Saals-Bruch - Pommersche Volkssage

Aus: Sundine: Unterhaltungsblatt für Neu-Vorpommern und Rügen, 18. Band 1844
Autor: Redakteur: F. v. Suckow, Erscheinungsjahr: 1844
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Pommern, Vorpommern, Mecklenburg-Vorpommern, Sagen und Märchen, Volkssagen, Überlieferungen, Sünde, Brot
Vor vielen, vielen Jahren lag, so lautet die Sage, in unserem Neupommern, ungefähr auf der Grenze zwischen den jetzigen Feldmarken Kirchdorf und Jeser, ein großes Dorf, dessen Einwohner, obschon dem Christentum angehörend, doch eitel Böses trieben, ohne auf die Ermahnungen ihres frommen Hirten zu achten.

****************************************
Unter den Bewohnern dieses kleinen Sodoms zeichnete sich durch seinen Übermut und Verachtung aller göttlichen und menschlichen Gesetze und Ordnungen aber der reiche Schmied, Namens Saal, aus, und so wie er unbestritten der reichste im Dorfe war, so hielt auch seine Bosheit mit seinem Reichtum gleichen Schritt, eine traurige Bestätigung des Ausspruchs, dass leichter ein Kamel durchs Nadelöhr gehe, als ein Reicher ins Himmelreich komme. –
Es lässt sich leicht denken, dass bei solcher Gesinnung der Einwohner der gute Pfarrer bei seinen sonntäglichen Erbauungsreden in voller Wahrheit leeren Wänden das Evangelium verkündete, und kein Weg weniger betreten wurde, als der zur Kirche, die etwas abseits vom übrigen Dorfe lag, und nur in ihrer Nähe die Wohnung des Schmiedes hatte, der zugleich die Schenke im Dorf führte.

Desto mehr wurde die Schmiede aus Gründen, die aus dem oben Gesagten leicht erhellen, besucht, besonders seitdem des reichen Schmieds einziges Töchlerlein und alleinige Erbin aller seiner Reichtümer das Alter erreicht hatte, welches die Schönen unserer Zeit nie überschreiten möchten, und zu dem sie, falls keine eheliche Verbindung ihre Jahre zunehmen lässt, im Laufe der Zeit mehr oder weniger zurückkehren, so dass wir fast nur von lauter 18- bis 22jährigen Schönen umgeben auf Erden wallen.
Wie denn nun in den Zeiten, von welchen wir reden, weder Chausseen noch Eisenbabnen unser Vaterland durchkreuzten und die echt pommerschen Wge passierbar machten, so waren denn auch die Wege in diesem Dorfe herzlich schlecht und zur Herbst- und Frühlingszeit größtenteils kaum passierbar, besonders solche, die wenig benutzt wurden. — Wenn nun auch bis zur Schmiede und Schenke durch fleißiges Sandfahren und Grabenziehen mit leichter Mühe und ohne Gefahr zu laufen, bis an die Hüften im Moraste zu versinken, zu gelangen war, so konnte der Weg von da bis zur Kirche mit Recht grundlos genannt werden; und keine Vorstellung von Seiten des Pfarrers hatte auch nur ein Mitglied der Gemeinde bewegen können, sein Scherflein zur Besserung des völlig versumpften Weges beizutragen. —
Es konnte nicht fehlen, dass bei der Schönheit der Schmiedtochter und dem Reichtum Ihres Vaters sich zahlreiche Freier einfänden, unter denen auch bald der reiche Jobst, wenn nicht das Wohlgefallen der Tochter, da er abschreckend hässlich war, doch im so reicheren Maße den Beifall des Vaters sich zu erwerben wusste; da er, was Reichtum und Schlechtigkeit betraf, sonder Zweifel nach unserem Schmied, der erste im Dorfe war.
Die Tränen und Bitten der Tochter wurden natürlich verlacht und der reiche Jobst als Schwiegersohn in spe an- und aufgenommen.
Der Johannistag wurde zum Hochzeitsfeste angesetzt, insbesondere aus dem Grunde, weil in dieser Jahreszeit noch am ehesten zu erwarten war, dass der bei dieser Feierlichkeit nothwendigc Weg zur Kirche ohne Fährlichkeit sich würde passieren lassen.
Von nah und fern waren der Gäste viele zu dieser Hochzeit eingeladen, denn der Schmied, obschon sonst in dem Rufe, wie weiland der reiche Mann im Evangelio, den Armen nicht die Brotsamen, welche von seiner Tafel fielen, zu gönnen und zu geben, wollte doch bei dieser Gelegenheit seinen Reichtum in voller Glorie zeigen; Wochen lang vorher wurde schon gebraten und gesotten, und Rinder, Schweine und Federvieh hatten den Tod mehr als eins ihrer wohlbeleibtesten Konsorten zu betrauern.
Wie aber bei solchen Gelegenheiten oftmals unvorhergesehene Ereignisse die Freude zu Wasser zu machen drohen, so geschah es auch hier, dass ungefähr eine Woche vor dem anberaumten Hochzeitfeste der Himmel sein bis dahin klares Angesicht mit trüben Regenwolken verschleierte und der Regen in solchem Maße vom Himmel herabstürzte, als ob schier eine zweite Sündflut hereinbrechen wollte.
Wenn nun zwar einige Tage vor der Hochzeit der Himmel sich aufklärte und den Gästen von nah und fern Erlaubnis gab, sich zum bestimmten Tage im Hochzeitshause einzufinden, so war doch der Weg von der Schmiede bis zur Kirche dadurch so unpassierbar geworden, dass allen Ernstes eine Ausbesserung desselben sofort vorgenommen werden musste, falls das ungleiche Brautpaar am anberaumten Tage getraut werden sollte. Unser Schmied nun, anstatt auf gewöhnlichem Wege diese Ausbesserung vorzunehmen, entschloss sich, teils um seinen Zorn und Trotz wider den lieben Gott, dem er die Schuld hieran beimaß, an den Tag zu legen, teils auch, um seinen Reichtum im größtem Maße zur Schau zu bringen, seine gewaltigen Mehlvorräte zu Brot verbacken und mit diesem den Weg bis zur Kirche pflastern zu lassen.
Der fromme Pfarrer schlug die Hände über dem Kopfe ob so einer entsetzlichen Gotteslästerung zusammen und beschwor den Ruchlosen, von seinem sündlichen Vorhaben abzustehen.
Ader alle Ermahnungen und Bitten, selbst das Drohen mit ewiger Verdammnis, prallten von dem Sündenpanzer, mit welchem des Gottlosen Herz umgeben war, ohne Eindruck ab, und so zog sich der fromme Mann, Gott zum Rächer dieser Tat anrufend, in seine Zelle zurück.
Der Schmied ließ nun alle Hände in Bewegung und alle Öfen in Glut setzen, um zur bestimmten Zeil den Damm von Brot aufzuführen, und war höchst erfreut am Jodannismorgen denselben vollendet zu sehn, ohne dass eine höhere Hand seinem Frevel Einhalt getan hätte.
Schon waren alle Gäste versammelt und eben sollte sich der Zug, die Musikanten an der Spitze, in Bewegung setzen. Als ein frommer Pilger, aus dem heiligen Lande zurückkehrend, vor der Schmiede erschien und den Inhaber derselben um Jesu Willen um ein Stück Brot, seinen Hunger zu stillen, ersuchte. Mit harten Worten wurde er von dem Verstockten zurückgewiesen und als er noch nicht weichen wollte, vielmehr um eins von den zu ihren Füßen liegenden, zum Damm verwendeten Brot flehend bat, durch den, über die Zögerung des Zuges höchstlich erbosten Schmied, unter dem Jubel der halbtrunkenen Gäste, mit den Hunden von dannen gehetzt. — Der Fluch des Himmels den der ehrwürdige Pilger über die schandbare Versammlung aussprach, wurde verlacht, und der Zug betrat den Brotdamm. — Kaum befanden sich jedoch sämtliche Gäste auf demselben, als urplötzlich Kirche, Damm und Schmiede mit allem darin und darauf befindlichen in die Erde versank. Ein sumpfiger Bruch nahm ihre Stelle ein.
Der Ort, wo Kirche und Schmiede stand, wurde von einem tiefen, die Sage lautet grundlosen mit Wasser gefülltem Loche bedeckt, noch jetzt unter dem Namen: „Groß und klein Saals-Bruch“ in jener Gegend zu finden, ein totes Meer im Kleinen.

Wirtshaus

Wirtshaus