Vom Spuk in Sandfeld bei Gadebusch.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 1
Autor: Von C. Masch, Pastor zu Demern, Erscheinungsjahr: 1858
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage,
Seit der Zeit (siehe die Sage: Vom meineidigen Vogt in Sandfeld bei Gadebusch) war es nun gar nicht geheuer in dieser Gegend am großen Steine, und wer da rumorte, das weiß man nicht genau. Die Meisten sagen freilich, es sei der meineidige Vogt gewesen, Andre aber sagen, es möge wohl der Lüder selbst gewesen sein; denn wer die Scheiden verrückt, der hat nimmermehr Ruhe, weil Gottes Wort spricht: „Verflucht sei, wer seines Nächsten Grenze angeht und alles Volk soll sagen Amen!"

Dem sei nun wie ihm wolle, die bösen Geister kamen in die Gegend, auf der die Blutschuld lag. In ihren Nebelkappen gehüllt, auf Untieren reitend, kamen sie heran, Zwerge und Gnomen und Eulen und gräuliche Katzen, wie solche Ungetüme erscheinen, wenn sie sich den Menschen sehen lassen zur Züchtigung wegen ihrer Sünden.

Es war aber am 26. Januar 1722, als es in Hans Joachim Dunkelmanns Haus in Sandfeld, das zum Gute Dutzow gehört, gar heftig anfing zu spuken mit heftigen Rumoren und allerlei seltsamen Aufzügen und Affenspiel, dass man gar nicht länger dabei dauern konnte.

Damit fing es an, dass die brennende Lampe auf der Diele weggenommen ward, es waren alle Leute dabei gegenwärtig und doch konnte man nicht sehen, wo sie geblieben, man hat sie auch nicht wiederfinden können, und als man sich andere Lampen lieh, da sind sie alle weggekommen. Und als es gegen Abend bald finster werden wollte, da ging das Rumoren erst recht an. Alles was in der Stube war, ward untereinander geworfen, und als am folgenden Tage den Leuten alles, was auf den Borten war, um die Köpfe geworfen ward, konnten sie doch Niemand sehen, der es tat. Und so ging es dann mit Poltern und Herumwerfen im Hause immer ärger fort mehrere Tage lang, es wurden die Türen und Wände zerschlagen und es blieb nichts auf seiner Stelle. Der Beutel mit Bohnen lief im Garten fort, und man sah Keinen, der ihn fortschleppte. Katzen rissen den Dorn heraus, womit man das Loch in der Wand verstopfe hatte; ein Talglicht, das man fand, konnte man nicht halten, und es war verschwunden, ohne dass man weiß, wohin es gekommen.

Bei all diesem Poltern und Rumoren ließen sich zwei fremde Katzen von Dunkelmanns Kindern sehen, aber die Eltern sahen sie nicht. Sie waren aber auch nicht als andre Katzen, sondern bald als ein Hund mit kurzen Ohren und dabei halb grau und halb weißlich. Und diese Katzen haben etliche Male auf dem alten Backofen getanzt und gesprungen; sind aber die Kinder zu ihnen gegangen, so sind sie immer nach Kneese heimwärts gelaufen und sind durch den Kneeser Bach geschwommen, und haben sich dann etliche Male umgesehen und gesprungen.

An einem Abend, da wollten die Kinder vom Hofe Holz einholen, da sahen sie Etwas, das auf dem Zaune saß, so groß etwa wie der kleine Hans von drei Jahren. Dasselbe sah pockennarbig aus, und hatte grüne, rote gelbe und blaue Streifen auf dem Leibe und sprang und hüpfte immer auf dem Pfahle. Da kam den Kindern ein Grauen an, und sie liefen ins Haus um die Mutter zu holen, als diese aber mit ihnen hinausgegangen, ist das Männlein schon weggewesen.

Es ist aber auch gar zu arg geworden, den ganzen Februar hindurch. Alles ward untereinander geworfen, es ist nichts im ganzen Hause fest geblieben; was in Stube und Kammer gewesen, ist auf der Diele oder im Garten wiedergefunden. Dabei ward auf die Leute geworfen, sogar mit eisernen Ringen von Pflügen, die glühend heiß waren; und die Bösen hatten weder Scheu vor dem Herrn Verwalter, noch vor dem Sonntag, denn auch da ward rumort und geworfen mit glühenden Eisen und Steinen. So ging es denn alle Tage fort, und immer kam was Neues. Der Deckel von der Lade tat sich von selber auf und zu, und obgleich sich zwei Kinder darauf setzen mussten, konnten sie ihn nicht halten; alles Zeug, was in der Lade war, ward hinausgeworfen, die Betten aus dem Gestelle, und es kam ein so unleidlicher Geruch in die Stube, dass man's darin nicht aushalten konnte.

Einmal, es war am 6. März, waren die Kinder allesamt im Hause auf der Diele und spielten, im Augenblick aber verlieren sich das älteste und das jüngste Mädchen von den Kindern, und als diese es den Eltern anzeigen, die sie suchen und rufen, da sind sie nirgends zu finden. Nach Verlauf einer halben Stunde stehen die beiden Mädchen auf der Diele, und als sie gefragt werden, wo sie gewesen wären, sagen sie, sie wüssten es nicht, es wäre ihnen vorgekommen, als wenn die Diele sich aufgetan und sie unter die Erde gegangen und in ein großes Haus gekommen, worin sehr viele Manns- und Frauenspersonen gewesen, aber alle ganz klein, wie ihr kleiner Hans von drei Jahren. Und am andern Tage sind die beiden Dirnen abermal hinweggekommen, und ihnen ist die dritte Dirne nachgefolgt, welche erst zu Mittag wiedergekommen, die beiden andern aber nach einer halben Stunde. Auch der älteste Junge ist von der Seite seiner Mutter weggekommen, kommt aber bald wieder auf die Diele zu stehen und sagt weinend, er sei unter der Erde gewesen.

Als darauf der Verwalter zu ihnen kommt, fand er, dass alle die Kinder, so ihrem Vorgeben nach unter der Erde gewesen, krank lagen und war der Junge insonderheit über seinen ganzen Leib so voll Blasen und Schwären, dass fast nichts Gesundes an seinem ganzen Leibe zu finden, und im Gesichte war er geschwollen.

Da erzählten denn die Kinder, Anna Catharina 13 Jahr, Anne 12 Jahr, Joachim Heinrich 10 Jahr und Elisabeth 5 Jahr alt, es sei ihnen vorgekommen, als ob die Erde sich vor ihnen auftäte und sie in einem Augenblick auf einer Treppe in dieselbe hineingegangen. Da wären sie in ein großes Haus gekommen, so inwendig schön ausgeputzt gewesen und das von Gold geglänzt habe. In diesem Hause waren viele ganz kleine Manns- und Frauenspersonen, welche nur so groß, wie ihr kleiner Hans — so ins dritte Jahr — und die hätten krumme Arme und Beine gehabt und dabei sehr große dicke Köpfe. Diese Leute waren gar sehr beschäftigt, etliche wären ausgereist, andere wieder zu Hause gekommen, etliche hätten sehr viel Essen gekocht, andere hätten das Vieh, als Ochsen, Kühe, Pferde so auch da gewesen, gefuttert und was dergleichen mehr wäre, was sie alles nicht so sagen könnten, wie sie es gesehen. Sie, die Kinder wären auch mit diesen Leuten in ihre Kirche gegangen, wo ein Prediger gepredigt hätte. Es hätten auch die kleinen Leute sie sehr gebeten, dass sie da bleiben sollten und hätten ihnen eine ganze Schürze voll Gold gegeben, als sie aber darin nicht willigen wollten, hätten sie ihnen das Gold wieder weggenommen, und dann wären sie im Augenblick wieder auf der Diele gestanden. Die beiden Mädchen, welche zuerst weggewesen, setzten noch hinzu, dass ihnen die kleinen Leute Essen und Trinken das erstemal angeboten, Anna Katharina habe davon gekostet, sie wisse aber nicht, wie es geschmeckt. Es wäre auch damals eine schöne Kutsche zu fahren kommen und hätten die Leute gesagt, es wäre ihr Oberster, der käme zu Hause. Es haben aber die kleinen Leute den Kindern verboten, nichts nachzusagen, oder es würde ihnen sonst nicht gut gehen. Die Kutsche aber hätte der Knabe von Kneese kommen sehen und wäre in ihrem Garten in die Erde hineingefahren und verschwunden.

Als der kleine Junge in der Stube allein war, hörte man ihn schreien und als die ältere Schwester hinzulief, fand sie ihn nicht mehr in der Stube, sondern bei dem alten Backofen, von wo sie ihn weggeholt, und hat das Kind gesagt, dass ihn eine kleine fremde, ganz weiße Dirne dahin gezogen habe.

Gar viel mehr noch kann man davon erzählen, wie die Unterirdischen ihr Possenspiel getrieben haben in Dunkelmanns Hause. Da haben sie gläserne Haven und Lampen und eine zinnerne Kanne zusammengebunden und oben am Stuben-Boden aufgehängt; ein andermal haben sie auf die Erde ein Tischlaken hingedeckt und dies mit Brot und Heringen besetzt, auch zwei Puppen daneben gestellt, als wenn sie essen wollten. Ein andermal, als die Tochter krank im Bette lag, flog dasselbe auf und nieder, als ob Schweine darunter wühlten; ein Wagen lief von selbst in den Kneeser Bach; mit Stangen ward in die Kammer hineingestoßen, und doch war Niemand zu sehen, der es tat.

Die Kinder aber konnten die Gespenster sehen; einmal sahen sie einen großen gelben Hund oben auf dem Stubenboden, der ungemein hässlich und grausam aussah, sein Maul war wie ein Kuhmaul und seine Nase wohl eine Elle lang, die Augen waren so groß, wie ein Kindskopf und hatte er nur drei Beine, denn das eine Hinterbein war nicht da. Der setzte die Stubentür mit einer großen Tonne zu, so dass weder die Mutter, noch die beiden Wächter, welche schon längere Zeit ins Haus gestellt waren, hinauskommen konnten. Ein andermal sahen die Kinder ein weißes Ding, als ein Kind, in ihrem Kohlhof über den Zaun springen und als der Geist bei dein Namen Nörken — Eleonore gerufen, da stand er stille und sagte ihnen, sie sollten ihm die blaue cattune Schürze bringen, so wolle er auch nicht wieder kommen. Sie ward hingebracht und kam über den Zaun, an den sie hingelegt war, ohne dass man Jemand sah, der sie hinüberzog. Gleich darauf berichteten die Kinder, der weiße Geist hätte ihnen gesagt, er sei ein Engel und darum gekommen, dass der große Kettenhund, so im Hause wäre, sie nicht ganz verderbe, sie sollten fleißig beten und sich zu Gott halten. Auf den Rat des Geistes stiegen nun Dunkelmann und seine Frau auf den Boden und trieben mit Forken den Hund fort, den aber Niemand sah, und da ward es denn einen Tag stille. Aber es lagen noch Teufel im Vorschauer, die wurden auch auf gleiche Weise hinausgetrieben, und ein schwarz Ding, wie eine Katze, kam heraus, das von einem der Kinder mit einem Stein geworfen wurde, wofür dem Vater nachher das Beil nachgeschleudert ward, aber es traf ihn nicht.

Ein andermal hatte eine große Maus den ganzen Ladendeckel so beschmutzt, als wären Gänse darauf gewesen, und nachdem es arg gepoltert hatte, und die Geister, wie sie sagten, noch „enen Gluptog dohn"*) wollten, schwangen sich viele raue Dinger, bald wie Kälber, aber nicht so groß, vor der großen Türe auf, und fingen an zu fliegen, und ein großer blauer Mann flog hinter ihnen her und hatte eine große Peitsche, womit er die Dinger immer peitschte. Die Eltern aber konnten es nicht sehen. Die Kinder aber sahen noch öfter die Gespenster; einmal als einen Jungen, der Alles in der Stube umstellte, dann zwei kleine Frauen, von denen die eine einen Sack Mehl auf dem Rücken, die andere zwei kleine Eimer auf einer Wassertracht trug; ein andermal nahm die kleine weiße Frau dem kranken Jungen den Pfannkuchen weg, den ihm die Mutter gebacken hatte. Lebensmittel wurden weggenommen, den Kindern die Kleider vom Leibe gerissen und was dem mehr ist; denn es hat ja bis zum 30. März, also etwa neun Wochen, also getobt, und es ist Alles ordentlich von dem Verwalter Haenell in Dutzow Tag für Tag aufgeschrieben worden, und als es ruhig geworden, wurde allen Leuten, die es erlebt hatten, die Geschichte vorgelesen und sie haben es vor einem geschworenen Notarius mit einem Eide bekräftigt, dass Alles so niedergeschrieben sei, wie sie es wahrgenommen. Und mit diesem öffentlichen Zeugnis ist Alles in Hamburg gedruckt worden, und es find, wenngleich nur wenige, doch noch einzelne Bücher vorhanden, worin dies kuriose Diarium von dem Poltergeiste in Sandfeld enthalten ist.

*) Soviel, als Einem unvermerkt recht derbe Eins versetzen, einen tollen Streich ausführen. Der Herausg.

Aber dem Gebete müssen auch die Geister der Finsternis weichen, und an Gebet ließ es auch der Pastor Adam Joachim Eckardi in Roggendorf, zu dessen Gemeinde der geplagte Dunkelmann gehörte, nicht fehlen. Er betete am Sonntage auf der Kanzel, er betete daheim in seinem Kämmerlein, er hielt Betstunde im Hause der Geplagten, und endlich fuhren auch hier die unsauberen Geister aus, die scheußlichen Untiere in Katzen- und Hundegestalt und es ward ruhig wieder.

Eines schönen Tages erschien ein graues Männlein im Fischerhause am Schallsee und hat den Fischer gedungen, den ganzen Tag über die Enge des Sees von Ufer zu Ufer unaufhörlich hin und her zu fahren. Und der Fischer sieht mit Erstaunen, dass sein Kahn auf der Fahrt nach Jenseits so tief geht, und wenn er zurückfährt, so flach, und endlich fragt er seinen grauen Gefährten, woher das so seltsam mit dem Kahne wohl sei. Da hat ihm das Männlein die Augen geöffnet, und er sieht, wie über die Lüneburger Berge, wie die Anhöhen dort genannt werden, in dichten schwarzen Zügen ein ganzes Heer von Kobolden in das Lauenburger Land hineinzieht.

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Wer aber in das schöne neue Herrenhaus in Dutzow eintritt, der sieht die ganze Geschichte von Lüder Lützow an bis zu dem Männlein im Kahne gar schön und sinnig dargestellt; die alten Geschichten müssen nicht vergessen werden, denn aus ihnen spricht Lehre und Warnung!

Mecklenburgs Volkssagen - Band 1

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