Sagen von der wilden Jagd aus der Penzliner Gegend.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 2
Autor: Von A. C. F. Krohn zu Penzlin, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Plattdeutsch, Aberglauben, Dömitz, Eldena, Grabow,
Schon einmal ist in diesem Bande — Seite 91 bis 97 — von der wilden Jagd und dem was sich die Leute bei Dömitz, Eldena und Grabow von ihr erzählen, die Rede gewesen.

In hiesiger, der Penzliner Gegend hält man, abweichend von der ebengedachten Darstellung, für den Veranlasser der wilden Jagd einen Jäger, der wegen seines ruchlosen Wandels auf Erden nicht zur Ruhe kommen kann, sondern ohne Rast in der Luft als Spuk sein Unwesen treiben muss, sich zur Strafe, Menschen und Tieren zum Schrecken und den Gottlosen zur warnenden Mahnung an die göttlichen Strafgerichte. Auch will man hier nicht bloß in den Zwölfen, sondern auch zu jeder andern Zeit das Toben der wilden Jagd vernommen haben. Es sind aber besonders nur einige Orte, an denen sie vorüberfährt; und diese soll man nicht zur Nachtzeit passieren, und noch weniger sich dann dort aufhalten, wenn man sich mit Unfällen mancherlei Art aussetzen will. Solche Stellen sind in der Penzliner Gegend besonders die Ihsepuhrt im Hohenzieritzer Gehölze und die Schwanenheide, ein Teil der Penzliner Feldmark, unweit des Klein-Vielener und des Wärnme-Sees.

Die Schwanenheide, welche jetzt beackert wird, lag früher noch in Rusch und Busch und wurde, soweit sie nicht mit Gehölz bewachsen war, fast nur zur Weide für die Pferde der Penzliner Ackersleute benutzt. So hüteten auch einst vor vielen Jahren die beiden längst verstorbenen Penzliner M und T... dort in unmittelbarer Nähe des Vielener Sees des Nachts ihre Pferde. Es war im Sommer und die Nacht nicht dunkel. Als sie eine Weile gehütet hatten, wurde T. schläfrig und legte sich unter einen Baum, um ein wenig zu ruhen; M. aber machte sich eine Pfeife an, um sich munter zu halten und auf die Pferde zu achten.

T. hatte noch nicht lange sein Lager aufgesucht, als M. aus weiter Ferne her ein eigentümliches Toben hörte, das schnell näher kam und immer lauter und toller wurde. Da fiel ihm ein, was er öfter von der wilden Jagd gehört hatte und voller Angst und Furcht suchte er Schutz unter einem großen Dornbusche, von wo aus er aber doch recht gut sehen konnte, was um ihn her ging. Eben war er erst in Sicherheit, als auch schon die wilde Jagd daher gesaust kam, vorauf ein Jäger zu Pferde und hintendrein eine ganze Meute schwarzer Hunde.

M. zitterte am ganzen Leibe. Doch schien man ihn nicht gewahr zu werden; vielmehr hielt der Zug bei seinem Kameraden T. still. Dort sprang der Jäger vom Pferde, nahm sein Waldhorn, hielt es dem Schlafenden vor sein Ohr und stieß hinein, dass es nur so schallte und dem nicht weit davon entfernten M., der alles das mit ansah, die Ohren gellten. T. aber rührte sich nicht.

Als der wilde Jäger also seinen Mutwillen ausgelassen hatte, bestieg er wieder sein Pferd, und weiter ging's mit Blasen und Hundegekläff durch die Luft.

Erst als sich das Toben ganz in der Ferne verlor, wagte sich M., obgleich noch zitternd, aus seinem Verstecke. T. lag noch dort, wo er erst gelegen, im süßesten Schlafe, als wäre ihm nichts geschehen. Verwundert weckte ihn M. auf und fragte ihn, ob er denn nichts gehört habe.

„Wat sall ick hührt hebb'n?"*) fragte wieder noch schlaftrunken T.

*) „Was soll ich gehört haben?"

,,Ih”, entgegnete M., „Di hett jo eben dei will' Jäger in't Uhr tuht”,**) und erzählte ihm dann den ganzen Hergang der Sache.

**) „Ei, Dir hat ja eben der wilde Jäger in das Ohr getutet."

Aber T., der äußerst schwerhörig war, hatte nichts von dem Blasen und dem ganzen Spektakel vernommen.

Ein ander Mal, es war im Herbste um die Zeit, wenn die Kartoffeln aufgenommen werden, kamen bei anbrechender Nacht zwei Penzliner Bürger, die aber beide jetzt schon längst tot sind, von Strelitz gefahren. Wie sie auf der Schwanenheide, durch welche der Weg nach Strelitz führt, ankommen, lassen sie ihre Pferde ein wenig sich ruhen und grasen.

Es war aber zu der Zeit gerade Holz auf der Schwanenheide, unweit des Wärnme-Sees, geschlagen und unter andern lagen dort auch viele Achshölzer, das heißt Holz zu Wagenachsen.

„Wat meenst Du, Varremann”, hub der eine der Penzliner an, „wenn wie uns so'n Poar Aßhölter uplöd'n und mitnehm'n?"*)

„Je”, wandte der Andere ein, „lücht wi's uck?“**)

„Jh”, meinte der Erstere wieder, „wenn Du sei man hin'n wiß höllst; ick will's woll vöm in ne Höhgt krieg'n."

So gingen sie denn Beide ans Werk. Als sie aber noch bei dem ersten Stücke beschäftigt waren, hörten sie ein vom Hohenzieritzer Gehölz kommendes, sich schnell aus der Ferne näherndes Blasen und Hundekläffen. Im Nu war auch schon die wilde Jagd bei ihnen, voraus ein Jäger auf einem Schimmel, der gar schauerlich in sein Waldhorn stieß und hinter ihm eine große Meute wilder Hunde, die mit ihrem Gekläff das Blasen ihres Herrn übertönen zu wollen schienen.

Dies hören und sehen, das Holz bei Seite werfen und Fersengeld nach Möglichkeit geben, war bei unfern Penzlinern Eins. Sie dachten weder an Pferde noch an Wagen, sondern rannten, ohne sich auch nur einmal umzusehen, spornstreichs davon und hielten erst bei dem eine halbe Stunde entfernten Penzlin Stand. Das Toben der wilden Jagd verlor sich aber, wie ihnen däuchte, ebenso schnell, als es gekommen war, über den Vielener See ziehend, bald in weiter Ferne.

*) „Was meinst Du, Gevatter, wenn wir uns ein Paar solcher Achshölzer auflüden und mitnähmen?"
**) ,,Oh ja, regieren wir sie aber auch?"
***) „Ei, wenn Du sie nur hinten fest hältst; ich will sie wohl vorne in die Höhe bekommen."


Erst am andern Morgen wagten sich die Beiden nach der Schwanenheide zurück, um Wagen und Pferde heim zu holen.

Sie waren auch so glücklich, Beides unbeschädigt wieder zu finden, haben sich aber später nicht noch einmal unter gleichen Umständen nach der Schwanenheide wagen mögen.

Bei der eisernen Pforte — Ihsepuhrt —, welche mit den beiden eben genannten Örtlichkeiten so ziemlich in einer Flucht liegt, soll auch die wilde Jagd öfters vorüber ziehen.

Einst geschah es, dass ein Penzliner spät in der Nacht des Weges kam. Er hatte von einer Schneidemühle bei Strelitz eine Fuhre Bretter geholt, und sich dort ohne Ursache durch die Schuld seines Fuhrmannes ziemlich lange aufhalten müssen. So war es schon Nacht, als sie die Ihsepuhrt passierten. Noch ehe sie aber durch den Hohlweg waren, kam die wilde Jagd durch den Talgrund vor der eisernen Pforte wie ein Sturmwind daher.

Dem Penzliner und seinem Fuhrmann standen vor Entsetzen die Haare zu Berge. Die Pferde bliesen, wie vor größer Angst, aus den Nüstern, rührten sich aber nicht von dem Fleck, und der Hund des Fuhrmanns kroch ängstlich den Pferden zwischen die Füße, als wollte er dort Schutz suchen vor der ungewöhnlichen, schreckhaften Erscheinung.

Erst als Alles vorüber war, und das Getöse sich allmählich in der Ferne verlor, waren die Pferde wieder zum Gehen zu bringen.

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Der Vergleichung wegen möge es mir wohl erlaubt sein, hier noch eine Sage anzuhängen, welche man sich früher bei Kiel von der wilden Jagd erzählte.

Es ging nämlich dort ein Mann zur Nachtzeit über Feld. Als er unterwegs war, hörte er zu seinem Schrecken die wilde Jagd nahen. Schnell hockte er hinter einem großen Steine nieder, um sich zu verstecken. Doch das half ihm wenig. Denn der wilde Jäger, welcher gerade auf ihn zu kam, bemerkte ihn dennoch; und als derselbe neben jenem Steine war, sprang er vom Pferde und rief, indem er wie zum Schlage ausholte:

„Züh, hier sinn ick jo noch'n Stemm'n, wo ick mien Aex rinschlahn kann."*)

*) „Siehe da, hier finde ich ja noch einen Baumstamm, in welchen ich meine Axt schlagen kann."

Bei diesen Worten empfand der Mann einen derben Schlag im Rücken, und als die wilde Jagd vorüber war, blieb er, der doch sonst gerade und aufgerichtet hatte gehen können, so krumm, wie er hinter dem Steine gehockt hatte.

So war der vorher so kräftige Mann schnell durch die Bosheit des wilden Jägers ein armer Krüppel geworden. Er tat zwar Alles, seine vorige Gestalt wieder zu erhalten, aber die Ärzte versuchten ihre Kunst vergeblich an ihm. Endlich gab ihm Jemand den Rat, er solle sich nach Jahr und Tag wieder zur Nachtzeit um dieselbe Stunde an denselben Ort begeben, wo ihm das Übel wiederfahren war und warten bis die wilde Jagd wieder vorüberzöge, so würde er, wenn ihm noch zu helfen sei, wieder geheilt werden.

Dies tat der Mann. Richtig kam auch wieder um dieselbe Zeit die wilde Jagd daher und wieder hielt der Zug bei dem Steine, und der Jäger sprang, wie das erste Mal vom Pferde, indem er sagte:

„Züh, hier sinn mien Aex jo noch in den Stemm'n, wo ick sei verlähdn Joahr rin haut heff." *)

*) „Siehe da, hier sitzt meine Axt ja noch in dem Baumstamm, wo ich sie vergangenes Jahr hineingehauen habe."

Bei diesen Worten aber war es dem, der beim Steine hockte, als würde ihm etwas aus dem Rücken gezogen; und als die wilde Jagd vorüber war und er sich aufrichtete, konnte er wieder so gerade gehen, wie ehemals in seinen gesunden Tagen.