Topographisches Gemälde der Stadt Wolgast - Topographie der Stadt - Die Stadt außerhalb der Ringmauern, oder die Vorstädte von Wolgast.

Aus: Chronik der Stadt Wolgast
Autor: Heller, Karl Christian (1770-1837) Bibliothekar, Chronist, Prediger an der St. Petri-Kirche zu Wolgast, Erscheinungsjahr: 1829
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Wolgast, Usedom, Peene, Pommern,
1. Der Schlossplatz.

Die von der Peene gebildete Insel, worauf noch alte Trümmer des herzoglichen Schlosses befindlich, und auf welcher in neuern Zeiten zum Teil recht artige Häuser erbauet sind, heißt überhaupt der Schlossplatz. Dieser ist mit der Stadt durch eine Brücke verbunden, welche i. J. 1729 eine andere Richtung wie die vorige erhielt, und die noch jetzt die Schlossbrücke heißt. Dieser Schlossplatz hat, wie oben gesagt ist, 59 Häuser, welche 3 Straßen bilden, als: 1. Die Fährstraße, welche von der Schlossbrücke anfängt und bis zur Fährbrücke führt.

2. Die Dorotheenstraße, und
3. die Achterstraße. Die beiden letzteren laufen mit einem Teile der Fährstraße parallel, welche in der Mitte liegt, und an deren Ende sich die Fährbrücke befindet, gerade da, wo sie schon in den ältesten Zeiten war. Durch den neueren Anbau und die Anlage von Straßen ist der Schlossplatz ganz umgestaltet; denn vor dem nahmen diesen bebauten Teil fürstliche Nebengebäude ein. Als Neu- Vorpommern unter Dänischer Hoheit stand, wird in einer Schilderung, welche der Magistrat von Wolgast dem Königlich Dänischen Etatsrate von Weyse in Betreff des Schlossplatzes macht, gesagt: „Gegenwärtig, im Jahre 1716, sind noch auf dem Schlossplatze die Ruinen des alten Schlosses; das Übrige ist verschwunden. Früher waren, außer dem Schlosse selbst, noch auf diesem Schlossplatze: die Dorotheenschanze, der fürstliche Luftgarten, die fürstliche Reitbahn, das Jägerhaus, Ställe für Pferde und Hunde, Wagengebäude, das Schlachthaus, das fürstliche Korn- und Mülzhaus, das Waschhaus, die fürstliche Schmiede und Böttcherei, das Zollhaus, das Fährhaus, die Wohnungen des Schlosshauptmanns, des Kämmerers, des Jägermeisters und endlich das Ballhaus.“ –

Vielleicht diente dieses Ballhaus zu allerlei Übungen, zum Turnen, wie man es jetzt nennt, und war wohl einem Gymnasium oder Übungsplatze ähnlich, wie Plinius auf seiner Laurentinischen Ville hatte. – Siehe Buch 2, Br. 17. – Überhaupt machten sich in den vorigen Jahrhunderten die großen Herren nebenbei allerlei körperliche Bewegungen. So sagt eine Chronik von Augsburg, dass der Schwedische König Gustav Adolph daselbst 1632 den 31. Mai, als am 2ten Pfingsttage, sich des Abends mit dem Ballonschlagen ergötzt habe. –

Diese vorhin angeführten Gebäude nahmen also ungefähr den Teil des Schlossplatzes ein, wo jetzt Straßen und Häuser sind, und wo im Jahre 1750 und in den darauf folgenden Jahren das neue Bollwerk an gelegt ward. Der andere Teil des Schlossplatzes ist noch unbebaut, hat noch seine alten Wallgräben und Wälle, wie auch die Keller und Fundamente des herzoglichen Residenz-Schlosses, von dem ich jetzt versuchen will, eine Geschichte zu entwerfen.

Geschichte des herzoglichen Schlosses in Wolgast.

Dies schöne Denkmal der Vorzeit und des ehemaligen Fürstenglanzes ist nun fast ganz verschwunden; bald wird man kaum eine Stätte erkennen. Alle Hoheit und Herrlichkeit ist in ein Nichts herabgesunken, und nur bloß unter der Erde, in den schönen, geräumigen, mit Kreuz-Gewölben versehenen Kellern, findet man noch die Spur ehemaliger Größe über der Erde. Mit Wehmut sah wohl Mancher die Reste dieses stolzen Gebäudes verschwinden, wovon uns nur bloß ein Prospekt von Meno Haas nach einer alten getreuen Darstellung dieses fürstlichen Schlosses in der topographia electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae, Frankfurt am Main 1652, übrig geblieben ist.

Ich will es versuchen, das Andenken dieses nun bald mit seinen letzten Trümmern verschwundenen Wohnsitzes der Pommerschen Fürsten, wenigstens in Schriftzügen, für die Nachwelt aufzubewahren.

Das fürstliche Schloss in Wolgast war früher nur eine Burg, deren Entstehung sich, eben so wie die Entstehung der Stadt, in der grauen Vorzeit verliert. Doch ist die Stadt wahrscheinlich älter, als die Burg, weil Burgen und Warten auf Anhöhen angelegt wurden. Der Platz, wo früher die Burg und später das Schloss lag, und der bloß durch Menschenhände zur Insel gebildet ist, liegt in Verhältnis zur Stadt nur niedrig. Man würde zur Anlage der Burg doch wohl lieber die Anhöhe gewählt haben, wenn diese nicht schon früher von der Stadt eingenommen gewesen wäre. Die Geschichte sagt, dass Herzog Bogislav 4. manchmal auf dieser alten Burg residiert habe, doch sei sie sehr verfallen gewesen. Sein Brudersohn Barnim 3. aber ließ, nachdem er Wolgast zur Residenz der regierenden herzoglichen Familie Wolgastischen Anteils erhoben hatte, im Jahre 1330 statt der alten Burg ein Residenz-Haus, oder Schloss, aufbauen, den Schlosswall von neuem aufwerfen, und die Peene herumleiten. Hierdurch ward es eine Festung, und der Schlossplatz zu einer Insel gebildet, die mit der Stadt durch eine Zugbrücke und durch eine Laufbrücke zusammenhing. Das Schloss an sich war wieder mit einem tiefen Schlossgraben umgeben, worüber eine steinerne auf Schwiebbogen ruhende Brücke führte, die auch noch zum Teil existiert, und in deren einem Bogen vor mehreren Jahren ein altes Mütterchen sich zuerst ansiedelte. Die Zugbrücke, wodurch die Schlossinsel mit der Stadt zusammenhing, ward 1713 beim Brande von den Bürgern abgebrochen, um die Russen von der Verfolgung der sich auf den Schlosswall flüchtenden Einwohner abzuhalten. Die massive, gewölbte Brücke, wovon also noch einige Überreste vorhanden sind, führte zu einer Promenade oder Spazierfahrt nach dem großen fürstlichen Garten, der auf der Anhöhe in der Kronwyk in der Gegend lag, wo späterhin der Amtshauptmann von Steding wohnte und jetzt das Bartels-Rassowsche Arbeitshaus steht. Zur Seite jenes fürstlichen Gartens standen 12 kleine Häuser, deren Bewohner zu Hofe dienen, den Schlossplatz rein halten, die Gärten bestellen und ähnliche Arbeiten tun mussten.

Die Lage des Schlosses selbst war anziehend und die Aussicht von demselben ging über die Stadt und auch über die Insel Usedom hinweg. Vor demselben mussten alle ankommende und ausgehende Fahrzeuge vorbei, und die Schlosstürme, welche an Höhe dem St. Petri Turm nicht viel nachgaben, gewahrten die Schiffer viele Meilen weit in der Ostsee. Welchen Genuss das Auge vom Schloss herab hatte, lässt sich denken, da Handel und Schifffahrt damals in Wolgast vorzüglich blühten, und die Fahrt nach Stettin hier allein vorbeiging, indem an den Hafen zu Swinemünde noch nicht gedacht war.

An dem Äußeren des Schlosses waren noch vor etwa hundert Jahren, wie Müller und Bötticher in ihren Handschriften bezeugen, die Überbleibsel vormaliger Herrschergröße vorhanden. Man sah zur rechten Seite, wenn man durch das große Tor in den Schlosshof kam, das ganze fürstliche Pommersche Wappen in Stein gehauen, mit der Unterschrift:

von Gottes Gnaden Philippus Julius, Herzog zu Stettin-Pommern, der Kassuben und Wenden, Grawe zu Gützkow, und Herr der Lande Lowenburg und Bütow. a. 1617.

Weiter hin zur Rechten stand die Statue Herzogs Ernst Ludwig in Stein gehauen, mit der Unterschrift seines Namens und herzoglichen Titels. Über dieser Statue befand sich das Pommersche Wappen von gegossenem Eisen. – Am großen Schlossturme nach der Ostseite waren 2 eingelegte, steinerne Anker, und auf der linken Seite war wieder das Pommersche Wappen in Stein gehauen, mit Namen und Titel Philipps I. und der Jahreszahl 1557. Auch befand sich an diesem Turme ein steinernes Bildnis, welches Philipp I. darstellen sollte. – Über dem Eingange zum mittleren oder dem Kirchturme war ein Stein eingemauert, der sich noch erhält. Der hiesige Magistrat schenkte ihn lobenswert an die St. Petri Kirche, und er ward den 10. Februar 1820 in dem Pfeiler, welcher dem Epitaphio Philippi Imi gegenübersteht, eingemauert, und wieder mit den Farben übertragen, die er vormals hatte. Das Wappen, der Helm mit den Pfauenfedern und der Greif sind bestimmt und gut ausgehauen, und die Unterschrift heißt:

Bugslaff von Gods Gnaden Hertoge to Stettin. 1496.

Dieser Stein hat sich also im Brande des Schlosses 1557 erhalten, und ist ein Andenken an Herzog Bogislav 10., welcher zu jener Zeit den Kreuzzug nach Palästina unternahm. – Über dem Eingange des mittleren Schlossturms war ein Marmorstein befestiget, welchen die Universität zu Greifswald, die von den Pommerschen Herzögen so väterlich gepflegt und begünstigt ward, dankbar und ehrend aufbewahrt. In diesen Stein, dessen Fläche 30 Quadratfuß beträgt, ist von Paul van Hove das Pommersche Wappen eingegraben und diese Worte:

Anno M.D.LI.
Von Gots Gnaden Philips. DR. Erst. Hertzog zu Stettin. Pommern. Der Cassuben. Und Wenden Furst. In Rugen. Graffe. Zu. Gutzkow. Zur Lowenburg Und Butow Herr. - Paul van Hove.

Darunter steht in einer Marmorplatte mit vergoldeten Buchstaben:

In piam memoriam Ducum Pomeraniae
Hocce vetustatis exemplum
e ruinis arcis Wolgast. Servatum
Hic poni curavit Academia Gryphiswaldenfis
die vigesimo Mart. Anni 1803

Dieser mittlere Schlossturm, über dessen Eingang sich jener Stein befand, war mit Kupfer gedeckt; allein der Obristlieutenant von Waseneck ließ 1711 dies kupferne Dach abreißen und nach Sachsen transportieren, um sein Landhaus bei Wurzen damit zu verschönern. Bis in die Spitze dieses Schlossturms führte eine Zylinder Treppe von großen gehauenen Steinen, die vielen Jahrhunderten widerstanden hatte. Diese ward 1726 den 24ten Februar von einem betrunkenen fremden Handwerksburschen, einem Schneidergesellen Namens Friedrich Bekker, freventlich ruiniert. Er riss mit aller Gewalt einige Steine aus dem Zylinder, so dass die oberen Steine ihren Stützpunkt verloren, und die ganze Treppe herabstürzte.

Wenn man nun bedenkt, dass im Anfange des 18ten Jahrhunderts die hohen Türme und bedeutende Überreste des Schlossgebäudes selbst noch da standen, so sieht man, dass die Ruinen dieses fürstlichen Schlosses zu jener Zeit noch immer bedeutend und interessant waren, und doch war der letzte fürstliche Bewohner, Philipp Julius, schon hundert Jahre vorher gestorben. Aber zwischen diesen beiden Zeitpunkten lagen auch mehrere Fehden, und fast der ganze dreißigjährige Krieg mit seinen grausamen Verheerungen. Zwar war das Schloss schon 1557 am 11. Dezember durch die Unvorsichtigkeit eines Bäckers fast gänzlich abgebrannt; aber Herzog Philipp fing sogleich an, die Trümmer wieder herzustellen und seine Söhne vollendeten den Bau, wobei sich vorzüglich Herzog Ernst Ludwig I. tätig zeigte. Dieser bauliebende Fürst, der, wie unten noch ausführlich wird erzählt werden, die künstliche Wasserleitung nach dem Schloss durch den Wasser-Baumeister Hans Fritzke, einen Wismarschen Bürger, anlegen ließ, vergrößerte das Schloss beträchtlich auf der Nordseite, legte eine Schloss-Bibliothek darin an, und erbaute noch ein neues Haus, vor welches seine Statue hingestellt wurde, die noch lange nach dem Verfall des Hauses ihre Stelle behauptete.

Das Innere des Schlosses ist weniger bekannt; indessen der Umfang desselben lässt schließen, dass es mehrere Säle und viele Gemächer gehabt habe. Diese waren aber auch erforderlich, da der Verkehr von fürstlichen, fremden Hoheiten bei Feierlichkeiten, bei Vermählungen und Leichenbegängnissen äußerst bedeutend war, und diese hohen Fremden oft Monate lang im Schloss abtraten. Auch die Schlosskirche mit ihren Betaltären, Nischen und Marienbildern usw. nahm einen bedeutenden Platz ein. In den Fenstern der Gemächer überhaupt waren größtenteils kleine eckige und auch runde Glasscheiben. Die Fußböden dieser Gemächer waren in den älteren Zeiten steinern, mit Binsen und wohlriechenden Kräutern bestreut. Die Möbeln waren zum Teil künstlich ausgelegt, und stellten Jagdstücke, Prozessionen, wichtige Ereignisse u. dgl. in Perlemutter oder auch in Silber dar. Die gewöhnlichen Tische und Sesseln waren von Eichenholz und mit Samt bedeckt. Die Wände der Wohn- und Prunkzimmer waren teils mit großen Figuren, welche Menschen oder Tiere darstellten, bemalt, teils auch wohl mit samtenen Decken behängt und in den Tapezereien waren von den kunstvollen Händen der Fürstinnen und Prinzessinnen teure Angehörige in Lebensgröße gewirkt. Besonders gab der Kreuzzug Bogislavs 10. zu solchen Darstellungen vielen Stoff. Das edlere Metall liebte man sehr und zeigte diese Vorliebe in silbernen Gefäßen und Pokalen, und hier und da hat man noch kleine silberne Figuren und Spielwerke der fürstlichen Kinder gefunden. – Doch Alles hat die Zeit verzehrt und die Ruchlosigkeit und Gleichgültigkeit vernichtet. – Manches Interessante mag auch noch wohl hier und da unter der Erde vergraben liegen, und noch einst durch Zufall ans Tageslicht kommen. Dies geschah noch neulich, im Juni 1829, wo man beim Graben in einer Wiese bei Hohendorf, viele silberne Bruchstücke, mehrere kupferne Münzen, zusammengerolltes feines Silberblech, einen goldenen mit einem Steine versehenen Fingerring und eine eiserne Streitaxt unvermutet fand.

Bis zum Tode des letzten Herzogs von Wolgast stand das Schloss noch in seinem ganzen Umfange; aber nach Philipp Julius Tode ward es jeder Zerstörung preisgegeben, und man kann ein langes Verzeichnis der Vergänglichkeit und der Zertrümmerung aufführen.

Die erste Zerstörung erlitt es 1628 von den Dänen und darauf von den Kaiserlichen, welche jene wieder aus Wolgast vertrieben. Eben diese Kaiserlichen stürzten die kupfernen Rinnen vom Schlossdache herunter, zerstörten viele Zimmer, brachen den Marstall und das Jägerhaus nieder, und verübten vielen Mutwillen. – Im Jahre 1630 nahm Gustav Adolph ihnen das Schloss wieder ab; 1637 nahmen es die Kaiserlichen und Sachsen wieder mit Gewalt ein, und im folgenden Jahre die Schweden. – Im Jahre 1675 ward es von den Brandenburgern beschossen, und ein Teil des Schlosses und die Hofkapelle in die Luft gesprengt. – So versuchten denn Zeit und Gewalt diese Burg, die in Kriegen zum Verteidigungspunkte diente, zu zerstören, bis endlich im Jahre 1798 die Ruinen derselben mit ihren Kellern, und ihrer Umgebung, den Wällen, Gräben und Gemäuern von der Krone Schweden an die Stadt verkauft wurden. Seit der Zeit wurden diese Ruinen planmäßig abgetragen, und die Steine dienten zur Verbesserung und Entstehung mehrerer Häuser in der Stadt.

Im Jahre 1801 waren noch ein Turm, ein Burgzimmer und ein paar andere gewölbte Zimmer im untern Geschoss übrig. Diese Überbleibsel lockten noch manchen Beschauer herbei, und in der Abbildung von Wolgast gab dieser Turm mit dem Nebengemäuer für den Landschaftszeichner noch immer eine interessante Partie. Aber jetzt ist über der Erde fast Alles verschwunden; unter derselben haben sich noch die acht Schlosskeller gegen die zerstörende Hand gerettet. Gewiss würden jene Schloss-Ruinen, wenn sie zur gegenwärtigen Zeit noch ständen, vor gänzlicher Vernichtung gesichert sein, wie man an den Ruinen zu Eldena sieht, welche ihre Erhaltung einem hohen Beschützer verdanken. –

Der bis jetzt noch unbebaute Teil des Schlossplatzes mag mit der Zeit noch wohl bebaut werden, wenn Wolgasts äußerst glückliche Lage zum Handel und zur Schifffahrt dem prüfenden Auge mehr sich darstellt, und dieser Platz dann besonders zu Kornspeichern, Niederlagen und Wohnungen wird gewählt werden. Schon im Anfange dieses Jahrhunderts ist zu diesem neuen Anbau ein musterhafter Plan von dem akademischen Zeichenmeister Herrn Dr. Quistorp entworfen worden,
welcher sich im Rats-Archive am Ort befindet. Nach diesem Plane bliebe der mittlere Teil des Schlossplatzes, oder die eigentliche Stätte, wo das Schloss gestanden hat, unbebaut, und würde zu einer interessanten Partie, oder zu einer Promenade umgeschaffen: dann bliebe doch noch eine Spur und das Gedächtnis der Vorzeit zurück. – Wie unbedeutend auch jetzt nur noch nach vollendetem ersten Viertel dieses Jahrhunderts die vorhandenen Ruinen des herzoglichen Schlosses sind, so knüpfen sich doch liebe Erinnerungen daran; aber zugleich bezeugen fiel ernsthaft die Vergänglichkeit alles Irdischen. –

Außer diesem eben beschriebenen Schlossplatze gehört zu den Vorstädten Wolgasts

2. das alte Bollwerk.

Dieses ist nach und nach immer weiter in die Peene hinausgeführt. Gegenwärtig hat es, von der Schlossbrücke gemessen, eine Länge von 41 Pom. Ruthen. Auf demselben befinden sich die königliche Waage, die Holzmaße, das Kochhaus, die sogenannte Klappe usw., und an demselben, so wie auch an dem neuen Bollwerke liegt ein großer Teil unserer Schiffe. Man nennt Alles das noch am Bollwerke, oder vor dem Wassertor, was bis zu den Eckhäusern Nr. 18 und Nr. 19 geht, wo die Kronwyk ihren Anfang nimmt, und es werden also noch 17 Häuser zu dieser Vorstadt gerechnet.

3. Die Kron - und Fischerwyk.

Beide Wyken liegen durcheinander und enthalten zusammen 325 Häuser. Sie werden von der Bauwyk durch die Straße getrennt, welche nach Greifswald führt, so dass die linke Seite dieser Straße, von dem Hause Nr. 275 an, noch zu diesen beiden Wyken gehört. Ein beträchtlicher Teil dieser Vorstadt führt die Benennung „auf dem Sandberge“ wo sich die Zahl der Häuser in neueren Zeiten außerordentlich vermehrt hat; ein anderer Teil derselben heißt, der Rossmarkt, oder Pferdemarkt, In dieser Kron- oder Fischerwyk liegt auch

der runde Kirchhof.

Dieser Kirchhof, oder Gottesacker, dessen Fläche 4 Magdeburger Morgen und 47 Quadratruthen enthält, ist teils mit Gärten, teils mit einer hohen massiven Mauer umgeben, und auf der Südseite mit alten ehrwürdigen Zitterpappeln bepflanzt, welche die Gräber beschatten, und mit stillem Frieden umsäuseln. In alten Zeiten hatte dieser Kirchhof zwei Zugänge, wovon der eine lange zugemauert ist. Von diesem führte eine längst verschwundene Straße nach dem St. Jürgen-Kirchhof, welches beim Ackern und Graben ein gefundenes großes Steinpflaster bezeuget. Der andere Eingang, oder das jetzige Kirchhoftor, hatte seit 1735 ein Gemälde, welches eine Leichen-Prozession darstellte. Über demselben las man:

Sterblicher, du gehst vorbei,
Wo man mich hat hingeleget.
Schaue hier dein Konterfei,
Wenn man dich zu Grabe träget,
Meine Gruft ist dein Prospekt,
Dass es dir, wie mir, ergeht.

Unter demselben fanden folgende Verse:

Dieser Staub ist auch vorhin
Fleisch und Bein, wie du, gewesen.
Wie ich jetzund Asche bin,
So wird man von dir auch lesen.
Man vergisst im Tode mein,
So wird dein vergessen sein.

Heute mir und morgen dir,
Du musst endlich an den Reihen.
Darum stirb in Zeiten hier,
So darfst du den Tod nicht scheuen.
Du hast keine Todesfrist,
Mensch, bedenke, was du bist!

Statt dieser unleserlich gewordenen Inschrift ließ der verewigte Syndicus Henning im Jahre 1819
folgende trostreiche hinsetzen:

Hier streuen wir die Körner in die Erde,
Damit sie reifen für die bessere Welt.
Hier ruht der Leib, bis ihn ein neues Werde,
Verklärt und schöner, Geistern zugesellt.
Der Glaube, dass das Grab nicht ewig binde,
Dass man durch Tod den Weg zum Leben finde,
Ist Wahrheit, die des Todes Nacht erhellt.

Das Leben eilt, es nahet schnell die Stunde,
Die uns mit diesen Schläfern hier vereint.
Heut prangt in Kraft und Mut noch der Gesunde,
Dem morgen schon die letzte Sonne scheint.
Doch zaget nicht, ihr Brüder, ob dem Scheiden!
Durch’s Grab nur geht der Weg zu höhern Freuden.
Hier hat der müde Pilger ausgeweint.

In Verhältnis der sich nach und nach mehrenden Zahl der Einwohner wird dieser Kirchhof zu klein, obgleich er schon im Jahre 1758 auf der Ostseite vergrößert, und der Teil, den man jetzt den Soldaten-Kirchhof nennt, hinzugefügt ward. Die Leichen reihenweise zu legen, um dadurch Platz zu gewinnen, ist wohl bei einem neu angelegten Kirchhofe tunlich und vielleicht zweckmäßig; aber auf einem Kirchhof, der seit Jahrhunderten mit vielen Tausenden angefüllt ist, möchte diese reihenweise Bestattung wohl nicht gut auszuführen sein. Bei dieser Eingeschränktheit des Raums auf unserem Kirchhofe bleibt es also ein vergeblicher Wunsch, dass mehrere Gänge oder Steige angelegt werden möchten, welche zur Kirche führen, und überhaupt den Kirchhof durchschneiden. Jetzt muss der Leichenzug einen ungebahnten Weg zur Gruft nehmen, und das Gefolge muss von da bis zur Kirche, worin es sich jedes mal nach der Einsenkung der Leiche zum Gebete, oder auch zum Gesange, versammelt, über die Gräber hinschreiten. –

Vor mehreren Jahren war die unglückliche und für die Moralität so nachteilige Gewohnheit eingerissen, die Wäsche auf den Gräbern zu trocknen, und da durch ward der Kirchhof im Sommer täglich zum Tummelplatz lärmender Kinder und sittenlosen Unfuges herabgewürdigt. Auch fuhren wohl mit Wäsche beladene Wagen über die Gräber weg. Dies gab also eine schöne Perspektive für die sanfte Ruhe unserer Asche. – Doch ward zufolge eines Befehls der hochlöblichen Königl. Regierung zu Stralsund im Amtsblatte 1821. S. 444 diesem Unfuge des Wäschetrocknens auf allen Kirchhöfen dieser Provinz Einhalt getan. Der Kirchhof soll ja auch ein Land des Friedens und der Ruhe sein. Dies sprachen tröstend und mahnend in neuern Zeiten der General- Superintendent Dr. Ziemssen und der Superintendent Dr. Werner bei der Einweihung der Kirchhöfe zu Greifswald und Bard nicht ohne glücklichen Erfolg aus.

Die fromme Sitte, die Gräber der Verstorbenen mit Leichensteinen oder Denkmälern zu bezeichnen, äußert sich nun auch häufiger, da Stille auf unserm Kirchhofe herrscht, und der immer verschlossene Eingang jeden mutwilligen Unfug zurückhält.

Zu den sich auszeichnenden Denkmälern, wodurch die Hinterbliebenen ihre Liebe und Dankbarkeit gegen die Hingegangenen ausdrücken, gehört das eiserne Gitterwerk, welches das Grab des tätigen Kaufmanns Jacob Runge umschließt. – Eben so auch die mit einem eisernen Gitterwerke eingefasste, mit Bäumen umpflanzte und gleichsam zu einem Gärtchen gebildete Grabstätte des Kommerzienrats und Ritters Homeyer, dessen Grabhügel außerdem noch ein Monument von Marmor bezeichnet. – Ferner die eisernen Kreuze, wo von das eine bei dem Grabhügel des verdienten Altermanns der Tischler, Carl Caspar Haak, errichtet ist, und das andere die Stätte bestimmt, wo die 1825 verstorbene Demoiselle Blandow nach einem langen und frommen Wirken ruht. – Dann das mit einem eisernen Gitterwerk umgebene Grabgewölbe, welches die irdischen Reste des vieljährigen Bürgermeisters, Justizrats und Ritters Hoefer und dessen Gattin einschließt. – Endlich das im Jahre 1827 massiv erbaute Begräbnis oder die Ruhestätte für die Schmidt’sche
und Bartels’sche Familie, welche bis jetzt erst einen ihrer Bewohner aufgenommen hat.

So begegnet der stille Beschauer dieses Gottesackers außerdem noch vielen Denkmälern der Liebe, die nun in den zuletzt verflossenen Jahren errichtet sind, und es bezeichnen teils stehende, teils liegende Leichensteine, teils auch Kreuze und Säulen, auch wohl Blumenpflanzungen, die Ruheplätze solcher Hingeschiedenen, um welche verwundete Herzen weinen. – In der Mitte dieses Kirchhofs steht

die St. Gertrud-Kirche,

Diese so genannte runde Kirche bildet eigentlich ein zwölf-winkliges Polygon, und ist mit einer Kanzel und mit einem Chor versehen, das rund um die Kirche geht, und woran der Maler Bentschneider einen Totentanz gemalt hat. Diese Kirche ließ der Herzog Bogislav 10. nach seiner Rückkehr vom heiligen Grabe ex voto erbauen. Sie hat ein festes Gewölbe und der Turm derselben ward 1817 statt der Schindeln ganz mit Kupfer gedeckt, und in den Knopf desselben eine auf Pergament vom Baumann J. J. Peters sauber geschriebene Nachricht gelegt, datiert Wolgast 12. August 1817.

4. Die Bauwyk.

In dieser Vorstadt wohnen hauptsächlich die Bau- oder Ackerleute. Sie enthält gegenwärtig, ohne die Scheunen, 115 Wohnhäuser und hat sich in neuern Zeiten, teils durch die Zahl, teils durch den artigen Bau derselben sehr aufgenommen. In derselben liegt die

St. Jürgen – Kirche.

Diese Kirche diente in älteren Zeiten manchmal den Armen, welche ihr Obdach verloren hatten, zum Zufluchtsort, und daher heißt sie auch die Armen-Kirche. Zur Pestzeit war sie der Aufenthalt der Pestträger und im dreißigjährigen und im Französischen Kriege gab sie ein Magazin für allerlei Kriegsbedürfnisse ab. So viele Zerstörungen sie auch erlitten hat, so ist sie dennoch immer völlig wieder hergestellt, und dient gegenwärtig nur allein dazu, dass sich bei Beerdigungen das Leichengefolge darin zum Gesange oder zum Gebete versammelt.

Der Kirchhof um dieselbe liegt auf einem Hügel. Hier wurden die im Jahre 1710 an der Pest Gestorbenen begraben. Darauf ward er aus Vorsicht einige Jahre nachher nicht als Leichenhof gebraucht. Jetzt dient er nicht allein den Bewohnern der Bauwyk zum Begräbnisplatze, sondern auch Einwohner in der Stadt selbst wählen sich auf ihm ihre Grabstätte.

Unter mehreren ruht hier der Königliche Licentverwalter, Hofrat Retzius, welchen die hiesige Stadtschule wegen eines ansehnlichen Geschenkes von Mineralien und Muscheln im dankbaren Andenken hat. Dieser Mann war ein Liebhaber von Kupferstichen und seltenen Mineralien, wovon er eine bedeutende Sammlung hinterließ. Er hatte auch die beste Gelegenheit gehabt, seine Neigung zu befriedigen, indem er den um Pommern und Rügen höchstverdienten General-Gouverneur, Fürsten von Hessenstein, auf seinen Reisen durch Italien und mehrere Länder begleitete. – Neben
ihm liegt unter einem großen ehrwürdigen Baum der Königliche Zollverwalter und ritterschaftliche Kollektor Franz Christian Ehrenfried Creplin. Sein Grab ist nur mit den Buchstaben „F. C. 1815“ bezeichnet. Das Andenken dieses frommen und gebildeten Mannes wird in den Herzen seiner Freunde fortdauern.

Impensa monumenti supervacua est memoria nostri durabit, si vita meruimus. - Plinius 9, 19.

Hiermit wäre das topographische Gemälde der Stadt Wolgast und deren Umgebungen, so wie es sich gegenwärtig darstellt, vollendet. Allenfalls kann man noch zu den Vorstädten die acht Windmühlen rechnen, als:

1) Die neue holländische Mühle am Greifswalder Wege. Sie gehört dem Fabrikanten Theodor Schmidt, der sie 1817 erbauen und noch eine Färbemühle darin anlegen ließ. Im Jahre 1829 ward sie ausschließend zum Mahlen des Färbeholzes eingerichtet, und nebenbei ein Wohnhaus mit 5 gewölbten Kellern erbaut.

2) Die Schneidemühle, welche an der Peene liegt, und dem Müllermeister Christian Schlie gehört. Ehedem führte zu dieser Mühle eine Brücke, deren Stelle aber jetzt ein aufgeworfener Damm vertritt.

3) Die auf dem Sandberge gelegene, dem Müllermeister Maas zugehörige Mühle.

4) Die Malzmühle ist Königlich, und von dem Müllermeister Pankow gepachtet. Sie brannte ab und ward 1824 neu erbaut.

5) Des Müllermeisters Schulz holländische Mühle, südöstlich von der Armen-Kirche. Sie ward den
14. Januar 1827 von einem heftigen Sturme niedergerissen, und gleich wieder neu aufgebaut.

6) Westlich von derselben steht die Mühle des Müllermeisters Zornow.

7) Die dem Müllermeister Adolph Beedtge gehörige holländische Mühle und

8) Die holländische Mühle, welche dem Müllermeister Holz gehört.

Ich gehe nun zu dem zweiten Buche dieser Chronik über, und werde es versuchen, in demselben ein statistisches, so wie auch ein Kultur- und Sitten-Gemälde, wenn auch nur im Kontur, zu zeichnen. Da dieses Gemälde wegen der vielen Veränderungen und immer neuen Erscheinungen sehr wandelbar und beweglich ist, so entwerfe ich es so, wie es sich am Ende des Jahres 1828 darstellt.

Wolgast, Marktplatz mit Rathaus

Wolgast, Marktplatz mit Rathaus

Wolgast, St. Petri

Wolgast, St. Petri

Wolgast, St. Petri Innenansicht

Wolgast, St. Petri Innenansicht

Wolgast, Peene

Wolgast, Peene