Von den wendischen Bewohnern dieser Gegend vor Gründung der Stadt Barth und den aus ihrer Zeit noch vorhandenen Denkmälern

Aus: Chronik der Stadt Barth
Autor: Oom, Friedrich (1793-1849) deutscher Jurist, Bürgermeister und Lokalhistoriker der Stadt Barth in Vorpommern., Erscheinungsjahr: 1851
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Barth, Chronik, Historie, Schweden, Dänemark, Mittelalter
Vor Gründung der Stadt gehörte die hiesige Gegend zum Fürstentum Rügen. Die Bewohner waren keine Deutsche, sondern Wenden, und hatten den christlichen Glauben noch nicht angenommen. Diese lebten unter sich und mit den Dänen und sonstigen Nachbarn in beständiger Fehde, indessen weiß die Weltgeschichte über diese Fehden, die vielmehr nur Raubzüge zu nennen sind, nichts Bestimmtes.

Die westwärts von der Oder wohnenden Wenden hießen Lutizier. Von ihnen hat Loitz seinen Namen. Diese teilten sich in Riedurer, Tollenser, Circipaner und Kitziner. Zu den Circipanern gehörten die Barther und die Wolgaster.

Der Abgott der Lutizier hatte seinen Tempel in Retra, einer Stadt im Lande der Tollenser. Diese wollten deshalb die Oberherren der andern Lutzier sein und sie unterjochen, wurden aber zurückgeschlagen. Sie riefen nun zu Hilfe den König Kanut von Dänemark, den Herzog Bernhard von Sachsen, und Gottschalk, den Fürsten der Obotriten und Mecklenburger, und überwältigten ihre Feinde.

Im Jahr 1125 bekriegte Fürst Warlislaff von Pommern die Lutizier, weil sie oft räuberische Einfälle in sein Land getan hatten. Er zog bis jenseits Demmin, eroberte Gutzkow und zwang dessen Beherrscher zur Annahme des Christentums. Demmin widerstand ihm aber.

Inzwischen kam St. Otto, ein Bischof zu Bamberg und Apostel der Pommern, zu Fürst Wartislaff ins Land der Lutizier, um die Demminer zum Christentum zu bekehren. Der Fürst widerriet ihm in die heidnische Stadt zu ziehen, und nahm ihn mit sich nach Usedom. Es ließen sich aber einige Lutizier von Ansehn taufen, worunter Mirograff, der nachher das Kloster Dargun stiftete, und Berthus genannt werden.

Fürst Wartislaff, so wie nach seinem Tode Fürst Ratibor, hatten mit dm heidnischen Lutiziern, wider welche selbst Kaiser Lothar sein Heer vergebens aussandte, viel zu tun. Der Kaiser Konrad ließ in Verbindung mit den Dänen Demmin belagern und erpresste dadurch von den Lutiziern das Versprechen, den christlichen Glauben annehmen zu wollen, was sie aber nicht erfüllten. Fürst Ratibor von Pommern schlug sie darauf zweimal aufs Haupt und eroberte Loitz, Großwin, Demmin, Tribetow, Grimmen, Tribsees und Barth (1150). Jedoch hielten die Lutizier es dennoch immerfort mit den Heiden, und bekriegten die christlichen Völker, insbesondere die Dänen in Gemeinschaft mit den Rugianern.

Der Dänenkönig Waldemar rüstete endlich 260 Schiffe gegen sie aus, von denen auch einige um auszukundschaften an die barthsche Küste kamen, und daselbst einige Einwohner ergriffen und zum König brachten. Durch diese erfuhr er, dass man hier nicht gerüstet sei, und ließ das hiesige Land durch Mord und Brand verheeren. Auf dem Rückzuge wurden die Dänen aber von den Rugiern überfallen und gänzlich geschlagen. Der König selbst entkam nur mit genauer Not, und rettete von allen seinen Schiffen nur sieben.

Im Jahre 1166 überfielen die Dänen, unter Anführung des Bischofs Absalon, das Land Rügen abermals, eroberten es 1168 und brachten es zum christlichen Glauben. Indes scheint hier in der Barther Gegend das Christentum auch noch damals nicht Eingang gefunden zu haben. Erst später ist es hier von dem schwerinschen Bischof Berno eingeführt.

Wir könnten nun noch viele heidnische Geschichten, die auf die Lutizier und die hiesigen Wenden Bezug haben, aus alten Geschichtschreibern aufschreiben, allein wir unterlassen es, weil sie für die Gegenwart nicht lehrreich und angenehm zu lesen sein würden. Stattdessen wollen wir uns mit den Denkmalen beschäftigen, welche hier heutigen Tages aus jener Zeit noch übrig sind.

Ein solches Denkmal ist die sogenannte alte Burg, castrum bart in alten Urkunden genannt; antiqua urbs, die alte Stadt, heißt sie auch in dem hiesigen ersten Stadtbuch und in der Tat ist sie weit älter als die Stadt. Sie war der Wohnsitz der alten Rügenfürsten, wenn sie sich in ihren hiesigen Besitzungen aufhielten. Hierüber ist außer den Nachrichten bei den Chronikschreibern noch ein merkwürdiger Beweis hier aufgefunden, nämlich eine Berechnung der Wirtschaftskosten, welche der Fürst während vier Wochen hier und in der Hertesburg auf dem Darß verausgabt hat. Über die damalige Beschaffenheit der alten Burg, die jetzt aus einem, beinahe ganz abgefahrenen Hügel besteht, sind keine besondere Nachrichten zu uns gekommen, und von Mauerwerk darauf ist nie eine Spur gefunden. Indessen wird sie von derselben Beschaffenheit gewesen sein, wie alle andere wendische Burgen, und war ihre Lage zur Verteidigung sehr gut gewählt. Zu Wasser konnte man nur durch lange Meerengen, in welchen der Rückzug leicht zu verhindern war, zu ihr gelangen; und von der Landseite war sie damals durch Wälder und Moräste geschützt. Auf einem Hügel in Alkun hatte man einen Überblick auf die Umgegend, um einen etwa herannahenden Feind zur rechten Zeit zu entdecken; dieser Hügel hieß noch späterhin Wartburg (mons Wardborgh; Stadtbuch 1350.)

Neben dieser Burg wohnten die Untertanen und Hofleute des Fürsten. Ihr Wohnplatz hieß Wyck (vicus), späterhin Dorfstelle. (Slavi nostri in vico juxta civitatem Bard pertonaliter residentes [1290]). Die heutige Wyckstraße scheint ihren Namen davon zu haben.

Ein zweites örtliches Denkmal aus der heidnischen Vorzeit ist der sogenannte raue Berg an der rubitzer Scheide. Die Heiden begruben ihre Toten nicht, sondern verbrannten sie, sammelten die Asche in irdene Töpfe, und bewahrten diese in der Erde auf. Es gibt sehr verschiedene Arten solcher heidnischen Begräbnisse, besonders zahlreich findet man sie auf Rügen. Das hier befindliche heidnische Grabmahl gehört zu der allerältesten Art. Mehrere dergleichen sind schon geöffnet, man findet darin neben den Aschenkrügen auch Waffen und Gerüche, die, wie Geschichtsforscher behaupten, den Wenden ganz unbekannt waren, und die einer früheren uns unbekannten Völkerschaft angehört haben müssen, die also vor den Wenden hieselbst wohnte. Die Erde ist älter als unsere Geschichte. Als das Moor im Stadtholze zu Planitz entdeckt und zuerst bearbeitet ward, fand man in einer Tiefe von einigen Ellen eine Schicht abgestorbener Baumwurzeln, ohne Stämme. Etwas tiefer fand man die zweite Lage Baumwurzeln mit Spuren, dass die Stämme davon verbrannt sein mussten. Hierunter kam nun die dritte und letzte Lage. Der heutige Wald ist also der vierte der dort vorhanden gewesenen Erdoberflächen; und von den drei andern weiß man nichts.

Endlich geben auch noch viele hiesige Ortsnamen Zeugnis von den früheren wendischen Bewohnern dieser Gegend. Zuerst der Name der Stadt selbst, welcher wendisch ist; Zarnkevitz war ein wendisches Dorf; so auch Glevitz, und Alkun ein wendischer Hof. Diese wendischen Namen haben sich noch bis heute hier in der Feldmark erhalten, obgleich die Ortschaften verschwunden sind.

Wenn wir nun nach diesen örtlichen Denkmälern nicht bezweifeln können, dass früher hier Alles wendisch war, und heute durchaus nichts wendisches mehr finden, sondern nur deutsches, so entstehen die Fragen: wo sind die Wenden geblieben, die hier waren, und wo sind unsere deutschen Vorältern hergekommen? — Die Beantwortung dieser Fragen soll uns jetzt beschäftigen.

Barth um 1590

Barth um 1590

Barth, Marktplatz

Barth, Marktplatz

Barth, Dammtor

Barth, Dammtor

Barth, adliges Fräuleinstift

Barth, adliges Fräuleinstift

Barth, St. Marien-Kirche

Barth, St. Marien-Kirche