Sachse, Johann David Wilhelm Dr. (1772-1860) Geheimer Medizinalrat und Leibarzt, Nestor der mecklenburgischen Ärzte - Nekrolog

Aus: Balneologische Zeitung. Korrespondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Hydrologie. Band 10
Autor: Redaktion: Balneologische Zeitung, Erscheinungsjahr: 1861
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Nachruf, Nekrolog, Persönlichkeit, Mediziner, Leibarzt, Badearzt
Im Monat April 1860 verschied der Nestor der mecklenburgischen Ärzte, Geheimer Medizinalrat und Leibarzt Dr. Joh. David Wilhelm Sachse, in dem hohen Alter von 87 1/2 Jahren. Er war am 16. November 1772 zu Uelsen geboren, der Sohn des dortigen Bürgers und Amtschirurgen A. W. Sachse. In den über seine Jugend aufbehaltenen Nachrichten finden wir ihn zuerst als Zögling des Königlichen Großbritanischen und Churf. Braunschweig-Lüneburgischen Collegium chirurgicum, in welchen er zufolge eines vorliegenden Prüfungszeugnisses, das seinen Fleiß und Eifer im Studium der alten Sprachen rühmt, von 1788 bis 1791 Unterricht in den Doctrinen der medizinischen Enzyklopädie, der Anatomie, Osteologie, Physiologie, Arzneimittellehre und den übrigen Zweigen der Medizin und Chirurgie erhielt. Dann zählte ihn bis 1793 die Universität Göttingen zu ihren Schülern. Mit der Verteidigung seiner Inaugural-Dissertation: „De tympanitide", in welcher die ursächliche Beziehung der angehäuften Gase zum Wesen der Krankheit verworfen, diese vielmehr aus perverser Nerventätigkeit hergeleitet wird, erwarb er die Doktorwürde in der Medizin und Chirurgie.

Im Jahre 1795 treffen wir ihn im Begriff, sich als praktischer Arzt in der mecklenburgischen Stadt Parchim niederzulassen. Die Erledigung des dortigen Physikats durch den Tod des Dr. Ebeling wurde die Veranlassung zu seiner Empfehlung dorthin durch seinen Gönner Lentin, den rühmlich bekannten Arzt in Lüneburg, unter dessen Leitung er sich nach seinem Abgange von Göttingen zwei Jahre lang in der praktischen Ausübung der Medizin gebildet zu haben scheint und mit dessen Tochter er sich im Herbst 1795 ehelich verband. Zwar scheint das Physikat zu Parchim dem daselbst bereits ansässigen, später als Professor der Geburtshilfe zur Universität Rostock übergegangenen Josephi verliehen worden zu sein; doch wurde Sachse durch rasch zunehmende und bald sehr blühende Praxis entschädigt. Schon hier erwarb er sich um sein neues Vaterland ein grosses Verdienst durch Einführung der Kuhpocken-Impfung, deren Verbreitung er unter vielen siegreichen Kämpfen mit ihren zahlreichen Gegnern förderte. Eine unten anzuführende, diesem Zwecke gewidmete Schrift, die er 1802 veröffentlichte, fand in weiteren Kreisen Anerkennung. Nur ein ungewöhnlicher Fleiss, der ihn bis ins hohe Alter begleitete, auch dann noch zu Tage tretend in der Sorgfalt und Unermüdlichkeit, in der Nachbesserung und Vervollständigung seiner Schriften durch Benutzung aller neuen Erscheinungen in der neuen Literatur, konnte ihm bei seinen ausgedehnten praktischen Beschäftigungen die nötige Zeit zu weiteren schriftstellerischen Arbeiten gewinnen, welche wegen ihrer gewissenhaften und gelehrten Gründlichkeit von den Männern der Wissenschaft stets mit Achtung begrüsst wurden. Eine der ersten war sein Werk über die häufige Bräune, das in zwei Bänden in den Jahren 1810 und 1812 erschien und neben den verschiedenen um diese Zeit verfassten Abhandlungen über diese damals neue Krankheit einen ehrenvollen Platz einnahm. Andere gleichermaßen von Literaturkenntnis und seiner Beobachtung zeugende Abhandlungen in verschiedenen medizinischen Zeitschriften lenkten auf ihn, den wir bereits 1812 an der Stelle des verstorbenen Leibarzt Masius nach Schwerin übersiedelt finden, im Jahre 1818 die Aufmerksamkeit Hufelands bei Wiederbesetzung der klinischen Professur an der Universität zu Bonn; doch lehnte er diese Berufung ab, indem er sich durch neue Beweise der Zuneigung und des persönlichen Vertrauens von Seiten des damaligen Großherzogs Friedrich Franz an die Person dieses Fürsten gefesselt sah, dessen leibliches Wohl er treu bis an sein spätes Lebensziel bewacht hat, und indem er überdies ein immer weiteres Feld für seine ärztliche Tätigkeit fand, in welcher die literarische sich kräftigte und erfrischte. Eine neue Bearbeitung und Bereicherung von Wichmanns Ideen zur Diagnostik, von der uns zwar nur der 1827 erschienene erste Band vorliegt, die aber Sachse 1821 durch einen vierten Band, seine sehr geschätzte Arbeit über die Kehlkopfs- und Luftröhren-Schwindsuchten, erweiterte, trug dazu bei, seinen literarischen Ruf zu befestigen. Nicht unerwähnt bleiben darf seine nützliche Mitwirkung bei der Bearbeitung der neuen mecklenburgischen Medizinalordnung vom Jahre 1830, sowie seine Bemühungen um das Doberaner Seebad, welches er durch Entfernung von Mängeln und Verbesserung der Einrichtung zu heben, besonders aber wissenschaftlich zu verwerten suchte, wie denn der erste Band seiner 1835 und 1839 in zwei Abteilungen veröffentlichten „Medizinischen Beobachtungen" ausschließlich von den Wirkungen und dem Gebrauch der Bäder, insbesondere der Seebäder zu Doberan handelt. Dieser Schrift gegenüber fanden die Nordseebäder in Mühry einen zwar geistvollen aber allzu leidenschaftlichen Vertreter, welcher sich zu so heftigen Angriffen hinreißen ließ, dass Sachse 1837 zu einer Verteidigung der Ostseebäder gegen dieselben veranlasst wurde.

Von vielen und mannigfachen Dank- und Ehrenerweisungen wurde er bei der Feier seines 50jährigen Doktor-Jubiläums überströmt, welches er im Jahre 1843 noch in voller Rüstigkeit beging. In seinen letzten Lebensjahren durch körperliche Gebrechen besonders durch ein überhand nehmendes Lungenleiden, der praktischen Tätigkeit entzogen, erfreute er sich vorzugsweise an dem Ordnen seiner reichen Kupferstich-Sammlung, vervollständigte insbesondere die Sammlung von Bildnissen berühmter Ärzte und erhöhte ihren Wert durch zusammengetragene biographische und bibliographische Notizen. Von der Gelehrsamkeit und dem schriftstellerischen Fleiß des nach schweren Leidenswochen am 12. April 1860 Hingeschiedenen gibt, außer vielen zerstreuten Aufsätzen, der Gründlichkeit der Bearbeitung wegen als besonders wertvoll hervorzuheben sind, die nachfolgende Übersicht Zeugnis:

1) Beobachtungen und Bemerkungen über die Kuhpocken, mit Rücksicht auf die Einwendung des Herrn Hofrat Hertz. Berlin und Stettin 1802.
2) Das Wissenswürdigste über die häufige Bräune. 2 Bände. Lübeck 1810 und Hannover 1812.
3) Ideen zur Diagnostik. Angefangen von J. E. Wichmann, fortgesetzt von W. Sachse. 4. Band. Unter dem besonderen Titel: Beiträge zur genaueren Kenntnis und Unterscheidung der Kehlkopfs- und Luftröhren-Schwindsüchten. Hannover 1821.
4) Ideen zur Diagnostik, beobachteten Ärzten mitgeteilt von J. E. Wichmann. 1. Band. 3. Auflage. Neu bearbeitet und mit Anmerkungen versehen von W. Sachse. Hannover 1827.
5) Medizinische Beobachtungen und Bemerkungen. 1. und 2. Band. Berlin 1835 und 1839.
6) Verteidigung der Ostseebäder gegen die Verunglimpfung mehrerer Ärzte, besonders des Herrn Dr. Mühry, und Nachtrag zur Bade-Literatur. Schwerin 1837.
7) Über die neu eingerichtete Milch- und Molken-Anstalt, in Verbindung mit Seebädern und dem inneren Gebrauche des Meerwassers am Strande zu Doberan. Schwerin 1848.

Nachtrag zum Nekrolog von Sachse.

In No. 14 dieser Zeitung befindet sich ein Nekrolog von Sachse, einem als Schriftsteller und Praktiker ausgezeichneten Manne, zu dem sein langjähriger Freund L. in G. (Ob. - Med. - Rth. Dr. Litzmann in Gadebusch) sich veranlasst sah in der deutschen Klinik eine Berichtigung und Ergänzung beizufügen, welchen Bemerkungen noch einige weitere hier beigegeben werden sollen.

„Es war nicht der Professor Josephi, sondern dessen jüngerer Bruder, der 1842 als Titul. Sanitätsrat verstorben, welcher bei der Besetzung des Parchim'schen Kreisphysikats den Vorzug erhielt. Ersterer ward schon 1788 an die von Bützow nach Rostock verlegte Akademie berufen und blieb in dieser Stellung bis zu seinem Tode 1846.

Gleichfalls ist Sachse nicht erst 1812, sondern schon 10 Jahre früher, im Jahre 1802, von Parchim nach Schwerin übergesiedelt. Veranlassung gab dazu der Tod des sehr geschätzten Arztes, des Hofmedikus Bruchholz, der sich auch als Schriftsteller durch seine Abhandlung von den Kuhpocken (Berlin 1802) ein rühmliches Andenken erwarb.

Bis zum Jahre 1820 blieb Sachse in Schwerin. Als aber damals der Großherzog Friedrich Franz I. während seines dortigen Aufenthalts von seinem gewöhnlichen Asthma befallen wurde und Sachse hinzugerufen schneller und erfolgreicher das Übel bekämpfte, als es den früheren Ärzten gelungen war, musste er, zum Leibarzt ernannt, seinen Wohnort mit Ludwigslust, der gewöhnlichen Residenz, vertauschen.

Er blieb nun der unzertrennliche Begleiter des Großherzogs und folgte demselben auf allen Reisen, auch nach Doberan, dem Sommeraufenthalt des Fürsten. Hier fand er dann Gelegenheit, in einer glänzenden und gewinnreichen Badepraxis über die Heilkräfte der Seebäder zahlreiche Erfahrungen zu machen, die er späterhin in zwei geschätzten Schriften veröffentlichte.

Trotz mancher Zwischenfälle erhielt sich Sachse in der Gunst und im Vertrauen des verehrten Fürsten bis zu dessen Lebensende. Dieser gab ihm noch in einem seiner letzten Lebensjahre auf eigentümliche und schmeichelhafte Weise zu erkennen, wie sehr er Sachses ärztliches Verdienst um seine Person zu schätzen wusste. Als nämlich Sachse am ersten Tage des neuen Jahres dem Fürsten seinen Glückwunsch abstattete, überreichte ihm der Großherrzog, welcher ein Tagebuch zu führen pflegte, ein Papier, auf dem alle Jahre seit 1820, und bei jedem Jahre die Zahl der astmathischen Anfälle verzeichnet war, welche er überstanden hatte; mit jedem Jahre hatte Zahl und Heftigkeit derselben abgenommen. „Ein angenehmeres Neujahrsgeschenk" äußerte nachher Sachse, „hätte ich nicht bekommen können."

Auch hatte der Grossherzog bei seinem Tode im Jahre 1837 das hohe Alter von mehr als 80 Jahren erreicht. Sachse ging nun nach dem ihm lieb und anhänglich gebliebenen Schwerin zurück, wohin jetzt auch der Hof für den größten Teil des Jahres seinen Aufenthalt verlegte. Als Leibarzt genoss er besonders das Vertrauen der Frau Großherzogin Alexandrine, begleitete auch die hohe Frau auf einer Reise nach Petersburg und verweilte mit derselben dort längere Zeit. Während der Sommermonate war er noch immer in Doberan der von den vornehmen Badegästen viel gesuchte und viel beschäftigte Arzt.

Um diesem Kurorte einen neuen Vorzug zu verschaffen, beantragte er die Errichtung einer „Milch- und Molkenanstalt", und als das Großherzogliche Ministerium hierauf einging, bereiste der schon 74jährige Greis im Jahre 1847 mehrere ähnliche Anstalten in Schlesien und Süddeutschland, um die Einrichtungen derselben kennen zu lernen und die besten für Doberan auszuwählen (cfr. seine Schrift über die neu eingerichtete Milch- und Molkenanstalt, besprochen von Spengler: N. med.-chir. Ztg. 1848. 3. 227). Dass die Früchte dieser Reise nicht ihm, sondern einem Anderen zu Gute kamen, empfand er schmerzlich, blieb seitdem auch von Doberan zurück.

Seine Kupferstich-Sammlung, welche ihm in den letzten Jahren seines Lebens Beschäftigung und Erholung gewährte, hatte 1847 schon die Zahl von mehr als 50.000 Nummern erreicht (und war fast doppelt so gross bei seinem Tode), darunter mehr als 7.000 Bildnisse von Ärzten und Naturforschern. Über letztere erschien von ihm: Verzeichnis von Bildnissen und Naturforschern seit den ältesten bis auf unsere Zeiten, mit Biographien von Dr. J. D. W. Sachse. Erstes Heft, Schwerin 1847, VI und 94 Seiten. — Besprochen von Spengler in Henschels Janus. III. 4.

Dieses Heft enthält nur den Buchstaben A, es kommen aber darin viele Namen vor, die nur entfernt mit der Medizin und Naturwissenschaft in Verbindung stehen. Eine Fortsetzung ist nicht herausgekommen.

70.000 Stück dieser Sammlung sind an einen Kunsthändler nach Leipzig, 11-12.000 sind nach Berlin verkauft worden und 12—14.000 sind noch in Schwerin. Seine enorme Bibliothek ist größtenteils der Schweriner ärztlichen Bibliothek geschenkt worden.

Es muss zur Vervollständigung noch angeführt werden, dass Sachse, während er durch Wort und Tat, durch Schriften und ärztliches Wirken in der Achtung der Mitlebenden sich zu solcher Höhe erhob, auch mannigfacher äußerer Auszeichnung teilhaftig wurde. Nicht allein wurde er von der königl. Soc. der Wissenschaften zu Göttingen zum korrespondierenden, von der med. chir. Gesellschaft zu Berlin, dem norddeutschen Apothekerverein, dem Verein für Heilkunde in Preußen, und von dem ärztlichen Vereine in Hamburg zum Ehrenmitglied gewählt; sondern er stieg auch durch die Erteilung von Titeln und Würden von Stufe zu Stufe bis zum Großherz. Mecklenb. Geheim. Med. Rat mit dem Hang der sechsten Klasse der fürstlichen Dienerschaft, und wurde von erhabenen Händen mit dem Russischen St. Annen-Orden 2. Klasse, dem herz, sächs. Ernestinischen Hausorden, dem kgl. preuß. roten Adlerorden 2. Klasse, der grossh. mecklenb. Zivilverdienstmedaille in Gold, einer goldenen Medaille mit dem Bildnisse der Königin Therese von Bayern, einem wertvollen Brillantring von der damaligen Erbgroßherzogin Alexandrine, einer reich mit Brillanten und dem Namenszug des Königs von Preussen gezierten Dose geschmückt.

Schwerin - Totalansicht

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Schweriner Schloss

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Kurhaus

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Villen aus der Perlenkette

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Strandvillen.

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Findling.

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