Unsere Bauernhochschulen

Aus: Mecklenburg - Ein Heimatbuch
Autor: Priester, Hermann Dr. (1883-1950) Pädagoge und Publizist in Rostock, Erscheinungsjahr: 1925
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Bauernhochschulen, Bildung, Landwirtschaft, Schule, Bauern
Der Gedanke der Bauernhochschule stammt aus den nordischen Ländern. Er hat in Deutschland schon vor dem Kriege Eingang gefunden in der Provinz Schleswig-Holstein. In Mecklenburgr ist diese Schlart bald nach dem Kriege auf Anregung des Mecklenburgischen Landesvereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege entstanden. Wir haben zur Zeit zwei Bauernhochschulen in Mecklenburg, eine für Landtöchter in Wiligrad und eine für Landsöhne in Friedrichstal. Die Bauernhochschulen sind keine staatlichen Anstalten, sondern sie werden von dem Verein "Bauernhochschle" unterhalten, dem annähernd 500 Bauern angehören. Der Name Bauernhochschule wird oft falsch verstanden: es ist keine Schule ausschließlich für Bauernkinder, wenn auch unser Großbauernstand, die Hofbesitzer, stets die meisten Schüler und Schülerinnen stellen wird. Sondern es ist eine Schule für die gesamte erwachsene Landjugend über 18 Jahre. Für uns ist jeder "Bauer", der den Acker bebaut. So wollen also die Bauernhochschulen die Hochschulen der Landjugend sein. Wie wollen sie das erreichen?

Zunächst wollen sie einen ländlichen Bildungsweg schaffen helfen, der über Dorfschule, Fortbildungsschule und Fachschule zur Bauernhochschule führt. Dieser ländliche Bildungsweg soll mehr als bisher die Landjugend auf dem Lande festhalten, sie den großstädtischen Einflüssen entziehen und ihnen eine Bildung vermitteln, die, aufbauend auf nur deutschem Bildungsgut, der sogenannten höheren Bildung gleichwertig ist. Dieser Bildungsweg nimmt insofern Rücksicht auf die sich auf das Sommerhalbjahr stark zusammendrängende landwirtschaftliche Arbeit, als Fortbildungs-, wie Fach-, wie Bauernhochschule nur im Winterhalbjahr geöffnet sind. Auf der Dorfschule soll das Landkind die allgemeine Grundbildung erhalten, nur die Naturkunde soll es schon auf den späteren landwirtschaftlichen Beruf hinweisen. Die ländliche Fortbildungsschule soll das auf der Dorfschule Gelernte vertiefen, mehr als diese den Stand als Landbewohner berücksichtigen und die Bedeutung der Heimat in den Vordergrund stellen. Die landwirtschaftliche oder gewerbliche Fachschule soll ausschließlich Fachwissen vermitteln, während die Bauernhochschule bei der nunmehr gereiften Jugend die Erkenntnis fördern und das Selbsturteilen erleichtern will.

Die Bauernschule ist also keine Fachschule, sonder eine ländliche Gesinnungsschule. Im Vordergrund jeder Betrachtung steht das Land, die eigene Heimat. Stets wird von der nächsten Umgebung, dem Heimatdorf ausgegangen und von hier dann der Blick auf das Ganze gelenkt, den Fäden nachgegangen, die die Heimat mit dem großen Vaterland, die den Mecklenburger mit dem Deutschen innerhalb und außerhalb der Grenzpfähle verbinden. Die jungen Leute werden in die deutsche Geschichte eingeführt, so weit es zum Verständnis der Gegenwart notwendig ist, sie lernen in großen Zügen unter besonderer Berücksichtigung der Heimatliteratur das deutsche Schrifttum kennen, die Volkskunde soll ihnen die Bedeutung des heimischen Volkstums näher bringen, die Hochachtung vor den Sitten und Gebräuchen der Väter befestigen. Die Volkswirtschaft soll den Blick über den eigenen Hof auf die Gesamtheit der Landbevölkerung lenken und die politische Einstellung über den reinen Parteistandpunkt erheben. Es wird aber nicht nur der Geist, sondern es werden auch Körper und Gemüt auf der Bauernhochschule durch Turnspiele aller Art, durch Gesang und Musik gepflegt.

Da die Schüler und Schülerinnen in einem Heim untergebracht sind, kann mehr als auf anderen Schulen die Willens- und Gemütsbildung hier gepflegt werden, nicht allein durch die ständige Beeinflussung von Seiten aller Lehrenden, sondern auch durch den dauernden Umgang mit den Kameraden. Tüchtige Soldaten sollen als Pioniere ländlicher Kultur von der Bauernhochschule ins Land geschickt werden. Warum sollten nicht aus diesen Soldaten auch einmal Offiziere werden, die zu Führern des Landvolks emporwachsen? Mag das nun möglich sein oder nicht, von größter Bedeutung wird allenfalls der Geist sein, der von der Bauernhochschule ausgehend allmählich das ganze Land durchdringt, ein geist, der das Echte vom Unechten zu unterscheiden weiß, ein Geist, der vom Materiellen ablenkt zu wahren, bleibenden Gütern des Menschen, zum deutschen Idealismus.

Ob es möglich sein wird, durch die Bauernhochschulen eine ländliche Kultur wiederzuschaffen, wie Deutschland sie in den rein bäuerlichen Gegenden Westelbiens Jahrhunderte lang besessen hat, kann erst die Zukunft lehren, wohl aber wird es möglich sein, durch diese Schulen eine rein deutsche Kultur, befreit von allen Schlacken westeuropäischer Zivilisation, der Landbevölkerung zu vermitteln. Auf keiner Schule wird so stark auf die "Umwelt" des Landbewohners einzuwirken versucht als wie hier, auf seinen ganze Umgebung, die sich durch Haus, Inneneinrichtung, Kleidung und Sprache, mit einem Wort: durch das Volkstum ausdrückt. Erweckung des Interesses für heimatliche Bauweise, Schaffung echter Bauernmöbel, Herstellung eigener Trachten durch die Mädchen in der Spinn- und Webstube, Pflege der heimatlichen Mundart in Rede und Schrift, das sind alles Mittel, um die Bauernhochschulen zu Trägern einer selbstbewussten ländlichen Kultur zu machen. So sollen die Bauernhochschulen Heimatschulen im wahrsten Sinn des Wortes werden, aus denen heimatfeste und heimatfrohe Männer und Frauen hervorgehen, die, stolz auf ihre Eigenart, dennoch den Blick für die Allgemeinheit nicht verloren haben. -

Schloss Wiligrad im Jahr 2013

Schloss Wiligrad im Jahr 2013

Bauerntanz

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