orte nähert, den er für sein Dorf hält, obgleich auch manche Veränderung daran wahrzunehmen ist. Aber den Namen führt es auch.

Hier sucht er seine Angetraute, aber er findet sie nicht; er fragt nach der Hochzeit, doch davon weiß Keiner und ebenso ist er auch den Leuten unbekannt, wie sie ihm.
Da geht er denn zum Pastor, aber auch in ihm findet er einen fremden Mann. Er sagt, dass er vor ein Paar Tagen hier getraut sei; allein das will der Pastor nicht wahr haben, weil er ihn nicht kenne, hier im Orte überdies auch seit längerer Zeit keine Hochzeit stattgefunden habe.

Nun fragt er nach dem Kirchenbuche und bittet darin nachzuschlagen, ob das keine Auskunft gebe.

Aber siehe, der Pfarrer schlägt immer weiter zurück und endlich, da findet er, dass der Fremde vor 150 Jahren hier getrauet sei.

Da musste sich dieser also wohl fremd in der Welt fühlen, deshalb bittet er den Geistlichen, ihm das heilige Abendmahl zu reichen.

Dies geschieht denn auch sogleich; als aber die heilige Handlung vorüber, fällt der Mann in einen Klumpen Asche vor des Pastors Füßen zusammen.

Neubrandenburg, Dangel-Turm

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Neubrandenburg, alte Wickhäuser

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Neubrandenburg, Rathaus

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Neubrandenburg, Stargarder-Tor

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