Verbindung der Hansestädte mit den deutschen Reichsstädten

Aus: Aus den Archiven der Hansestädte
Autor: Burmeister, Carl Christoph Heinrich (1809-1842) Theologe, Historiker, Publizist, Mitglied der königlichen Gesellschaft für nordische Altertumskunde in Kopenhagen und des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Erscheinungsjahr: 1843
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hanse, Hansa, Hansestädte, Freihandel, Zollverein, Preußen, Österreich, Zölle, Handelsschranken, Freihandel, Europa, Welthandel, Hamburg, Bremen, Lübeck
Den Austritt mehrerer Hansestädte aus dem Bunde (Breslau und Krakau 1474, Göttingen und Goslar 1579), die gänzlich veränderte Stellung der niederländischen Städte zum Bunde ließ die schon früher angeregte Frage eines engeren Bündnisses zwischen den Hanse- und Reichsstädten wieder hervortreten. Schon im J. 1450 hatten sich die Städte gegenseitig zu nähern gesucht. Straßburg, Basel und Frankfurt standen in lebhaftem Handelsverkehr mit Hamburg und Lübeck. Enger scheint das Bündnis oder die gegenseitige Korrespondenz erst zur Zeit der Reformation geworden zu sein. Aus der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts finden sich einzelne Schreiben nicht allein an Lübeck, sondern auch an andere einzelne Hansestädte. Wie sehr man im J. 1552 auch hier im Norden auf einen entscheidenden Schritt des Kaisers sich gefasst machte, beweist die den 17. Januar an den Kurfürsten Moritz von Sachsen abgefertigte Gesandtschaft und die den wendischen Städten mitgegebene Notul, wegen der Religion sich bei Zeiten zu einigen und sich bei Religion und Freiheit zu schützen. Späterhin, im J. 1566, hatte die Stadt Augsburg dem Syndikus der Stadt Lübeck, Herrmann von Rechten, angetragen, in guter Korrespondenz und Einigkeit zu bleiben. Es schien jedoch für die fränkischen und schwäbischen Städte ein fester Mittelpunkt , im Innern Deutschlands zu fehlen. Von Lübeck nach Basel führte fast durch lauter verbündete Städte eine sichere Landstraße. Mit großer Teilnahme wurde daher 1604 die Mitteilung Magdeburgs aufgenommen, dass Erfurt, Mühlhausen und Stendal der Hanse beizutreten geneigt seien. Fast unmittelbar darauf (auf dem Hansetage im April 1605) begannen die Verhandlungen mit den Reichsstädten von neuem. Vielleicht hatte Erfurt*) die Bestimmung, Mittelpunkt des nord- und süddeutschen Verkehrs zu werden. In einem Schreiben vom 9. April 1606 berichtet Lübeck an Wismar, „dass die Erbaren von Frankfurt einen gemeinen Städtetag**) den 11. Mai zu Worms ausgeschrieben und dann von der fünf korrespondierenden Städte Herrn Deputierten zu Braunschweig für nützlich und hochnötig gesehen, dass derselbige Städtetag in gemeiner Erb. Hansestädte Namen durch Herrn Dr. Johann Domann, Generalsyndikus der Hanse, besucht und deshalb der auf Cantate ausgeschriebene Hansetag bis Trinitatis verlängert werde.“

*) Über Erfurt musste schon früher ein wichtiger Handelszug von den Hansestädten auf Nürnberg und Augsburg gehen. Im J. 1477 wurden Erfurtsche Laken nach Dänemark von Lübeck verschifft, und alle Sorten gesalzener Fische, welche nur durch die Hansestädte zu beziehen waren, finden sich in der sächsischen Geleitstafel v. J. 1441 erwähnt. Dass Erfurt schon 1430 der Hanse beigetreten, wie Dominikus „Erfurt und das Erfurtische Gebiet“ Th. I. S. 354 behauptet, beruht auf einer Verwechslung mit Herford. Auf dem Hansetage 1430 steht in den wismarschen Hanseakten ganz deutlich Hervord.

**) Nach einer Andeutung in dem Rezesse des Hansetags v. J. 1605 war dieser Städtetag von den Hansestädten erbeten.

Die Artikel des im J. 1606 eingegangenen Bündnisses wurden auf dem Hansetage zu Trinitatis mitgeteilt, und sollte die Ratifikation baldmöglichst erfolgen. Sie lauten folgendermaßen:

Unverbindlicher Vorschlag einer nähern Defensiv-Einigung zwischen den Erb. freien Reichs- und Hansestädten (in Wismar’schen Hanseakten Vol. 63).

1) Vorerst wäre die zu beiden Teilen beliebte gemeine Korrespondenz, so auf guten treuen Rat und bloße Verwahrung stehet zu wiederholen und zu bestätigen.

2) Demnach diese nähere Einigung auf die goldene Bulle, Konstitution des Landfriedens, Exekutionsordnung und jura communia zu fundieren.

3) Insonderheit zu cavieren, dass solche zu keiner Offension und Präjudiz habenden Hoch- Ober- und Gerechtigkeit oder zu Entziehung der K. M. und einer jeden Stadt Obrigkeit schuldigen Gehorsam gemeint sei.

4) Sondern allein zu Handhabung des Landfriedens, Exekutionsordnung und Abwendung aller feindlichen Gewalt und Überfalls.

5) Es sollen auch die Religions-Irrungen hiervon exzipiert werden.

6) Wann dann eine Stadt sich einiges Überfalls besorget oder mit Verbietung der Kommerzien, Aus- und Einfuhr und Sperrung und Pass zu Wasser oder Land benötigt würde, das soll von derselben oder wofern solches nicht möglich, von der nächstangesessenen Ihres Quartiers ausschreibender Stadt denunziert werden.

7) Dieselbe soll sub certa poena innerhalb acht oder vierzehn Tagen, darnach die Sachen Eil erfordern, des Quartiers angehörige Städte zu konvozieren ...

8) Hierbei sollen die glimpfliche, gütliche Wege mit Interzession, Schreiben oder Beschickung des Offendenten Ersuchung der K. M. und Kreisoberst, vermöge der Exekutionsordnung vorhergehen.

9) Und zugleich bedacht werden, was zu Besetzung der bedrängten Stadt an Kriegsvolk und Munition wie auch zu Eröffnung der Pass aus des Quartiers Vorrat auf weitere Not und man vorgesetzte Mittel nicht helfen wollen, verschafft werden soll.

10) Wofern aber die Stadt dermaßen belagert, dass kein Volk oder Munition einzubringen auch einem Quartier die Entsatzung zu schwer fiele, alsdann soll des Quartiers ausschreibende Stadt, wo es die Zeit erleiden kann, alle oder subsistente pericule etliche gewisse Städte aus beiden Kollegien der freien Reichs- und Hansestädte zusammen erfordern und dieselbe insgemein mit Rat kriegserfahrener Personen, was zu Entsetzung der bedrängten Stadt an Volk, Obristen, Hauptleuten, Proviant, Munition und sonsten nötig bedenken, auch dazu aus aller Quartier Legkasten den Vorrat an Geld, und was daraus nicht zulangt, durch gleichnamige Kontribution zusammenbringen und schaffen.

11) In alle Wege soll den Offendenten keine Zufuhr an Proviant, Kraut (Pulver), Loch (Blei), Munition noch einige Werbung und Durchzug des Volkes bei den verwandten Städten verstattet noch zugelassen werden.

12) Es soll auch die ganze Direktion vorbeschlossener Entsetzung des Quartiers ausschreibende Stadt mit Zuordnung zwen oder drei nächst gesessener oder anderer bequemer Städte erfahrener Deputierten, wie es der bedrängten Stadt am gelegensten anbefohlen werden.

13) Wann aber die ausschreibende Stadt selbst in Gefahr stünde, müsste die nächstgesessene das Ausschreiben verrichten und die Direktion entweder derselben oder anderen nach Gelegenheit der bedrängten Stadt aufgegeben werden.

14) Zu besserer Effektuierung voriges Alles wären die Städte in etliche Quartiere auszuteilen und jedem eine ausschreibende Stadt auch ein oder zwei Leg-Städte zuzuordnen.

15) So müsste auch zum Vorrat eine sichere Summe von allen Städten zugleich beigebracht und dazu alle Jahr ein benanntes pro pro annuo in certo termino sub dupli in jedes Quartiers Leg-Stadt eingeliefert werden.

16. Zum Legkasten sollen alle des Quartiers angehörige oder zum wenigsten drei Städte die Schlüssel haben.

17. Was dann für die bedrängte Stadt ex communi aerario angewendet, müsste nach deren Befreiung entweder ganz oder zum halben Teil auf leidliche Ziel entweder ganz erstattet oder nach Umständen verzinset werden.

18. Über dies soll eine jede Stadt mit einer sichern Anzahl von unterschiedlichen wahren Rüstung, Kraut und Loth, intra certum terminum sich gefasst machen, damit man dieselbe im Fall der Not zu gemeiner oder eigner Defension gegen billige Erstattung aus dem Vorrat haben und gebrauchen mögen.

19. Dergleichen wäre gut, dass in allen oder jeder vornehmsten Quartierstädten ein erfahrener Hauptmann in Besoldung oder Wartgeld zu obgesetzter End im Fall der Not das Volk zu werben und zu bestellen unterhalten würde. Alles sub correctione et salva relatione et ratificatione. Addantur superioribus sequentes articuli.

20. Wann einige Städte für sich selbsten in Unlust Krieg anfangen würdt, ohn Vorwissen der andern mitvereinigten, dass sie alsdann der Hilfe nicht gewärtig sein soll.

21. Welche Stadt auch wegen dieser Hilfe in Not und Gefahr geriet, dass dieselbe gleicher Hilfe genießen müsse.

22. Und dann dass diese hilfliche Einigung andern nichts derogieren noch dieselben aufheben auch certos annos allein restringiert sein solle.

So unbedeutend diese wenigen Zeugnisse eines Bündnisses zwischen den Reichs- und Hansestädten erscheinen mögen, so entschieden offenbaren sie den Drang des Zeitalters selbst in den am meisten individuell ausgeprägten Lebensformen des Städtelebens die Sehnsucht nach einer Einigung des deutschen Vaterlandes.*)

*) Auf dem Hansetage zu Lübeck 1606 Trin. wurde beschlossen: „es soll wann ein Reichstag berufen nach Ablauf der drei Monate umb sonderbare Convocation und Berufung der zwölf Deputierten an einen andern gelegenen Ort bei den Erbaren von Straßburg, Nürnberg, Ulm und Frankfurt als ausschreibenden Städten sollizitiert, daneben die Ratifikation dessen, was jüngst a Legatis nostris verhandelt eingeschickt werden. Bremen und Magdeburg sollen neben dem hansischen Syndikus mit den Reichsstädten unterhandeln.“

Kaum war der hansische Syndikus von seiner Reise zum Städtetage zu Worms zurückgekehrt, als ein anderer Umstand die Aufmerksamkeit der Hansestädte auf sich zog. Der Kaiser Rudolf II. verlangte innerhalb vier Wochen a dato Prag 30. Mai 1606 von den Hansestädten die Edition ihrer Privilegien und Statuten. Auf dem Hansetage zu Lübeck Trin. 1607 wurde Dr. Johann Domann beauftragt, die Vorstellung der Hansestädte gegen das kaiserliche Dekret zu entwerfen, welche den 26. Junius dem Kaiser übergeben wurde.*)

*) Der Kaiser hatte wegen des Kriegs in Ungarn von den Hansestädten 100.000 Thaler verlangt, aber trotz des großen Mitleids war dem Verlangen nicht gewillfahrtet worden.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass man von Seiten der Hansestädte nicht abgeneigt war, den Statthalter der Generalstaaten als solchen zu gewinnen. Vorher suchte man jedoch durch eine Gesandtschaft nach Spanien die dortigen Verhältnisse näher zu erkunden. Wir wissen, dass der hansische Syndikus bei seiner Rückkehr aus Spanien die Reichsstädte besuchte.

Die Gesandtschaft nach Spanien entsprach nicht den Erwartungen und es blieb den Hansestädten keine andere Hilfe als die eines engeren Anschließens an die Generalstaaten. Darauf bezieht sich denn auch das kaiserliche Schreiben im J. 1609, welches den Hansestädten den Vorwurf der Konspiration macht. Der Kaiser Rudolf konnte das Bündnis der Hansestädte mit den Generalstaaten jedoch nicht hindern. [gekürzt]

Es erfolgte dann am 20. Dezember auch das Schreiben der Hansestädte an den Kaiser, in welchem dasselbe, was von der Stadt Lübeck vorgebracht, wiederholt und kräftigst beteuert und des Kaisers Maximilian II. Konfirmation von 29. Oktober 1564 vorgehalten wurde. Das Bündnis mit den Generalstaaten war jedoch noch nicht geschlossen, indessen dauerten die Unterhandlungen lebhaft fort. Das eigentliche Bündnis wurde erst im Okt. 1615 mit großer Heimlichkeit geschlossen und sollte auch nur auf die Handhabung und Schirmung der freien Schifffahrt und Handlung sich beziehen. Auf der Tagefahrt zu Rostock (16. Okt. 1615) wurde jedoch „wegen Verstärkung gegen unziemliche Gewalt durch Bündnis mit den Generalstaaten“, freilich ohne Wissen der Bürgerschaft verhandelt, Rostock, Stralsund und Anklam baten besonders um Verschweigung ihres Namens. In Wismar wurde der Vertrag nur mit Modifikationen von den Bürgern genehmigt.*) Die nächste Folge des Bündnisses war die Entsetzung Braunschweigs durch ein staatisches Hilfscorps**) und der Friede der Stadt mit ihrem Landesherrn am 21. Dezember 1615, worauf den 26. Dezember auch Braunschweig und am 27. Dezember 1615 Magdeburg und Lüneburg beitraten.

*) In der Rechtfertigung der Stadt gegen ihren Landesherrn Herzog Adolf Friedrich 26. Januar 1616 heißt es:
„Die Stadt wolle sich in keine neue verbotene liga begeben, bloß Ergänzung und Integration des alten Hansebundes, bei gemeinem hansischen collegie und weil zu solchem Bund nicht allein die genannte Osterschen sondern auch die Niederländischen Hansestädte von unerdenklichen Seiten gehörig, ob darmit solchen Niederländischen Hansestädten oder mit den Herrn Staaten General zu deren Verfassung itzgegemeldte Städte, die nächste Jahr geraten, solche Bündnis und welcher Gestalt und Maßen am füglichsten und ersprießlichsten zu erfrischen und zu bestätigen, sei bei gemeinem hansischen collegio eine Zeit lang geratschlagt worden. — Auf dem Hansetage zu Lübeck 10. September 1615 waren die niederländischen Städte in großer Anzahl versammelt: Nymegen, Deventer, Zutphen, Arnheim, Tiell, Bommel, Duisburg, Harderwyk, Elborg.


**) Beim Abzuge dieses Corps fand man an einer Wand in der Abtei zu Loccum folgende Reime:

        Gott befahl dem Kaiser die Welt;
        Do stand de Welt oprecht.
        De Kaiser befahl dem König die Welt;
        Do began die Welt tho sinken.
        De König befahl dem Duc d'Alba die Welt;
        Do began de Welt tho hangen.
        Duc d'Alba befahl den Mönchen die Welt:
        Do kom dat unnerste boven.


(Hovemann Gesch. der Lande Braunschweig u. Lüneburg II Th. S. 10)

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