Wallensteins Armenversorgungs-Ordnung für Mecklenburg

Autor: Georg Christian Friedrich Lisch (1801-1883), Erscheinungsjahr: 1870

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Eines der treffendsten Beispiele, wie Wallenstein in seinem neuen Lande regierte, gibt sein Bemühen für die Armenversorgung. Bis zu seiner Zeit waren die Armen auf die Aufnahme in die alten Armenhäuser zum Heiligen Geist und zum Sanct Georg und auf den „Bettel“ angewiesen. Wallenstein in eigener Person setzte die Ordnung der Armenversorgung für das ganze Land in einer Stunde ins Werk und forderte die ganze Ausführung seiner Befehle während einer Zeit von vier Monaten! Nach seinem Tode ging aber durch die Gräuel des Krieges diese ganze Ordnung, ja alles Neue wieder unter und in den vorigen Zustand zurück, und man konnte sich zweihundert Jahre lang nicht zu einer durchgreifenden Operation der Übel erheben. Alte Leute werden sich noch erinnern, dass noch im Anfange dieses Jahrhunderts der „Bettel“ „um Gottes willen“ in voller Blüte stand. Erst seit ungefähr fünfzig Jahren hat man angefangen, diesem Zweige der Volkswirtschaft ernstere Sorge zu widmen, freilich mit mächtigen Vorarbeiten und Beratungen, und ist gerade jetzt im Begriffe, über gründliche Heilmittel ernsthaft nachzudenken. Wallenstein nahm die Sache sehr ernst, aber machte sie sich leichter. Seine Regierung war klug, aber straff. Ein Befehl von ihm war genügend: der Ausführung hätte sich wohl Niemand zu widersetzen gewagt.

Neben den großen Oberbehörden, die Wallenstein in kurzer Zeit gebildet hatte, richtete er auch eine Regierungskanzlei mit großem Personal ein. Diese Kanzlei verwaltete besonders das Lehnswesen, aber außerdem auch die gesamte Landes-Polizei und sonstige Regierung, so dass man sie wohl eine „Kabinetts-Regierung“ nennen kann. An der Spitze dieser Kanzlei stand Wallenstein selbst. Zum Director war der „Kanzler Johann Eberhard von Elz“, aus dem Kur-Trierschen stammend, eingesetzt, welcher mit Wallenstein ins Land kam und tief mit in seines Herrn ganzes Geschick verwickelt war. Ein sehr tätiger und bekannter untergeordneter Arbeiter in dieser Kanzlei war Peter Graß, „Lehns-Secretarius und Archivarius.“ Diese Personen treten denn auch in den vorliegenden Akten auf.

Der Frühling des Jahres 1629 ist besonders reich an neuen Einrichtungen und Verfügungen, nachdem Wallenstein die gehörigen Anordnungen getroffen hatte, sein Land näher kennen zu lernen.

Eine der merkwürdigsten Handlungen Wallensteins ist seine Ordnung über die Armenversorgung, die in den anliegenden Blättern enthalten ist, welche mir ein glücklicher Zufall im Staats-Archive in die Hände spielte. Wallenstein hatte erforschen lassen, dass es im Lande wenigstens 300 völlig Arme gebe, welche ohne alle Mittel zur Erhaltung ihres Lebens waren, ähnlich den Bewohnern des jetzigen Landarbeitshauses zu Güstrow in dem schönen Schlosse, in welchem Wallenstein vor 240 Jahren wohnte und die Armen-Ordnung erließ. Es war von seinen Beamten eine Ordnung entworfen, welche ihm aber durchaus nicht gefiel und „allerlei Difficultät“ hervorgerufen hatte, ohne Zweifel weil man sich wegen der Kosten und der Verwaltungsweise nicht einigen konnte. Da griff er rasch selbst ein und gab die Grundzüge zu einer anderen „Instruction“ an, welche der Kanzler von Elz selbst sogleich niederschrieb und dem Archivar Graß zu sofortiger Ausfertigung übergab, mit der Anweisung: „Der Herr hat eine andere Instruktion zu fertigen ungefähr des Inhalts.“ Diese Instruktion, welche im höchsten Grade straff und befehlhaberisch gehalten ist, war in jeder Hinsicht etwas Neues und stellte den ganzen bisherigen Gebrauch auf den Kopf.

Die Grundzüge dieser Instruktion sind sehr einfach und kurz folgende. Die Armen sind den Kirchspielen zuzuweisen, zu denen sie gehören; zu den Armen eines Kirchspiels gehören nicht allein diejenigen, welche darin ansässig sind, sondern auch alle diejenigen, welche darin gedient und gearbeitet haben, darin erkrankt und zu Schaden gekommen sind. Die Armen eines jeden Kirchspiels sind (zur Gewinnung einer Statistik) mit Fleiß zu erforschen. Jedes Kirchspiel soll seine Armen selbst unterhalten. Zur Aufnahme und Unterhaltung der Armen soll in jedem Kirchspiele in dem Kirchdorfe ein ausreichendes Armenhaus gebaut werden und den Armen sollen die Erhaltungsmittel jährlich auf Dionysii (9. Oktober) durch die Kirchen-Juraten gereicht werden. Die Beiträge der Eingepfarrten sollen nach Bedürfnis in Gemäßheit der Hufen von deren Besitzern nach der Kornaussaat eingetrieben werden.

Mit dieser Verordnung war der schwierigen Sache allerdings gründlich geholfen, wenn sich auch nicht leugnen lässt, dass die Kabinetts-Befehle, denn so muss man die Verordnungen nennen, sehr hart waren und der landständischen Beratung und Beschlussnahme ermangelten.

Es handelte sich nun um die richtige und möglichst rasche Ausführung der Verordnung. Die Landstände waren in Güstrow versammelt. Wallenstein bestellte daher aus jedem der drei landständischen Kreise den Landmarschall und einen Deputierten und für das ehemalige Bistum Schwerin zwei adelige Deputierte und den Küchenmeister zu Bützow zu „Armenhaus-Deputierten“. In Hinsicht auf die Form der Bestallung ist hervorzuheben, dass Wallenstein für das Bistum die bisherigen Formen: Stift Schwerin und Stift Bützow, abschaffte und dafür den Namen „Bützower Kreis“ einführte, da fortan „kreisweise“ verwaltet werden sollte. Um die Absicht sicher zu erreichen, sollte die Arbeit augenblicklich angegriffen werden. Dem Archivar Graß ward hinsichtlich der Ausfertigung der Befehle geboten: „Dies“ muss in continenti geschehen, weil die Personen noch „hier“ versammelt sind. Zugleich ward demselben die Ausfertigung einer Nachschrift befohlen des Inhalts, dass „die Deputierten bis zu endlichem Schluss nicht auseinander weichen“ sollten. Ja, Wallenstein ging so weit, zu befehlen, nicht allein dass die Deputierten „bis zum endlichen Beschluss“ versammelt bleiben, sondern auch auf seinen Befehl der versammelten Ritterschaft vermelden sollten, vor schließlicher Vereinigung nicht von einander zu weichen.

Die Sache ward mit der größten Eile und Kraft betrieben. Am 13. Mai 1629 ward der Befehl zur Beschlussnahme erlassen. Schon zum 29. September sollten alle Armenhäuser „fertig“ und am 9. Oktober mit Armen besetzt sein. Außerdem sollten die Deputierten noch auf „Konservationsmittel“ bedacht sein, damit das „löbliche Werk in richtigem Stande verbleiben“ möge. Zum bessern Unterricht und zur Nachachtung ward schließlich den Deputierten noch „Ihro Fürstlichen Gnaden Armenhaus-Ordnung“ zugesandt; hiemit ist wohl Wallensteins Ordnung für dessen böhmische Besitzungen gemeint, welche sich bisher nicht hat finden lassen, jedoch in Folge der gegenwärtigen Anregung vielleicht noch entdeckt wird.

Wallensteins Gesinnung und Regierungsweise lässt sich wohl aus keinem anderen Verfahren so klar erkennen, als aus dieser Armen-Ordnung.

Dass die Sache in Angriff genommen ist, kann bei Wallensteins entschiedener Willensrichtung keinem Zweifel unterliegen. Es ist aber durch die gräulichen Verwüstungen der folgenden Jahre, nicht selten auch durch die Freunde, von der ganzen Geschichte nichts weiter übrig geblieben, als die nachfolgenden Blätter Papier im Archive!