Vom habsüchtigen Schäferknecht am Vierhof bei Boitzenburg und dem schatzbewachenden grauen Männlein.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 3
Autor: Von N. N. zu B., Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sagen, Volkssagen, Boitzenburg, Gier, Geiz, Schäfer, Schafdung
Einst kam ein Schäferknecht in später Abendstunde an einem klaren hellen Septemberabend, es war gerade beim Vollmonde, aus Boitzenburg gegangen, um sich nach Hause zu begeben. Er wohnte im benachbarten Dorfe Vierhof und hatte den Abend bei Bier und Schnaps in einem Kruge der Stadt zugebracht, weshalb der Kopf ihm etwas schwer geworden war.

Wie er nun in der Nähe des Ortes Rotehaus kommt und in den dort befindlichen finsteren Hohlweg einbiegen will, so bemerkt er, dass ihm die Pfeife ausgegangen ist. Er sucht nach Stein und Stahl und vermisst den Schwamm, den er wahrscheinlich bei seiner Duseligkeit schon ausgerissen hat. „Ei!" denkt er, „wenn du so ohne Pfeife Tabak nach Hause gehen musst, das wäre ja recht fatal“ denn ohne Pfeife konnte er nicht gut leben.

Während er nun so tappend umhersucht, bemerkt er rechts am Hohlwege, in jener alten finsteren Schlucht, die noch damals aufwärts zum Schlossberge führte, unter wilden, dornigen Gesträuchen ein Flämmchen ihm traulich entgegenschimmern.

Rasch macht er sich Bahn durch diese wilde Schlucht bis an die Quelle, welche damals noch unter dem Rasen so silbern hell hervorrieselte, wo jetzt ein üppiger, blühender Garten mit einem Springbrunnen angelegt ist.

Hier nun, tief unter einem wilden Rosenbusche versteckt, findet er ein graues Männlein an einem hellen Feuer sich gemütlich wärmend.

„Guten Abend, Bruder”, so redet er den Unbekannten an, „könnt Ihr mir nicht ein wenig Feuer auf meine Pfeife geben?"

Freundlich nickend erwidert das graue Männlein: „Nehmt Euch, so viel Ihr bedürft!"

Der Schäfer dankt und nimmt von dem Feuer; doch so viele Kohlen er auch auf seine Pfeife legt, immer ist nach wenigen Zügen seine Pfeife wieder erloschen. Zuletzt erhebt er sich verdrießlich und spricht: „Euer Feuer taugt nichts, Alter! ich will nur machen, dass ich nach Hause komme”.

„So nehmt doch wenigstens die Kohlen mit Euch; vielleicht können sie Euch nützen”, erwiderte das graue Männlein.

Wie der Schäfer sich darauf seitwärts wandte, sah er einen ganzen Haufen dieser weggeworfenen Kohlen im Grase liegen, die glimmten und funkelten ihm so herrlich entgegen, wie schönes Gestein.

Vielleicht, denkt er, können meine Kinder im Hause noch damit spielen, und da die Kohlen nun bereits tot und kalt geworden waren, so füllte er seine beiden Rocktaschen damit.

Mit einem freundlichen „Guten Abend!" eilt er hinweg, um nun endlich seine Heimat zu erreichen. Allein je weiter er geht, desto schwerer wird seine Last; keuchend erreicht er das Ende des Hohlweges und eilet fort, bis ihm der Schweiß unaufhaltsam von der Stirn fließt. Endlich erreicht er die Vierhof’sche Feldmark und sinkt ermattet in die Knie; ein großer Schatz, das fühlt er schon, ist ihm geworden.

Neugierig holt er aus seinen Rocktaschen hervor, was ihm das graue Männchen gegeben und siehe da! es ist Alles reines Gold.

Hastig gräbt er sich ein Loch unter der nächsten Tanne am Wege, nachdem er sich vorher überzeugt, dass er nicht belauscht wird, schüttet seinen letzten Tabak in die Pfeife und füllt den Tabaksbeutel und noch ein Tuch mit Goldklumpen, die er dann sorgfältig unter der Tanne verscharrt.

Nun erst geht ihm ein Licht auf; das Gold hat der gute Berggeist ihm gegeben, welcher bei dem Schatze wacht, den der alte böse Raubritter einst, samt der goldenen Wiege, dort in die Tiefe versenkt hat.

Die Schäfer fürchten sich nicht vor den Berggeistern; denn sie verstehen es, die guten für sich zu gewinnen und die bösen zu bannen.

Deshalb macht er sich eilig noch einmal wieder auf; er will noch einmal um Feuer bitten, um noch mehr Gold vom guten Berggeiste zu erlangen. „Ja! ja! man muss das Eisen schmieden, wenn es glüht!" Oh, wie hüpft ihm sein Herz vor Freuden; er will auch dann nicht mehr Schäferknecht bleiben, sondern sich einen großen schönen Hof kaufen, noch größer, wie der Vierhof. Er will sich Kutscher und Bedienten halten und Pferde und Wagen, schöner, wie sie alle Gutsherren in der Runde besitzen.

Eilig durchschreitet er den Hohlweg, eilt die Schlucht hinauf und findet das graue Männlein noch beim Feuer sitzen.

„Ach! liebes Herrchen”, spricht er, „ich habe mir soeben eine zweite Pfeife gestopft, wollt Ihr mir nicht noch einmal Feuer geben? Ich bitt' Euch darum!"

Darauf erwiderte das Männlein: „Begehret nicht mehr, es möge Euch Verderben bringen!"

Doch unser Schäfer lässt sich nicht mehr abweisen, sondern dringt so lange mit Bitten in ihn, bis das Männlein ihm gestattet, so viel zu nehmen, als ihm gefällt. Und er füllt alle Taschen, auch seinen Hut und zuletzt selbst die Stiefel mit Kohlen bis zum Rande voll, bis nur noch ein ganz winziges Feuer übrig bleibt.

„Halt!" ruft darauf das kleine Männlein, „nun rühre nichts mehr an, sonst bist Du verloren!"

Keuchend eilt der Schäfer von dannen; doch je länger er geht, desto leichter wird seine Last, und wie er endlich die bewussten Tannen erreicht, fühlt er sie fast gar nicht mehr. Neugierig hebt er den Hut vom Kopf; er glaubt diesmal, anstatt Gold, Banknoten zu besitzen; allein wie groß ist sein Entsetzen, er findet nichts darin, wie trockenen Schafdünger. Auch alle seine Taschen und selbst die Stiefel sind damit gefüllt. Da kratzt er sich fluchend hinter den Ohren, und denkt: „Du bist zwar diesmal angeführt; allein was unter dieser Tanne dort verborgen ist, kann dir Keiner nehmen."

Doch wer beschreibt sein Entsetzen, wie er die Erde lockert und seinen Tabaksbeutel hervorzieht, so findet er auch diesen mit Schafdünger gefüllt, so wie auch das Tuch, und Alles, Alles ist verloren.

Betrübt und zerknirscht schleicht er mit dem ersten Morgengrauen nach Hause, sein widriges Schicksal aus innerster Seele verwünschend. Der Hofhahn empfängt ihn mit schadenfrohem Triumphgeschrei, und wie die Frau den nächtlichen Schwärmer empfangen, das mag sich Jeder selbst ausmalen.

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Noch gar manches Mal, wenn unser Schäfer bei stiller Nacht die Schafe gehütet, hat er seinem klugen Spitz die Wache allein anvertraut, ist hinabgestiegen in seine unheimliche Schlucht und hat gar laut und vernehmlich um Feuer gefleht; allein kein graues Männlein ist jemals ihm wieder erschienen.

So verdirbt sich die Habsucht oft selbst; also ergeht es dem Nimmersatt, der nicht genug bekommen kann!