Wallenstein und der kühne Pferdehirt aus der Umgegend von Güstrow.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 3
Autor: Von C F. E. Hahn, Organist zu Dargun, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Rostock, Wallenstein, Güstrow,
Als Wallenstein, der Herzog,
Im alten Wendenschlosse
Zu Güstrow residierte,
Ereignete sich seltsam
Die folgende Geschichte:

Ein Bursche, klug und kühnlich,
Der Pferdehut beflissen,
Lag unter freiem Himmel.
Ein Kornsack war sein Mantel,
Ein Strauch sein schirmend Obdach.
In Schlummer eingewieget,
Von manchem süßen Traume,
Schreckt plötzliches Geschrei ihn
In Mitten stiller Ruhe.
Der kecke Bursche richtet,
Von Mondesglanz begleitet,
Die Feueraugen beide
Zum düstern Nebelufer,
Und sieht im dicken Schlamme
Ein Hunden ähnlich Wesen.
Er schreitet hin und staunet,
Wie dort ein Fuchs getreten
In großen Hechtes Zähne
Mit seiner Vorderpfote;
Und beide wollen fliehen.
Doch Füchslein will nicht schwimmen,
Und Hecht mag nicht zu Lande,
Bis unser Bursch den Mantel
Mit gar gewalt'gen Kräften
Um beide Streiter windet
Und Huckepack forttraget,
Zum Herzog als Geschenke.

Vom Schlamm beschmutzt der Hirte
Steht vor dem Tor des Schlosses
Und fordert von der Wache,
Passieren ihn zu lassen.
Doch diese will nicht eher,
Bis er verspricht die Hälfte
Vom seltenen Präsente.
Auch bei der andern Wache
Muss er kapitulieren
Auf andere Halbparte;
Und sieht nun erst den Fürsten,
Der große Augen zeiget
Ob solchem Frühbesuche.
Spricht: „Gnäd'ger Herr, god'n Morgen;
      Hie bring ick, wat Sei hebben
      In Ehren ganzen Lävend
      Noch nümme woll gesehen!" *)

*) „Gnädiger Herr, guten Morgen; hier bringe ich, was Sie haben in Ihrem ganzen Leben noch nimmer wohl gesehen!"

Auf Fürst's Befehle schüttet
Der dreiste Bursch den Sack aus.
Und muss sodann erzählen,
Wie es sich zugetragen
Mit beiden der Gefangnen,
Der Fürst erlaubt dem Hirten
Sich Gnade auszubitten,
Und dieser, hocherfreuet,
Verlangt nur fünfzig Hiebe
Mit einem derben Reetstock.
Nachdem der Fürst erfraget
Den Grund der seltnen Bitte,
Befiehlt er einem Diener
Die Wachen abzulohnen
Mit fünf und zwanzig Derben,
Die sie noch lange fühlten,
Als Hälfte vom Präsente.

Doch unser Pferdehirte,
Der ward dem Herzog lieber;
Er klingelt — und es brachte
Ein Kammerfräulein zierlich
Waschwasser und ein Handtuch,
Damit das schlammbetriefte
Gesichte unsers Hirten
Sich besser kenntlich zeige.
Nachdem er sich gereinigt
Und an dem Tuch getrocknet,
Das über beiden Schultern
Der Kammerjungfer schwebte,
Sollt' ihm noch eine Bitte
Mildigst gestattet werden.
Da fleht er um den Nagel,
Woran das Handtuch hange.
Und Wallenstein gewähret
Lächelnd auch diese Bitte,
Und stellt den dreisten Hirten
Blas unter seine Krieger,
Wo er als Leutnant kämpfte
Und manchen Sieg errungen.

Albrecht von Wallenstein

Albrecht von Wallenstein