Theaterbau in Rostock, von Ostern 1785 bis zum 7. Juni 1786

Aus: Zur Geschichte des Rostocker Theaters (1756-1791)
Autor: Schacht, Wilhelm Dr. (1878- ?), Erscheinungsjahr: 1908
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Theater, Theaterleben, Theaterbau
Im Jahre 1784 hatte der Rat einen wichtigen Beschluss gefasst. Was viele Jahre schon aus den Kreisen der Schauspieler und Bürger als Wunsch laut wurde, sollte jetzt verwirklicht werden. Von der Notwendigkeit einer neuen Heimstätte für das Theater waren die Stadtväter seit dem Einsturz des Ballhauses überzeugt. Aber die Sorge nach größter Sparsamkeit hatte noch immer über die Liebe zur Kunst gesiegt.

Schon 1778 hatte man einen Riss für den Umbau eines Komödienhauses zeichnen lassen, wie es scheint, aus eigener Initiative. Privatleute kamen dann als Projektmacher. Weil man für die Stadtfinanzen günstigere Zeiten erhoffte, wollte man diesen privaten Händen den Bau nicht anvertrauen, zumal stets größere Beihilfe erbeten und oft ein Lokal vorgeschlagen wurde, das die Rücksicht auf Feuersgefahr verbot. So hatte ein Kaufmann, Kaven sen., 1781 den Plan, im Beselinschen Hause auf der Schnickmannstraße einen Komödiensaal anzulegen.

Vier Wochen später tritt mit derselben Absicht ein Leutnant Weidener hervor, der einen Saal von 70 Fuß Länge und 20 Fuß Höhe bauen will, wenn man ihm 200 Tannen aus der Rostocker Heide frei anführe. Dieser Weidener hatte seit zehn Jahren seine vielseitigen Talente auf den Markt gestellt. Er fing an als Sprachmeister und Inhaber eines Pensionats, in dem „Gottesfurcht, Geographie, Tanzen, Fechten und jede andere Wissenschaft für 125 Reichstaler jährlich“ gelehrt wurde. Daneben richtete er öffentliche Bälle ein, belustigte an schönen Abenden das Publikum durch Feuerwerke am Rosengarten, wurde schließlich Polizeileutnant, verprügelte seine Untergebenen und konnte mit Recht sagen, „er habe alle seine Kräfte angewendet, dem hiesigen Publico und den würdigen Einwohnern Rostocks sich auf alle Art und Weise gefällig zu machen.“ Nun wollte er seinen patriotischen Eifer erweitern und ein Komödienhaus errichten.

Der Rat lehnte den Ort als ungeeignet ab, wies auf das Ballhaus hin, dessen Aufbau er in Weideners praktische Hand gegeben hätte. Zugleich ward wieder bei der Bürgerschaft über die städtische Übernehmung eines Theaterbaues angefragt.

Nun hatte - 1784 - ein Dr. Wienke eine Gesellschaft vereinigt, dadurch eine bessere finanzielle Position gewonnen, als seine Vorgänger und wollte gegen Überlassung des Ballhausplatzes den Bau eines Schauspielhauses selbständig ausführen.

Das I. Quartier der Bürgerschaft, in dem die Kaufleute und Brauer saßen, unterstützte den Rat in seinem Plan, den Bau eines Komödienhauses jetzt zur Sache der Stadt zu machen; im II. Quartier erhob der Kleinsinn der Handwerker sein Haupt, man sollte auf die folgenden Jahre warten, wenn man nicht lieber dem „entrepreneur“ den Bau gestatten wolle; die Stadt könnte sich mit dem Vorkaufsrecht begnügen und dem Verlangen nach einer Vorstellung zum Besten des Waisenhauses.

Auf dieser Grundlage setzte der Rat den Beschluss durch, bauen zu dürfen, wenn es die Stadtumstände erlaubten. Der diplomatische Zug erreichte, dass Ostern 1785 der Bau beginnen konnte. Der Riss des Stralsunder Komödienhauses war das Vorbild des Entwurfes, den Professor Schadeloock begutachtete; auch Tilly, dem er vom Rate vorgelegt wird, heißt ihn gut. Gustav Schadeloock, ein geborener Stettiner, hatte als Kandidat das Wasserziel am Mühlentor gebaut, erhielt 1778 die „metaphysische Profession“ an der Universität, besaß 20 Jahre später auch noch die der Mathematik. In allen Fragen öffentlicher Bauten galt sein Rat.

Der ursprüngliche Plan hatte, so scheint es, nur einen Komödiensaal vorgesehen. Während des Baues kamen den Vielen, die am Werke mitsprachen, neue Einsichten. Drei Monate baute man schon — Soldaten mussten zeitweise die mangelnden Maurergesellen vertreten — als die Schaffung von Nebenräumen und die Erhöhung des ganzen Baus beschlossen und auch jetzt erst die Anlage von Logen geplant wurde; nach dreiviertel Jahren wird bemerkt, dass die Türen besser nach außen schließen, und als am 7. Juni 1786 das neue Schauspielhaus eröffnet wird, ist das Werk noch nicht vollendet. Tilly, der erste Prinzipal, ändert und ergänzt. Die Herzogin wünscht eine Seitenloge in der Nähe des Orchesters, 1787 werden statt eines heizbaren Zimmers offene Feuerstellen angelegt und nach vier Jahren wird die Zahl der Bänke vergrößert und vor dem Haus erweisen sich Laternen mit eisernen Armen als notwendig; im Innern schafft das Reglement für die Benutzung der Logen den gefährdeten Burgfrieden.

Das Gebäude, das in seinem Äußern unverändert bis 1880 gestanden hat — im Innern hat es Änderungen erfahren — beschreiben ein Bericht des Gothaer Theaterkalenders und Wundemann: ein schönes, großes, längliches Viereck, das durch den reinen Stil ein Ansehen von Größe und Festigkeit hat. Es ist ganz massiv mit grauer Tünche bekleidet. Es steht an der Stelle des ehemaligen Ballhauses; die Haupteingänge zu beiden Seiten, den längeren, springen einige Fuß vor und tragen oben abgerundete Frontons, die mit Blei gedeckt sind. An der südlichen Seite das Wappen der Stadt, an der nördlichen zeigen die Frontons die Inschrift: Thaliae consecratum Sumptibus publicis und die Jahreszahl MDCCLXXXVI.

Vom Innern des Schauspielhauses ist nur das Bild des Zuschauerraumes einigermaßen deutlich: das Parterre, das bis zu dem eben gelegenen Orchester mit Bänken besetzt war, hatte zu seinen Langseiten Logen; die Galerie, wohl alle drei Seiten einnehmend, erhielt erst später eine Loge, die des Herzogs, das Parterre arg beschattend. Der Kostenanschlag hatte 2.000 Reichstaler betragen: trotzdem die Quartiere jede übertriebene Kostbarkeit vermeiden hießen, wurde die schließliche Summe 12.000 Taler; Schadeloock hatte für die Leitung 200 Taler erhalten.

[Rostock hatte nun eine ständige Bühne, damit aber keineswegs ein ständiges Theater. Der Rat, wie um die hohen Kosten zu verzinsen, erteilte mit der gewohnten Unbedenklichkeit die Spielerlaubnis. Die „neue Epoche in der hiesigen Theater-Geschichte“, die ein neues kurzlebiges Rostocker Wochenblatt mit der Eröffnung des Schauspielhauses beginnen möchte, bestand darin, dass nun nicht nur zu Pfingsten und im Spätherbst, sondern einander fast ablösend Truppe auf Truppe spielte. Aber keine Truppe wurde heimisch in der Stadt oder gar finanziell von ihr gestützt. Warum sollte sich da der Spielplan ändern: Oper und Schauspiel blieben zusammengespannt, das Ballett und Pantomimen-Unwesen bestehen.]