Was bist du, o Mensch . . . ? - Interessante Zahlen über den Menschen

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1929
Autor: B. P. Ziegener, Erscheinungsjahr: 1929

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mensch, Menschheit, Körper, Wissenschaft, Organe, Organismus, Zusammenwirken, Rekorde,
Was wissen wir Menschen von heute nicht alles! — Von jeder neuesten Errungenschaft auf dem Gebiet der Technik oder Wissenschaft haben wir zumindest einen Schimmer, mag es sich nun um den Raketenwagen, Voronoffs Verjüngungsmethode, um Autosuggestion oder die Vitaminforschung handeln. In wahrer Größe aber leuchtet das Wissen und Können, wenn wir nach den neuesten Sportrekorden, dem populärsten Boxer, der reizendsten Filmdiva oder der exzentrischsten Modetorheit gefragt werden! Dann wissen wir sogar über alle Einzelheiten Bescheid dank unserer Zeitung. — Nur von dem, was uns am nächsten liegt, unserm eigenen Körper, von dem wissen wir fast gar nichts. Und doch bietet gerade der Menschliche Körper in dem wunderbaren Zusammenwirken seiner zahlreichen Einzelorgane mindestens ebenso viel Geheimnisvolles wie die Atomzertrümmerung oder das Weltraumschiff.

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Ein Riesenwürfel, der in einem Jahr von den Herzen der jetzt lebenden Menschheit vollgepumpt werden könnte. Nach einer Abbildung aus Scientific American.



Woraus besteht eigentlich der menschliche Körper? — „Nun, aus Fleisch und Blut, Knochen und Knorpel,“ wird der Leser sagen, denn so haben wir es in der Schule gelernt. Aber eine solche Antwort ist nur ganz oberflächlich richtig und trifft nicht den Kern der Sache. Gleich einem Hause, das nicht nur aus Platten und Balken, sondern aus vielen einzelnen Ziegelsteinen besteht, setzt sich auch der menschliche Körper und alles, was wir an ihm und in ihm sehen, aus vielen, winzig kleinen Einzelorganismen, den Zellen, zusammen. Ob Haare oder Nägel, Fleisch oder Blut, alles besteht aus Zellen. Natürlich sind diese Zellen sehr, sehr kleine Gebilde und mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmbar. Ein Zellendurchmesser von 0,02 Millimeter, also dem fünfzigsten Teil eines ganzen Millimeters, gilt schon als recht groß, denn es gibt Zellen, die nur ein tausendstel Millimeter, ja sogar ein zehntausendstel, ein hunderttausendstel Millimeter und noch weniger im Durchmesser aufweisen. Eine gewaltige Zahl derart winziger Zellenbausteine ist daher notwendig, um den Körper eines Menschen aufzubauen, und nach annähernder Berechnung besitzt der Mensch etwa 30 Billionen Zellen. — Nehmen wir einmal an, der Mensch würde in jeder Sekunde eine Zelle verlieren und erst dann sterben, wenn alle Zellen auf diese Art abgegangen sind, dann könnte er sich fast eine Million Jahre auf Erden tummeln. Ob das freilich unter den gegenwärtigen Verhältnissen ein beneidenswerter Zustand wäre, das möge der Leser selbst entscheiden. — Wir wollen weiter annehmen, die verlorenen Zellen würden sich alle zu einem langen Band vereinigen, es würde dann trotz der Winzigkeit der einzelnen Zelle die stattliche Länge von 30.000 Kilometer aufweisen, also einmal um den Äquator reichen. Um das Bild über die Zellen vollends abzurunden, sei auch noch verraten, dass das Gewicht einer Zelle im Durchschnitt mit etwa 2 millionstel Milligramm angenommen wird.

Kehren wir aber zu etwas begreiflicheren Werten zurück und wenden wir uns dem äußeren Menschen zu. Die Oberfläche des menschlichen Körpers, seine Haut, beträgt durchschnittlich 1,5 Quadratmeter. Täglich werden durch dieses Ausgleichsventil des Organismus etwa 900 Gramm — also fast 1 Liter Wasser — verdunstet. Legen wir eine Lebensdauer von 70 Jahren zugrunde, dann werden in dieser Zeit rund 20.000 Liter Wasser durch die Körperoberfläche ausgeschieden. Diese Wassermenge wiegt 400 Zentner und würde einen Teich von 5 Meter Länge, 4 Meter Breite und 1 Meter Tiefe ausfüllen. Aber wir wissen, dass die Funktionen unserer Haut mit der Wasserverdunstung noch nicht erschöpft sind, sondern dass es zum Beispiel auch noch eine Hautatmung gibt. Auch auf diesem Gebiet leistet die Haut ganz Gewaltiges, indem sie täglich etwa 4 Liter Sauerstoff dem Körper zuführt und nach erfolgter Verbrennung etwa die gleiche Menge Kohlensäure wieder an die Atmosphäre abgibt.

Die Hauptrolle im ganzen Atmungsvorgang spielt aber die Lunge, werden doch allein durch die Lungenatmung täglich 450.000 Kubikzentimeter Kohlensäure im Gewicht von 900 Gramm erzeugt und ausgestoßen. Die Gesamtbevölkerung der Erde (1,8 Milliarden 1929) gibt also an die Atmosphäre täglich etwa 1,6 Milliarden Kilogramm Kohlensäure ab. — Eine gesunde Lunge braucht — wenn sich der Mensch in Ruhe befindet — durchschnittlich 16 Atemzüge in der Minute, um den Sauerstoffbedarf des Blutes zu decken. Mit jedem Atemzug werden etwa 400 Kubikzentimeter Luft befördert, also etwa 6.400 Kubikzentimeter in der Minute, rund 10 Kubikmeter an einem Tage oder 240.000 Kubikmeter in einem siebzigjährigen Leben. Was für eine gewaltige Menge Luft das ist, wird am deutlichsten offenbar, wenn wir bedenken, dass diese Luftmenge ein Gewicht von 310.000 Kilogramm oder rund 6.500 Zentner haben würde, wobei nicht zu vergessen ist, wie außerordentlich niedrig das Gewicht der Luft im Verhältnis zu dem Gewicht anderer Dinge ist, mit denen wir es im täglichen Leben zu tun haben. 1/5 der eingeatmeten Luft ist reiner Sauerstoff; täglich atmen wir ihn also in einer Menge von zirka 2 Kubikmeter — 3 Kilogramm ein. Das bedeutet aber, dass alle Menschen pro Tag rund 3,6 Milliarden Kubikmeter Sauerstoff der Atmosphäre entziehen oder 5,4 Milliarden Kilogramm. Immerhin würden doch 2,5 Millionen Jahre nötig sein, ehe auf diese Art der gesamte Sauerstoff in den uns umgebenden Luftschichten aufgezehrt sein würde. Dann aber ständen alle Lebewesen vor dem Erstickungstod! — Wenn wir unsern Körper bewegen, steigt der Verbrauch an Sauerstoff, der dann durch beschleunigte Atmung herbeigeschafft werden muss. Ein gehender Mensch braucht etwa dreimal so viel Luft wie ein liegender, ein Gebirgskletterer fünf bis siebenmal so viel und ein Läufer, Radfahrer oder Schwimmer gar zehnmal so viel!

Aber auch unser Herz und mit ihm das Blut ist ein Schwerarbeiter im wahren Sinne des Wortes. Das Herz wirkt wie eine Pumpe und treibt das Blut durch den ganzen Körper durchschnittlich etwa 70mal in der Minute, das sind 4.200mal in einer Stunde, 100.800mal an einem Tage und rund 2 1/2milliardenmal während eines siebzigjährigen Lebens! Tag und Nacht! Ohne Unterbrechung! Was keine, auch noch so kunstvoll konstruierte Maschine in unserm hoch entwickelten Zeitalter der Technik zu leisten vermag, das vollbringt das kleine menschliche Herz in Millionen und aber Millionen Menschen mit einer Selbstverständlichkeit, die wir nur deshalb nicht gebührend zu würdigen verstehen, weil sie so alltäglich ist. Auch äußerlich nehmen wir diese Pumparbeit des Herzens wahr; wir sagen dann: Das Herz „schlägt“. In der Jugend schlägt das Herz am schnellsten, um mit fortschreitendem Alter immer mehr nachzulassen. Die Anzahl der Herzschläge beträgt zum Beispiel beim kleinen Kinde in der Minute 135, am Ende der Kindheit sind es nur noch 90 Schläge, im Junglingsalter80, im Mannesalter 70 und im Greisenalter gar nur noch etwa 65. Eine ähnliche Erscheinung finden wir auch beim Blut. Während der Säugling noch eine Temperatur von 37,75 Grad Celsius aufzuweisen hab finden wir bei größeren Kindern durchschnittlich nur noch 37,10 Grad Celsius und beim erwachsenen Menschen 36,85 Grad Celsius. Selbstverständlich kommen innerhalb dieser Grenzen auch Schwankungen vor, ohne dass damit in jedem Falle gleich eine abnorme Blutbeschaffenheit oder ein krankhafter Körperzustand zugrunde liegen muss. Nach größeren Mahlzeiten bei schwerer Arbeit, innerer Erregung erhöht sich die Bluttemperatur um 2 bis 3 Grad; auch am Abend ist sie im allgemeinen höher als in den trüben Morgenstunden nach vorangegangenem längerem Schlaf.

Zum Schluss wollen wir nun noch die Körperlänge und das Körpergewicht des Menschen betrachten. Der militärische Mann der Vorkriegszeit wog durchschnittlich etwa 65 Kilogramm und hatte eine Körperlänge von 166 Zentimeter. Die gleichen Zahlen für eine gesunde Frau lauten 51 Kilogramm und 155 Zentimeter. Betrachten wir uns einmal diese Zahlen näher, ohne dabei jedoch die Bezeichnungen Kilogramm oder Zentimeter zu berücksichtigen, dann wird uns eine gewisse Ähnlichkeit nicht entgehen: 166 — 65; 155 — 51. Und das ist in der Tat kein Zufall, denn nach der Theorie eines Wissenschaftlers erhält man das ungefähre Kilogrammgewicht eines Menschen, wenn man von seiner Körperlänge in Zentimetern 100 abzieht. Bei unseren Beispielen also: 166 — 100 = 66 Kilogramm; 155 — 100 = 55 Kilogramm. Genau stimmt das, wie wir sehen, nicht aber in einiger Annäherung lässt sich das Gewicht für gesunde, für Alle normal gebaute Menschen doch auf diese Art ermitteln. Wenn wir daher im folgenden die Körpergrößen einiger berühmter Männer aufführen, dann kann der Leser durch Abziehen von 100, das heißt in der Mehrzahl der Fälle durch Fortlassen der ersten Ziffer (also der „1“), sofort auch das ungefähre Kilogrammgewicht dieser Geistesheroen herausfinden: Moltke und Mirabeau 202 Zentimeter, Bismarck 188 Zentimeter, Humboldt und Lessing 186 Zentimeter, Schopenhauer und Darwin 183 Zentimeter, Chopin und Dante 175 Zentimeter, Goethe 174 Zentimeter, Luther, Heine, Voltaire und Spinoza 170 Zentimeter, Beethoven 163 Zentimeter, Mozart und Napoleon der Erste 157 Zentimeter, Kant 153 Zentimeter, Menzel und Mendelssohn 140 Zentimeter.

So ließe sich nun noch vieles über den menschlichen Organismus sagen, denn vieles hat die Wissenschaft schon berechnet, gemessen und erforscht. So manche Rätsel sind aber noch geblieben; vielleicht werden auch sie eines Tages gelöst sein, vielleicht aber wird sich die Natur nicht des letzten Schleiers berauben lassen! . . . Wer weiß es?

Moltke, Helmuth Karl Bernhard von (1800-1891) preußischer Generalfeldmarschall

Moltke, Helmuth Karl Bernhard von (1800-1891) preußischer Generalfeldmarschall

Humboldt, Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von (1769-1859) deutscher Naturforscher

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Lessing, Carl Friedrich (1808-1880) Historien- und Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts

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Martin Luther als Mönch. Holzschnitt von Lukas Cranach

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Mendelssohn, Moses (1729-1786) deutscher Philosoph der Aufklärung und Wegbereiter der Bildung der Juden

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Heinrich Heine

Heinrich Heine

Kant, Immanuel (1724-1804) deutscher Philosoph

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Bismarck-Bohlen, Friedrich Alexander Graf von (1818-1894) Preußischer General der Kavallerie

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Beethofen, Ludwig van (1770-1827) Komponist

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Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791) österreichischer Musiker, Komponist

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Voltair (1694-1778) französischer Schriftsteller und Philosoph

Voltair (1694-1778) französischer Schriftsteller und Philosoph

Schopenhauer, Arthur (1788-1860) Philosoph, Autor, Hochschullehrer (1815)

Schopenhauer, Arthur (1788-1860) Philosoph, Autor, Hochschullehrer (1815)