Ueber das Historische in Schillers Wallenstein

Von Wallensteins wahrer Natur und dem Urteil der Geschichte
Autor: Helbig K. G. (?), Erscheinungsjahr: 1852
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Dreißigjähriger Krieg, Wallenstein, Schiller, Goethe, Geschichte, Historiker, Theaterstück
Den 12. Oktober 1798 ward das auf Goethes Veranlassung vom Stuttgarter Baumeister Thouret neu ausgeschmückte Schauspielhaus in Weimar mit Wallensteins Lager eröffnet. Im Januar 1799 folgte die Aufführung der Piccolomini, im April Wallensteins Tod. Die ernstere Beschäftigung mit der Geschichte, zu welcher der große Dichter seit seiner Anstellung als Professor in Jena 1789 genötigt wurde, hatte ihn frühzeitig auf die Geschichte des dreißigjährigen Kriegs geführt, die er mit fleißiger Benutzung der damals zugänglichen Quellen, aber auch da, wo ihm das Material fehlte, oft mit einem überraschend glücklichen Takte geistvoller Kombination *) und in einer damals in der historischen Literatur noch ungewöhnlich anmutigen Form behandelte, die jenes Buch auch jetzt noch sehr beachtenswert erscheinen lässt, wo wir nach den zahlreichen geschichtlichen Aufklärungen derlezten Jahrzehnte viele darin erzählte Tatsachen und Urteile berichtigen müssen. Mancherlei Pläne für epische und dramatische Behandlung aus der Geschichte dieses Krieges waren bereits in der Seele des Dichters aufgetaucht, bis er sich im März 1796 für die dramatische Bearbeitung des Wallenstein entschied.

*) Nach den Nachrichten der Frau v. Wollzogen, S.160, äußerte Schiller selbst, die Geschichte sei ein Magazin für seine Phantasie, Geschichtsforscher dürften bei ihm sich keinen Rat holen. Morgenblatt. 1852, Nr, 30.

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Wir ersehen aus dem Briefwechsel zwischen Schiller in Jena und Körner in Dresden, wie sich der spröde Stoff allmählich zu dem schönen Kunstwerk abklärte, das dem deutschen Volke vor allen Dramen seines Lieblingsdichters lieb geworden ist. Je strenger die Forderungen waren, die der durch eigenes Streben und durch seines Freundes Goethe einflussgereifte Dichter nach der vieljährigen Unterbrechung seiner dramatischen Produktion an sich selber stellte, desto größere Schwierigkeiten mussten überwunden werden. *) Rechnet man noch dazu andere Arbeiten, die ihn während dieser Zeit vielfach in Anspruch nahmen, und sehr bedeutende Anfälle seiner Krankheit, die seine Tätigkeit oft lange Zeit hinderten, so muss man um so mehr des großen Geistes Kraft bewundern, welche trotzdem in verhältnismäßig so kurzer Zeit ein solches Meisterwerk ins Leben rief.

*) Vgl. besonders im Briefwechsel Bd. 3, 394 ff.

Um die in dem Briefe bei Körner (Bd. 3, 395) erwähnte Grundlage des Unternehmens des Helden, das Wallenstein'sche Heer, auf welchem er ruht und durch welches er fällt, lebendig vor das Auge der Zuschauer zu bringen, schrieb er schon im Juni 1797 das Lager als Prolog zur Tragödie, das Körnern, wie andern Freunden des Dichters, in der Behandlung überraschend Goethisch vorkam, ein dem Dichter willkommenes Zeugnis dessen, was er noch im vollen Besitz seiner gereiften Eigentümlichkeit, der er sich freute, *) an Sinn und Kraft für Auffassung und Darstellung des Realen gewonnen hatte.

Erst im September 1798 teilte er die während der Arbeit sehr ins Breite gehende Tragödie, in zwei Teile. Der erste Teil in fünf Akten, ein Schauspiel, wie er es selbst bezeichnet, die Piccolomini, wurde die Exposition zur eigentlichen Tragödie, zu Wallensteins Tod. Daher durften die Piccolomini mit einer Dissonanz schließen, die ihre Lösung in der sofort Tags darauf dargestellten Tragödie finden sollte. Unsere Bühnen kümmern sich darum freilich meistens nicht und stellen bald das eine, bald das andere Drama dar, was gerade so ist, als wenn heute die drei letzten Akte, und ein anderes mal die beiden ersten Akte des Wilhelm Tell aufgeführt würden.

Betrachten wir zunächst das Vorspiel, das Lager bei Pilsen. Dort war des Herzogs Hauptquartier im Herbste 1633. **) Was zum Verständnis seiner Geschichte bis dahin festzuhalten notwendig ist, muss wohl hier mit wenigen Worten übersichtlich zusammengestellt werden.

Albrecht Eusebius von Waldstein aus einer böhmischen, nach einem deutschen Schlosse genannten Familie, von den die harten deutschen Laute verschmähenden Böhmen Walschtein genannt, woraus die Deutschen schon damals wieder Wallenstein machten, war den 14. September 1583 in Hermanitz an der obern Elbe geboren, nach dem frühzeitigen Tode seiner protestantischen Eltern auf Veranlassung eines katholischen Oheims bei den Jesuiten in Olmütz erzogen und durch einen Jesuiten Pachta, der sein Vertrauen gewonnen hatte, zur katholischen Kirche zurückgeführt worden. ***) In Altorf und beim Markgrafen von Burgau in Insbruck scheint er nie gewesen zu sein; er ist mit einem andern Waldstein verwechselt worden und die daran geknüpften Geschichten, wie die in unserem Gedichte erwähnte Karzertaufe in Altorf sind Sagen, wie sich solche im Volksmunde von jedem bedeutenden Menschen bilden. Das Leben lernte er auf Reisen durch Deutschland, Frankreich, England und Italien, den Krieg erst gegen die Türken, später gegen die Venetianer kennen, wo er dem Erzherzoge Ferdinand von Steiermark mit guter Hilfe diente. Seine großen Verdienste um die Kaiser Mathias und Ferdinand im böhmischen Kriege, so wie eine energische aber nicht immer ehrenhafte Industrie verschafften ihm viele Güter und große Auszeichnungen. Als Herzog von Friedland und im Besitze einer Herrschaft von ungefähr sechzig Quadratmeilen warb und organisierte er mit großer Umsicht auf eigene Kosten ein Heer für den seither von Max von Bayern und der katholischen Liga abhängigen Kaiser, verjagte des Kaisers Gegner und stand 1629 als mächtiger Reichsfürst, vom Kaiser mit Mecklenburg belohnt, und als gewaltiger Herr von Norddeutschland da mit großen Entwürfen für seine und des Kaisers Zukunft in Deutschland, das, mit dem Verluste der evangelischen Freiheit, damals ein eigenes Reich werden zu können schien.

* Vgl. Briefwechsel Bd. 2, 39.
**) Jedoch lagen daselbst nur einige Regimenter. Die übrigen Truppen waren und blieben der Verpflegung wegen den Winter über in ganz Böhmen zerstreut. Nach einer von mir aufgefundenen Liste lagen im Lande 27 Regimenter (243 Fähnchen) Fußvolk, 23 Regimenter (176 Kompanien) Reiter. In Schlesien 115 Fähnchen Fußvolk, 129 Kompanien Reiter.
*** Diese Aufklärungen verdankt man Palacky. Vgl. Böhm. Museum 1831. 1 H. (nach Cerwenkas Manuskripten in Prag).


Da wurde auch den katholischen Reichsfürsten bange und sie nötigten den Kaiser 1630 auf dem Reichstage von Regensburg, den Herzog zu entfernen, der sich willig aber voll Rache gegen seine Feinde auf seine böhmischen Güter zurückzog. Hier lebte er in fürstlicher Pracht, vielleicht bereits in verräterischen Unterhandlungen mit den Schweden, worüber bis jetzt urkundlich nichts nachgewiesen ist, bis des großen Schwedenkönigs Gustav Adolphs Glück den Kaiser nötigte, den Herzog von Friedland um Rettung anzugehen. Nach langem Zaudern übernahm dieser 1632 wieder den Oberbefehl unter Bedingungen, die er niemals von dem Kaiser fordern durfte; denn der Kaiser wurde dadurch vom Herzoge ganz abhängig und der Kriegsherr kam in ein Verhältnis zu seinem Diener, welches ganz unnatürlich und unerträglich war. Wallenstein brachte wieder schnell ein großes Heer zusammen, das ihm ganz ergeben war und vom Kaiser nicht viel wusste, nötigte den sächsischen General Arnim, der siegreich in Böhmen eingedrungen war, zum Rückzuge nach Sachsen, schwächte Gustav Adolph bei Nürnberg, verlor aber am 1. November die Schlacht bei Lützen gegen die Schweden, die ihren König auf dem Schlachtfelde ließen, und zog sich nach Böhmen zurück. Bis hierher war der Kaiser mit dem, was der Herzog getan hatte, völlig zufrieden.

Im Frühjahr 1633 erschien der Herzog mit einem wohlgerüsteten Heere auf dem Kriegsschauplatze in Schlesien, welches, unterstützt von den Sympathien der evangelischen Bevölkerung, Arnim mit einem sächsisch-brandenburgisch-schwedischen Heere besetzt hatte. Statt den schwächeren Feind aus Schlesien zu werfen, knüpfte er mit Arnim Unterhandlungen an, die, wie ich an einem andern Orte aus den Akten des Dresdener Archivs gezeigt habe, *) zwar auf keinen Verrat gegen den Kaiser zielten, sondern nur eine Ausgleichung mit Sachsen und Brandenburg zur Vorbereitung des auch dem Herzog erwünschten allgemeinen Friedens bezweckten, die aber bei der Untätigkeit und Verschlossenheit des Herzogs, der von seinem Tun und Treiben dem Kaiser keine Rechenschaft gab, dem Kaiser höchst bedenklich scheinen mussten. Diese Verhandlungen scheiterten das eine mal an der Unentschlossenheit des Kurfürsten von Sachsen, das andere mal an des Herzogs plötzlicher Sinnesänderung; und Sachsen, Brandenburger und Schweden wurden von einem Misstrauen gegen den Herzog erfüllt, das er später, als er aufrichtig ihren Beistand suchte, schwer büßen musste.

*) Wallenstein und Arnim 1632—34 von K. G. Helbig. Dresden 1850.

Nach dem plötzlichen Abbrechen dieser Verhandlungen suchte Wallenstein den unzufriedenen Kaiser und die schon längere Zeit ihm grollende spanisch-bayrische Partei dadurch einigermaßen zu beruhigen, dass er, nachdem er Arnim von der Oder weggelockt, ein kleines schwedisch- brandenburgisches Heer im Oktober bei Steinau an der Oder überfiel und zur Übergabe zwang. Diesen mit leichter Mühe gewonnenen Vorteil benutzend, drang er gegen Sachsen und Brandenburg vor, als die Nachricht von dem Fall Regensburgs und der Bedrohung der kaiserlichen Erblande durch die Schweden unter Bernhard von Weimar mit der Mahnung sofortiger Hilfeleistung im November eintraf und ihn nötigte, mit Zurücklassung des Generalleutenants Gallas in Schlesien, einen großen Teil des Heeres nach Böhmen zu führen. Von Pilsen aus, wo er im November sein Hauptquartier nahm, machte er mit einigen Reiterregimentern eine Recognoscirung über die böhmische Grenze bis zu den ersten schwedischen Posten in Bayern und schrieb darauf an den Kaiser, dass jetzt nichts zu tun sei und in Böhmen Winterquartiere genommen werden müssten.

An diese Zeit nun knüpft der Dichter in seinem Lager an. Allerdings lässt er die Nachricht von Regensburgs Einnahme erst jetzt eintreffen, während sie schon angelangt war, als die Armee noch in Schlesien stand, und drängt das, was sich vom Ende Novembers 1633 bis Ende Februars 1634 in einem Zeitraum von drei Monaten in Pilsen und Eger begab, hier und in den beiden folgenden Gedichten in einen Zeitraum von wenigen Tagen zusammen.

Das Vorspiel soll, wie oft bemerkt worden ist, den Geist des Wallenstein'schen Heeres uns vergegenwärtigen und das Unternehmen des Helden motivieren. Es geschieht dies durch treffliche Genrebilder des Lagerlebens, die ganz die Färbung der Zeit tragen, der sie angehören, nur dass der Dichter durchweg, aber ohne den eigentümlichen Charakter der Zeit zu verwischen, die Farben milder aufgetragen, die Rohheit und Gemeinheit und das Elend dieser fürchterlichen Zeit nur angedeutet, überhaupt die entsetzliche Wirklichkeit in anmutigster Kunstform idealisiert hat, in welcher Weise sie allein einer poetischen Behandlung fähig war. Wie heiter und anmutig unterhalten wir uns beim Lesen und Zuhören an den Klagen des verschmitzten Bauern im Eingange des Lustspiels, an dem kecken Mute des die Eltern und die Braut verlassenden Rekruten, nach den Kriegsschilderungen des Jägers, an den tollen Äußerungen des Übermutes einer wilden Soldateska, zumal sie in der gutmütigen Betrachtung der Not der Zeit oder in einer idealisierten edleren Auffassung des Kriegshandwerks in einzelnen Charakteren ihren Gegensatz finden. Aber bei längerer Betrachtung wird doch auch in diesem heiteren Bilde der grauenerregende Hintergrund einer Zeit und eines Kriegs sichtbar, wie ihn kein anderes bereits gebildetes Volk ausgestanden und überstanden hat, eines Krieges, der den Wohlstand und die Bildung unseres Vaterlandes auf ein Jahrhundert zerstört und die deutschen Fürsten und Völker auf ein Jahrhundert um ihr Selbstgefühl und um ihre Ehre gebracht hat. — Städte und Dörfer wurden in Unzahl niedergebrannt, Männer, Frauen und Kinder überall auf kannibalische Weise zu Tode gemartert, öfters Leichen vor Hunger verzehrt, kurz jedes höhere Gefühl und edlere Streben in der täglichen Angst um die Erhaltung des nackten Lebens erdrückt. Katholiken und Protestanten, die ja namentlich in den späteren Jahren in den Heeren beider Parteien bunt durcheinander gemischt waren, Kaiserliche und nach dem Tode Gustavs auch Schweden, Deutsche und Fremde wüteten in den Armeen beider Teile. Das theatrum europaeum, die wichtigste allgemeine Chronik der Geschichte jener Zeit, die Städtechronisten, der geistvolle Roman eines Zeitgenossen, der Simplicissimus, den Bülows Bearbeitung auch in größeren Kreisen verbreitet hat, Philanders von Sittewald Gesichte und ähnliche Schriften geben ein treues Bild jener Zustände.

Die Personen, die in diesen Bildern vor uns treten, sind durchweg nach Charakter, Nationalität und Stimmung unterschiedene Individuen, mehr oder minder über die gemeine Wirklichkeit erhoben, ohne derselben entfremdet zu werden. Denn die gemeine Wirklichkeit hat in einzelnen zerstreuten Erscheinungen überall das in sich, was der wahre Dichter leicht herausfindet und ergänzt und veredelt konzentriert und so zur poetischen Darstellung eines solchen Stücks Leben benutzt. Den gewöhnlichen Schlag der Lagerweiber, wie sie mit Buben und Gesindel zu Tausenden die damaligen Heere begleiteten, *) konnte der Dichter nicht zu seiner Marketenderin verwenden. Aber die Farben zu dieser Gestalt konnte er aus einzelnen Zügen jener Zeit und dem Leben solcher Menschen, wie sie noch jetzt sind, wohl entlehnen. Sein Urbild zum Kapuziner war bekanntlich der originelle Strafprediger in Wien, Abraham a Santa Clara, und ein solcher Humor konnte sich ja auch dreißig bis vierzig Jahre früher in den Predigten eines herumziehenden Mönchs entwickelt haben, wenn ihn auch die Literaturgeschichte nicht namhaft machen kann.

Von historischen Beziehungen im Lager, die noch nicht erwähnt worden, führe ich nur noch den General Holk und den Kardinal-Insanten an. Ersterer machte sich durch zwei Einfälle in Sachsen berüchtigt, bei denen viel Gräuel verübt wurde: das erstemal im August 1632 ins Voigtland und Gebirge, als der Herzog gegen Gustav Adolph gezogen war, das zweitemal wieder im August 1633, als Wallenstein dem Arnim in Schlesien gegenüberstand, über Zwickau und Thüringen nach Leipzig, welches gebrandschatzt wurde. Diesen Einfall hießen sie den Zug zur Leipziger Messe, „sie hatten aber übel eingemarkt,“ sagt ein gleichzeitiger Chronist, „Gottes Strafe, Pest, Schrecken und den bittern Tod.“ Dennoch schafften sie noch 15.000 Stück geraubtes Vieh mit über die Grenze. Holk selber starb auf dem Rückzuge im September bei Adorf, „allwo er,“ wie der Chronist sagt, „vor seinem Tode 600 Thlr. für einen evangelischen Priester bieten lassen;“ — denn er war Protestant — „es ist ihm aber so gut nicht geworden und der Pfarrer ist zu späte gekommen, da er schon verstorben gewesen.“ — Sollten nicht die Worte des Wachtmeisters:

Sind Holkische Jäger; die goldnen Tressen
Holten sie sich nicht auf der Leipziger Messen,

eine bis jetzt übersehene spöttische Anspielung auf jene verunglückte Expedition sein?

Der gegen Ende des Vorspiels erwähnte Kardinal-Infant war Don Fernando, des Königs von Spanien Philipps IV. Bruder, ein tüchtiger Feldherr und umsichtiger Staatsmann, der schon 1633 mit einem spanischen Heere in Italien stand und durch Deutschland nach den Niederlanden ziehen wollte, um dort die Statthalterschaft zu übernehmen. Allerdings sollte Wallenstein ein paar tausend Reiter abgeben, ihn zu geleiten. Der Antrag an den Herzog erfolgte aber erst später, nach der Abreise des Questenberg, durch den Pater Quiroga etwa zu Anfang des Januar. Der Herzog wies den Pater mit diesem und andern Anträgen sehr schnöde zurück. Nach des Herzogs Tode kam Don Fernando nach Deutschland, nahm an der Schlacht von Nördlingen Teil und starb nach rühmlicher Verwaltung seiner Provinz 1641 in den Niederlanden.

*) Der im Dezember 1632 von Zwickau abziehenden österreichischen Garnison von 1.100 Mann folgten „2000 Huren, Buben und Gesindel“ wie es bei einem gleichzeitigen Chronisten heißt.

Endlich möge hier noch des Reiterliedes gedacht werden, mit dem das Vorspiel schließt. Hier freilich hat der Dichter nicht bloß die Wirklichkeit poetisch verklärt, sondern ein Lied gedichtet, das nach Inhalt und Ton von den Volks- und Kriegsliedern der Zeit sehr absticht. Für solche Volkspoesie fehlte Schiller der Sinn. Es ist ein ganz hübsches Lied gebildeter Krieger, aber nicht der rohen Soldateska des dreißigjährigen Kriegs. Das konnte allenfalls der Kürassier verstehen und singen, die idealste Persönlichkeit im ganzen Stücke; es wäre aber in einem damaligen Lager nicht volkstümlich geworden. Prinz Eugen, der edle Ritter, gibt ein Beispiel solcher Soldatenpoesie, wenn gleich aus einer etwas späteren Zeit. Ein Lied in dem Tone auf den Friedländer würde sich besser ausnehmen.

Zur weiteren Entwicklung des Dramas muss zunächst wieder auf den ferneren Verlauf der Geschichte seit Wallensteins Rückkehr nach Böhmen hingewiesen werden. Der Kaiser suchte im Dezember 1633 den Herzog durch den demselben befreundeten Kriegsrat Questenberg zu bewegen, dem Kurfürsten von Bayern beizustehen oder wenigstens das ausgesogene Böhmen mit den Winterquartieren zu verschonen. Aber der Herzog wies jede derartige Forderung zurück, ließ die Obersten eine Erklärung aufsetzen, in der sogar mit der zu befürchtenden Meuterei der Soldaten gedroht wurde, und gebot bei Todesstrafe dem Generalwachtmeister de Suy, der auf Befehl des Kaisers zur Unterstützung des bedrängten Kurfürsten bis nach Passau gerückt war, nach Oberösterreich zurückzugehen. So, fügte sich der Kaiser für jetzt dem, was nicht zu ändern war. Durfte sich aber der Herzog wundern, wenn der Kaiser dieses unerträgliche Verhältnis zu lösen wünschte? Gab er nicht durch sein hochfahrendes und trotziges Benehmen seinen schon lange Zeit in ihren Hoffnungen getäuschten und gereizten Gegnern Waffen in die Hand, die ihn verderben mussten, wenn er sich nicht rechtzeitig entweder zurückzog oder zu einer verräterischen Gegenwehr rüstete?

Dies sah der Herzog wohl ein. Deshalb *) knüpfte er bereits Ende Dezembers geheime Unterhandlungen mit Kursachsen an und suchte sich des Heeres zu versichern, um sein unbeschränktes Kommando gegen den Willen des Kaisers zu behaupten und nach Beschränkung der kaiserlichen Macht und Vernichtung Bayerns sich zum Herrn der deutschen Angelegenheiten zu machen. Der Kaiser, in der Hoffnung einer gütlichen Lösung, wies noch längere Zeit die dringlichen Mahnungen des Kurfürsten von Bayern zurück und begnügte sich damit, einigen Generälen, wie Gallas, Piccolomini und Aldringer ins Geheim in sein Interesse zu ziehen, wenn etwa eine Änderung im Kommando eintreten sollte. Erst die durch Piccolomini eingesendete Nachricht von dem sogenannten Pilsener Schluss, in welchem der Herzog am 12. Januar 1634 die Erklärung unbedingter Ergebenheit von den nach Pilsen berufenen Generälen und Obersten erhalten hatte, und von früher abgebrochenen, aber im Dezember gleichzeitig mit den Anträgen an Sachsen wieder aufgenommenen verräterischen Unterhandlungen mit Frankreich veranlasste ihn zu entscheidenden Schritten. Gallas erhielt ein den 24. Januar unterzeichnetes Patent, in dem die Absetzung des Herzogs und seiner beiden Vertrauten Ilow und Terzka **) ausgesprochen und die Soldaten einstweilen an Gallas gewiesen wurden, mit dem Befehle, davon, wenn er es für nötig hielte, Gebrauch zu machen.

*) Dieses und was weiter folgt nach meinen archivarischen Aufklärungen: Kaiser Ferdinand und Herzog von Friedland. 1852.

**) So unterzeichnen sich beide in Briefen jener Zeit. Ilow war ein Märker und Feldmarschall (Maréchal de camp) in Wallensteins Heer; der böhmische Graf Terzka aus einer dem Kaiser von den böhmischen Unruhen her feindlichen Familie befehligte die zwei stärksten Regimenter, ein Infanterieregiment von fünfzehn Fähnchen und ein Reiterregiment von achtzehn Kompanien.


Der Herzog harrte unterdes vergeblich auf des kursächsischen Generals Arnim Ankunft in Pilsen, um mit Sachsen abzuschließen. Arnim zögerte lange, um sich und seine Heere sowohl gegen Betrug des Herzogs wie gegen Teilnahme an einem reichsfeindlichen Umschlag desselben sicher zu stellen, da beide zwar mit Wallenstein, im Notfall auch gegen den Willen des Kaisers, für einen ehrlichen Frieden, aber nicht gegen die seitherige Stellung des Kaisers und der Fürsten im Reiche auftreten wollten. — Anfang Februars hatte der Herzog nochmals die Offiziere zum Abschlusse mit Arnim nach Pilsen beschieden.

Jetzt erst machte Gallas, der den Stand der Dinge selbst kennen gelernt und sich von den verräterischen Absichten des Herzogs überzeugt hatte, von seiner Vollmacht Gebrauch, verließ Pilsen unter dem Vorwand, Aldringer herbeizuholen, dessen Ausbleiben dem Herzog verdächtig vorkam, verabredete mit diesem die dringendsten Maßregeln, um die Garnisonen in Böhmen dem Kaiser zu erhalten, und berichtete nach Wien, wo seit dem 18. Februar neuen Stils die nötigen Anstalten mit eben so viel Umsicht als Energie getroffen wurden, um den Herzog in Pilsen zu isolieren. Ein neues Patent vom 18. Februar mit herberer Anklage gegen den Herzog und Verweisung der Soldaten an mehrere bestimmt genannte Führer, doch eben so wenig ein Ächtungspatent wie das erste vom 24. Januar, wurde in Prag und andern Orten verbreitet und überall wurden die Soldaten für den Kaiser in Pflicht genommen.

Der Herzog, der im blinden Vertrauen auf das Heer und auf die Konstellationen und in Erwartung der Verbindung mit Sachsen die rechte Zeit verpasst hatte, der noch nichts von den Patenten und Vorfällen in Wien und Prag wusste, wollte jetzt, den Verrat seiner Generale fürchtend — denn auch Piccolomini hatte sich von Pilsen entfernt — alle verfügbaren Truppen in Prag konzentrieren, das bei der Nähe Sachsens und Schlesiens, wo noch Sachsen standen und Schaffgotsch für ihn wirkte, viele Vorteile darbot. Auch Bernhard von Weimar sollte über des Herzogs Absichten durch Franz Albert von Lauenburg aufgeklärt werden, der vom Kurfürsten von Sachsen vorläufig nach Pilsen gesendet worden war und eben so leichtfertig als eigenmächtig auf des Herzogs Pläne einging.

Da erfuhr dieser den 21. Februar, dass Prag verloren sei, und bald darauf den Abfall anderer Garnisonen, und brach nach Eger auf, um dort den Schweden und Sachsen die Hand zu bieten. Unterwegs nötigte er den Obersten Buttler, der noch nichts von der Absetzung des Herzogs wusste und auf seinen Befehl von den Pässen der Oberpfalz, die er zu schützen hatte, nach Prag marschieren sollte, mit ihm nach Eger zu gehen. Buttler merkte Wallensteins Absichten und entschloss sich sie zu vereiteln; denn er war dem Herzog wegen seitheriger Nichtbeachtung gram. In Eger überredete er den Commandanten Gordon und den Obristwachtmeister Leslie, vor denen Ilow und Terzka offen von der Ankunft der Schweden sprachen, den Herzog mit seinen Getreuen, Ilow, Terzka und dem Grafen Kinsky, der früher mit Frankreich und Sachsen unterhandelt hatte, zu ermorden.

Die Getreuen fielen bekanntlich bei einem Festmale, das ihnen Gordon auf dem jetzt verfallenen Schlosse gab, den 25. Februar Abends acht Uhr; der Herzog bald darauf in Bürgermeister Pachhülbels Hause am Markte durch Deverour, Buttlers Hauptmann, in seinem Schlafgemach. Buttler und Gordon suchten ihr eigenmächtiges Unternehmen sofort durch Botschaft an den Kaiser zu rechtfertigen und wurden damit gnädig aufgenommen. Unterdes war Pilsen von den Kaiserlichen besetzt worden. Gallas und Piccolomini kamen nach Eger. Arnim erfuhr am 2. März in Zwickau auf der Reise nach Eger, Bernhard denselben Tag auf dem Marsche zum Herzog den Tod desselben.

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Den kalten Egoisten, der aller höheren Ideen bar und ledig, alles seinem Ehrgeize opferte — denn so zeigt sich der geschichtliche Wallenstein — konnte der Dichter nicht als Helden eines Dramas brauchen. Er brachte ihn unserer Teilnahme näher, indem er ihn im freundlichen Verkehr mit der Gattin und Tochter zeigt, die beide, letztere noch unmündig, damals fern vom Schauplatz der hier erzählten Katastrophe lebten, indem er ihn ferner in innige Verbindung mit dem edeln jugendlichen Freunde bringt, welcher den Freund und die Geliebte seiner Pflicht aufopfernd den Tod in ritterlichem Kampfe sucht, und endlich indem er ihn, hoch emporgehoben über das selbstfüchtige Treiben seiner Genossen, nach langem, im Pflichtgefühl begründeten Schwanken, aus Notwehr und von der herrschsüchtigen Schwägerin gedrängt, zum Äußersten, zum Verrat gegen seinen Kaiser schreiten lässt. Dazu kommt noch die edle Intention einer großen Seele, die im Vertrauen auf eine höhere Bestimmung, auf welche die Stellung seiner Gestirne hinweist, unbeirrt durch das gemeine Treiben eines niedern Eigennutzes, dem deutschen Vaterlande, unabhängig von den raubgierigen Fremden, einen ehrenvollen Frieden verschaffen möchte.

Alle diese Eigenschaften geben den Grundton zu einem wunderbar anziehenden Charaktergemälde, in dem die Eigentümlichkeiten des geschichtlichen Helden, durchweg idealisiert, ihre volle Berücksichtigung finden. Sein Feldherrntalent wird als eine Kriegsführung im großartigsten Style, sein hochmütiger Trotz gegen seinen Kriegsherrn, seine launenhafte Härte und Nachsicht gegen die Soldaten als die imponierende Majestät eines großen und liberalen Charakters, sein gewalttätiger Ehrgeiz als das natürliche Streben einer großen Seele, die tückische Arglist und Verschlossenheit als notwendige Klugheit der Notwehr, der Aberglaube, von dem er befangen war, als tiefsinniges Bewusstsein einer höheren Bestimmung dargestellt. Dennoch aber lässt der Dichter seine Schuld sich deutlich entwickeln, so dass wir seinen Fall bei aller Teilnahme für den Helden als die unabwendbare Folge derselben uns gefallen lassen müssen.

In der Entwicklung der ganzen Begebenheit ist der Dichter ebenfalls bedeutend von der Geschichte abgewichen. Die für die dramatische Behandlung so wirksame Pilsener Verbindung tritt mit ziemlich treuer Benutzung der Geschichte als ein Mittel, die Offiziere für sich zu gewinnen, bedeutend hervor, jedoch im Drama nur als ein vorbereitender Schritt zur Sicherstellung für künftige mögliche Fälle, während es in der Geschichte nach dem, was vorausgegangen, ein förmlicher Verrat war. Die Geschichte mit der bei der Unterschrift weggelassenen Klausel ist zweifelhaft; wenigstens haben die in der Trunkenheit unterzeichnenden Generale dieselbe, die in den noch vorhandenen Abschriften des Reverses nicht zu lesen ist, bei der Unterzeichnung nicht vermisst und sind erst den folgenden Tag über den von ihnen getanen Schritt bedenklich geworden.

Die bereits früher eingeleiteten Unterhandlungen mit dem Kurfürsten von Sachsen und mit dem französischen Hofe sind vom Dichter bloß obenhin berührt. Dagegen lässt er nach dem Pilsener Bankett einen schwedischen Unterhändler auftreten. Von schwedischen Unterhandlungen im Pilsener Hauptquartier weiß die Geschichte nichts. Abgesehen von einigen durch Arnim betriebenen Unterhandlungsversuchen Wallensteins mit dem Reichskanzler im Sommer 1633, scheint der Herzog bis wenige Wochen vor seinem Ende keinen Verkehr mit den Schweden gehabt zu haben. Aber auch dann kamen keine Unterhändler zum Herzog, sondern dieser schickte Bevollmächtigte an den Reichskanzler und an den Herzog Bernhard, die jedoch den Anerbietungen nicht trauten und erst dann Hilfe zu bringen versuchten, als es bereits zu spät war.

Im Drama schließt Wallenstein mit Wrangel erst auf die Nachricht von Sesins Verhaftung ab. Bis dahin wollte er sich bloß für den Fall der möglicher Weise eintretenden Notwehr decken, der nun eingetreten war, da ihn die Aussagen des Sesin kompromittieren mussten. Auch dies ist eine Erdichtung. Sesina Raschin, ein böhmischer Flüchtling, wurde allerdings um diese Zeit vom Herzog als Unterhändler gebraucht, blieb aber nach dem Tode des Herzogs erst bei Arnim, dann bei den Schweden bis 1635, wo er vom Kaiser begnadigt die Aussagen machte, welche zum größten Teile durch neuere Aufklärungen bestätigt werden. Alles, was man am Wiener Hofe über Wallensteins Pläne erfuhr, kam aus Berichten Piccolominis und anderer Generale und aus bayerischen Mitteilungen; kompromittierende Papiere wurden erst am 22. Februar n. St. beim Obersten Schlieff gefunden, der auf der Reise nach Schlesien zu Schaffgotsch in Prag verhaftet ward.

Weiterhin sind die allmähliche Entfernung der Generale und Regimenter auf Piccolominis Betrieb, der Lärm im Lager bei Pilsen auf die Nachricht vom Verlust der Stadt Prag, die Empörung der Terzkaschen Regimenter, das Auftreten der Wallonen höchst sinnreiche Fiktionen des Dichters, die als lebensvolle Handlungen an die Stelle der undramatischen Entwicklung des diplomatischen Intrigenspiels des Herzogs treten, wie es die Geschichte dieser letzten Wochen seines Lebens bietet, und die endliche Katastrophe trefflich vorbereiten. Diese endlich wird, abgesehen von der Denkweise und Stimmung des Herzogs, die der Dichter der Anlage des Charakters gemäß idealisiert, und abgesehen von dem Charakter der dabei tätigen Personen, im Ganzen der Geschichte entsprechend dargestellt. Doch waren die Schweden am 2. März erst bis Weiden gekommen, und hier erst erfuhren sie den Tod des Herzogs. Ein Gefecht zwischen Schweden und Kaiserlichen hatte nicht stattgefunden. Der tapfere Rheingraf Otto Ludwig, den Schiller bei seinen Studien lieb gewonnen haben mochte, stand damals als schwedischer General am Oberrhein.

Betrachten wir nun die Personen, welche im Drama auf des Herzogs Seite stehen, so finden wir Ilow und Terzka im Gegensatz zu Wallenstein tiefer herabgedrückt, als sie in der Geschichte erscheinen, wo beide von Seiten des Herzogs eines größeren Vertrauens gewürdigt wurden. Was die Geschichte von Terzka erzählt, dass er bei der Verteidigung mehrere Dragoner getötet und verwundet habe, so dass man ihn nach damaligem Glauben für gefroren (d. h. durch böse Künste Schuss- und stichfest) hielt, das lässt der Dichter von Ilow erzählen, den er im Drama mit größerer Energie und Leidenschaftlichkeit ausgestattet hat, wozu die Geschichte keine bestimmte Andeutung gibt. Den gewandten Diplomaten Kinsky, der die letzten Monate fortwährend beim Herzog war, hat uns der Dichter nicht vorgeführt. Von den Frauen, die im Hauptquartier waren, nahm die Gräfin Kinsky, des Grafen Terzka Schwester, an allem Anteil, was der Herzog im Sinne hatte; sie mag dem Dichter zur Charakteristik der Gräfin Terzka vorgeschwebt haben. Die Gräfin Terzka dagegen, Wallensteins Schwägerin, war seinen Plänen fremd. Beide Frauen waren während der Ermordung ihrer Gatten in Eger, während Wallensteins Gattin Isabella, geb. Harrach, mit ihrer vierzehnjährigen Tochter, späteren Gräfin Kaunitz, sich in Unterösterreich aufhielt. Diese Tochter Marie Elisabeth hat der Dichter zu seiner Thekla gemacht.

Graf Schaffgotsch in Schlesien, der vertrauteste Anhänger des Herzogs neben den oben genannten Männern, der bei der Pilsener Verbindung gegenwärtig und für des Herzogs Interesse tätig war, ein Mann von sehr entschiedenem Charakter und eifriger Protestant, wie viele in Wallensteins Heer und seiner Umgebung, hätte wohl dem Dichter den Stoff zu einer interessanten Individualität geben können; er hat ihn aber unbeachtet gelassen. Seni mit seinem astrologischen Kram ist geschichtlich. Der Dichter hat hierzu aufgegriffen, was er in astrologischen Büchern jener Zeit gefunden, ohne genau und klar sein zu wollen. Doch ist die Astrologie, die er den Herzog treiben lässt, interessanter und geistreicher, als die war, welcher er sich, wie viele seiner Zeitgenossen, ergeben hatte. Aus dem Horoskop, das der berühmte Kepler Wallenstein gestellt hat, erfahren wir übrigens, dass zwar der Glücksplanet Jupiter der eine im Lebenshause des Herzogs stehende Stern war, aber mit ganz gleicher Wirkung auch der Unglücksplanet Saturn, so dass schon Kepler deshalb den noch jungen Wallenstein vor dem warnte, was später zu seinem Untergange führte. *)

*) Vgl. Schillers Briefwechsel mit Körner, B. 4, S. 16 ff. Keplers Horoskop in meinem: Kaiser Ferdinand und der Herzog von Friedland.

Unter den Gegnern des Herzogs tritt im Drama der ältere Piccolomini am meisten hervor. Er leitet hier aus Pflichtgefühl gegen den Kaiser alle Anstalten gegen Wallensteins Verrat. In diesem Streben erscheint er vollkommen berechtigt und wir würden ihm unsere ganze Teilnahme schenken, wenn er nicht gegen den falsch sein müsste, der ihm unbedingtes Vertrauen schenkt. Dies ist seine Schuld, die er auch schmerzlich büßen muss, denn sein edles Gefühl wird tief durch den Vorwurf verletzt, dass er die blutige Katastrophe, die er nur mittelbar veranlasst, in schändlichem Ehrgeiz herbeigeführt habe. Nur weil er ein Staatsmann ist, vermochte er eine Rolle zu spielen, die seinem eigenen Naturell widerstrebt und die der Sohn entschieden von sich weist, weil dessen Natur noch nicht durch die Politik verbildet ist. Natürlich musste der Dichter unter diesen Umständen jenen als einen schon älteren Mann darstellen. In der Geschichte stellt sich dieses alles ganz anders dar. Da hatte nicht Piccolomini, sondern Gallas die höchste Vollmacht und zeigte in der Ausführung des Unternehmens große Klugheit und Mäßigung; in ihm kann man etwa die Grundzüge zu dem Charakter finden, den der Dichter dem Piccolomini beigelegt hat, nur, dass Gallas zum Herzog in keiner nähern Beziehung als in der gestanden hat, in der sich alle andern kaiserlichen Unterfeldherrn befanden. — Piccolomini aber war von leidenschaftlichem Charakter, und seit er heimlich gewonnen worden war, ein entschiedener Gegner des Herzogs, über den er fortwährend nach Wien berichtete und dessen Ermordung er wünschte und zu betreiben suchte. Ja, wie er nach Eger kam, ließ er sogar bis zu Gallas Ankunft, der auch hier würdig auftrat, seine Wut an den Leichen der Gefallenen aus. Was ihn so aufgebracht, lässt sich nicht mit Bestimmtheit angeben; denn der Herzog stand zwar zu ihm nicht in dem Verhältnis, wie es der Dichter darstellt — eines solchen Verhältnisses war der Herzog überhaupt nicht fähig — aber doch hatte er ihn seit 1631 in seine nächste Umgebung gezogen und ihn im Vertrauen auf astrologische Offenbarungen sehr ausgezeichnet, so dass er vom Herzog manches erfuhr, was er nur seinen Vertrauten mitteilte. Durchaus aber war er nicht so wie Ilow, Terzka, Kinsky in Wallensteins Pläne eingeweiht. — Nach des Herzogs Tode erfreute er sich ohne Bedenken der kaiserlichen Gunst und starb, nachdem er sich während des dreißigjährigen Kriegs noch vielfach ausgezeichnet hatte, als Herzog von Amalsi 1656 im siebenundfünfzigsten Lebensjahre, so dass er zur Zeit der Ermordung Wallensteins erst fünfunddreißig Jahre alt war. Fünf Jahre vor seinem Tode verheiratete er sich und hinterließ keine Kinder. Charakteristisch war seine Devise, eine Schildkröte mit dem Motto: Gradatim. Schiller machte den Max zu Piccolominis Sohne. Dieser und die Thekla sind in der populären Auffassung gewissermaßen die Heiligen des Dramas geworden, an denen auch der Dichter die meiste Freude hatte (Briefwechsel, 3, 396).

Questenberg bringt als kaiserlicher Bevollmächtigter im Drama dem Piccolomini die kaiserliche Vollmacht; er ist der würdige Vertreter der Interessen seines Kaisers, ohne den Hass der sogenannten bayerisch-spanischen Partei gegen den Herzog zu teilen, der im ganzen Stücke überhaupt nur angedeutet ist, aber nirgends bedeutend hervorgehoben wird. Natürlich aber tritt er als entschiedener Gegner der Anmaßung des Herzogs und seiner übermütigen Soldateska auf. In der Geschichte hat er mit den gegen den Herzog genommenen Maßregeln nichts zu tun. Da er mit dem Herzog befreundet gewesen war und ihm am Hofe stets das Wort geredet hatte, wurde er, wie früher erwähnt worden ist, schon zu Anfang Dezember vom Kaiser vor dem entscheidenden Entschluss, durch welchen Gallas Vollmacht erhielt, zu gütlicher Vermittlung an den Herzog gesendet, ohne etwas ausrichten zu können. Als der Kaiser sich entschieden hatte, standen ihm Trautmannsdorf, Eggenberg, der Beichtvater Lamormain und andere Ratgeber zur Seite. Questenberg wurde nicht weiter zugezogen und fiel nach der Katastrophe in Ungnade.

Vom Obersten Buttler wissen wir aus der Geschichte nicht viel. Er hatte sich, wie viele Führer im dreißigjährigen Kriege, aus niedrigen Verhältnissen durch Tapferkeit zum Regimentschef emporgeschwungen, scheint aber vom Herzog wenig beachtet, ja vielleicht nicht einmal zur Pilsener Verbindung herbeigezogen worden zu sein. Erst auf der Reise nach Eger suchte ihn Wallenstein an sich zu ziehen. Aber der Oberst hatte schon Verdacht geschöpft und entschloss sich nun, als er sich von seinen schlimmen Absichten überzeugt hatte, vielleicht in aufrichtiger Treue gegen seinen eigentlichen Kriegsherrn, oder auch verletzt durch die Nichtbeachtung des Generals und eigennützig, den Verräter unschädlich zu machen. Von der durch beleidigten Stolz motivierten früheren Anhänglichkeit Buttlers an den Herzog, welche nach gewonnener Überzeugung, dass dieser ihn habe demütigen wollen, in den bittersten Hass umschlägt, weiß die Geschichte nichts.

Nach Wallensteins Einzug in Eger hatten der Festungskommandant Gordon und der Oberstwachtmeister Lesly Boten an die kaiserlichen Generale schicken wollen, um Hilfe gegen die vom Herzog erwarteten Schweden zu begehren. Als sie Buttler zur Ermordung des Herzog aufforderte, indem die Stadt auf keine andere Weife gerettet werden könne, willigten beide ein, Gordon nach einigen Bedenklichkeiten, die jedoch bald überwunden wurden. Dies hat vielleicht den Dichter veranlasst, in Gordon einen ehrlichen, pflichtgetreuen Mann darzustellen, der in Bescheidenheit froh des beschränkten Wirkungskreises, wider Willen, passiv zu einer großen Katastrophe mitwirken muss, welche zu hindern ihm die Besorgnis vor schwerer Verantwortung und das Bewusstsein seiner Ohnmacht unmöglich machen. Vom Mörder des Herzogs, dem Hauptmann Deverour, ist weiter nichts bekannt, als dass er nach Buttlers Tode 1634 sein meist aus Irländern bestehendes Dragonerregiment erhielt, aber wegen jener Tat oft scheu und scheel angesehen wurde. Er starb 1639 in Prag an der Pest.

Es zeigt sich demnach bei der Vergleichung der Handlung und der Personen, wie sie uns in der Geschichte einerseits und andererseits im Drama vor Augen treten, dass der Dichter den ihm vorliegenden Stoff mit großer Freiheit, aber doch treu dem Geiste der Geschichte der Zeit, die er schildern wollte, verarbeitet hat. Sind die Hauptpersonen auch durchweg edler, tiefer und bedeutender als in der Geschichte, so ist doch überall die historische Realität als Keim und Kern der Charakteristik festgehalten. Nur Max und Thekla machen in ihrer anmutigen Überschwänglichkeit eine Ausnahme: es sind jener Zeit fremdartige Gebilde. Aber auch diese sind dem realen Leben und Treiben der im Geiste ihrer Zeit handelnden Personen mit wunderbarem Takte eingefügt.

Endlich muss noch der vortrefflich gelungenen Veranschaulichung der bedeutendsten Momente der Geschichte gedacht werden, die weder in die Handlung noch in das Leben und Treiben der handelnden Personen hineingezogen, sondern nur in gelegentlichen Äußerungen anschaulich gemacht werden konnten. Diese ziehen sich bald vereinzelt, bald mehr zusammengedrängt, wie sich's gerade schickt, doch stets ungesucht und anschaulich durch alle drei Teile des Dramas hindurch und geben demselben eine harmonische Färbung. Nur beispielsweise mag hier auf die Charakteristik der Kriegsführung der Schweden, Ligisten und Sachsen im Lager und auf die öfters erwähnten raubsüchtigen Kroaten oder Crabaten, wie sie in der damaligen Sprache hießen, hingewiesen werden, welche, zu jener Zeit meistens als grausame Mordbrenner berüchtigt, in der poetischen Schilderung ihres zwar lebenslustigen und charakterlosen, aber gutmütigen und regsamen Führers uns näher gerückt werden.

Besonders reich an geschichtlichem Material ist das Gespräch Wallensteins mit Questenberg, worin ein ganzes Stück des dreißigjährigen Kriegs historisch treu erzählt wird. Natürlich muss dabei der Standpunkt des Erzählers festgehalten werden, denn der sächsische Generalleutnant Arnim war kein so verächtlicher Gegner, als er hier erscheint, und der Sieg des Herzogs bei Steinau keine große Tat. Ja in den Piccolomini werden wir in der Banketszene durch die Erläuterung des vom Kellermeister geforderten Ehrenbechers in das erste Jahr des dreißigjährigen Kriegs, wo der böhmische Aufstand ausbrach, und noch weiter zurück in die Hussitenzeiten geführt, und es wird uns neben der damals noch im Verborgenen lebenden Stimmung und Hoffnung der durch Ferdinands Reaktion unterdrückten Böhmen der noch deutlich hervortretende Hintergrund des Gemäldes gezeigt, auf welchem vorne die handelnden Personen uns ein Stück Geschichte vergegenwärtigen.

Ehe Schillers Wallenstein auf die Bühne kam, war das Urteil der Geschichte, das freilich damals nur auf die ihm feindlichen Berichte seiner Gegner begründet war, ihm fast durchweg ungünstig. Nur der fleißige Sammler von Murr gab sich schon seit 1790 alle mögliche Mühe, ihn von allen Vorwürfen freizusprechen. — In diesem ungünstigen Lichte hatte ihn auch Schiller in der Geschichte des dreißigjährigen Kriegs dargestellt und nur zum Schlusse darauf hingedeutet, dass er nach anderen Quellen, die nicht vorhanden waren, vielleicht gerechtfertigt werden könnte. Desto günstiger war, unterstützt durch czechische und protestantische Antipathien gegen das Haus Habsburg, das meist von Gefühlen abhängige Urteil des großen Publikums, welches, durch Schillers poetische Bearbeitung veredelt und gehoben, auf längere Zeit traditionell wurde, gerade so wie Goethe dem unbedeutenden Götz von Berlichingen zu einer glänzenden Popularität verhalf und der scheußliche Don Carlos durch Schiller in der Volksmeinung zu einem edlen Vertreter des liberalen Enthusiasmus wurde. Man schwärmte für Wallenstein, unbekümmert um seine fürchterlichen Gewalttaten in Norddeutschland, während Tilly, ein Mann von viel ehrenwerterem Charakter, dessen Soldaten nichts Ärgeres getan als die Wallensteiner, als grausamer Wüterich gebrandmarkt wurde.

Aber auch das Urteil der Geschichte gestaltete sich eine Zeitlang günstiger, seit Fr. Förster im Jahr 1829, wohl ausgerüstet mit neuen Urkunden, als Anwalt des Herzogs aufgetreten war. Dies gab den Anstoß zu einer gründlichen, auf weitere neu aufgefundene Urkunden gestützten historischen Erörterung der Frage über Wallensteins Charakter und Schuld, in der sich der oft flüchtigen und einseitigen Darstellung Försters gegenüber durch Röppel, Ad. Menzel, Aretin, Mailath und andere Historiker allmählich die historische Wahrheit zu Ungunsten des Herzogs abgeklärt hat. Diese wird denn nun auch, wie schon seither geschehen, sich in immer weiteren Kreisen geltend machen. Der große Haufe aber wird, so weit er sich für Wallenstein interessiert, ihn noch lange Zeit bewundern, da ganz abgesehen von religiösen und politischen Antipathien, die hierbei wirksam sind, Männer von dämonischer Natur — und eine solche Natur war Wallenstein — wenn sie nicht mehr gegenwärtig Schrecken erregen, gewöhnlich bewundernde Teilnahme finden, von der sich selbst der nüchterne Historiker nur mit Mühe und allmählich loszureißen vermag.
K. G. Helbig.

Albrecht von Wallenstein

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Theodor Körner (1791-1813) Dichter und Dramatiker

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Kepler, Johann (1571-1630) Johannes Kepler war ein deutscher Naturphilosoph, Mathematiker, Astronom, Astrologe, Optiker und evangelischer Theologe. Johannes Kepler entdeckte die Gesetze der Planetenbewegung.

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Hans Georg von Arnim

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Gustav Adolf

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Goethe, Johann Wolfgang von (1749-1832) Dichter, Schriftsteller und Staatsmann

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Friedrich Schiller (1759-1805), deutscher Dichter, Philosoph und Historiker, Bild aus dem Jahre 1794

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Wallenstein

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Ferdinand II. (1578-1637) Kaiser des heiligen Römischen Reiches. Ervertrat einen Kurs des Absolutismus und der Gegenreformation

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Von einer Kugel aus nächster Nähe in den Kopf getroffen fand Gustv II. Adolf am 16. 11. 1632 in der Schlacht bei Lützen seinen Tod.

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