Russisches enzyklopädisches Wörterbuch

Aus: Russische Revue. Monatsschrift für die Kunde Russlands
Autor: Herausgegeben von J. N. Beresin, Professor an der St. Petersburger Universität., Erscheinungsjahr: 1878

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Russen, Nachschlagewerk, Bildungsmittel, Fachwissen, Allgemeinwissen, Bevölkerung, Wörterbuch, Geschichte, Geographie, Naturleben, Kultursprache, Lexikon
Wie wir in der neuen Ära in Russland (seit Beendigung des Krimkrieges) einen großen Aufschwung auf allen Gebieten des geistigen und materiellen Lebens des Volkes finden, so auch auf dem Gebiete der Volksbildung: die Staatsregierung wie auch die Gesellschaft hat in dieser Zeit Großes geleistet. Wir brauchen nur auf die rastlose Tätigkeit des Ministeriums der Volksaufklärung in Betreff der Errichtung neuer Schulen, der Erweiterung bestehender Schulen, der Verbesserung und Erweiterung der Schulprogramme, der Förderung wissenschaftlicher Gesellschaften hinzuweisen, auf das große Anschwellen der Literatur sowohl auf den Gebieten der Fachwissenschaften als auch auf dem der allgemeinen Bildung. Eine ganze Reihe von Zeitschriften, von populären Schriften etc. gewährt, dem, der Schule entwachsenen Teil der Bevölkerung die Möglichkeit, den Kreis der erworbenen Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen.

Hierbei machte sich eine Lücke in der Literatur empfindlich fühlbar: es fehlte an einem enzyklopädischen Werk, das dem Wissensdurstigen die Möglichkeit bot, ohne Mühe und Zeitverlust sich schnell über eine betreuende Frage zu orientieren. Die große Bedeutung dieses Bildungsmittels ist in West-Europa schon längst erkannt. Eine große Anzahl solcher allgemeiner enzyklopädischer Werke ist in allen westeuropäischen Kultursprachen vorhanden und sie finden einen bedeutenden Absatz. Fast in keinem Hause der gebildeten Stände fehlt ein solches Werk. Selbst Völker mit geringem Sprachgebiet besitzen ein solches Bildungsmittel: unter den slawischen Stämmen können wir hier die Polen und die Czechen nennen.

Das große russische Volk besaß bis vor Kurzem kein irgendwie genügendes und vollständiges. Die beiden groß angelegten Werke dieser Art, das von Plüscher und das Enzyklopädische Wörterbuch sind noch lange nicht vollendet, das Wörterbuch von Startschewskij und das von Toll entsprechen den heutigen Bedürfnissen in keiner Weise.

Es gebührt dem Professor der hiesigen Universität Hrn. J. Beresin das Verdienst, diese Lücke unter den russischen Bildungsmitteln beseitigt zu haben: seit 1873 gibt er unter dem obengenannten Titel sein großes enzyklopädisches Wörterbuch heraus, das in Kurzem zu Ende geführt sein wird. Es ist auf sechzehn Bände, die in Lieferungen erscheinen, angelegt.

Wie es der Titel bereits andeutet, wird in diesem Werke insbesondere auf Russland Aufmerksamkeit verwandt. In ausführlicher Weise, wie es der Rahmen des Wörterbuches gestattet, werden die Geschichte, Geographie, Ethnographie, Statistik Russlands, die Geschichte der russischen Literatur und Künste, die Gesetzgebung, Verwaltung, Handel, Gewerbe etc. etc., wie andererseits auch das Tier- und Pflanzenreich und das gesamte Naturleben Russlands behandelt. Sodann wird auch die slawische Welt und endlich — wegen der bedeutungsvollen und für die russische Kulturentwicklung wichtigen Beziehungen Russlands zu Byzanz — die byzantinische Geschichte und Kultur in größerer Ausführlichkeit besprochen. Demnach dient dieses Lexikon auch als eine wichtige Ergänzung zu den zahlreichen west-europäischen, in denen der russischen und der slawischen Welt überhaupt nur ein geringer Raum geboten wird.

Wenn schon der Name des Herausgebers für die Gediegenheit des Gebotenen bürgt, so wird ein Jeder, der auch nur flüchtig einen Band durchblättert, sich bald davon überzeugen, in wie vortrefflicher Weise die dem Unternehmen gestellte Aufgabe gelöst ist. Es muss Solches um so höher veranschlagt werden, als die Herausgabe eines russischen Werkes dieser Art mit ungleich größeren Schwierigkeiten zu kämpfen hat, als die Herausgabe eines solchen Werkes in irgend einer anderen Kultursprache. Der Kreis der Personen, die zur Mitarbeiterschaft herangezogen werden könnte, ist ein weit beschränkterer als in West-Europa; dabei sind gerade diejenigen Partien des Lexikons, auf die der Herausgeber besonders sein Augenmerk — Russland und überhaupt die slawische Welt — richtet, zum großen Teil noch wenig bearbeitet. Die Bearbeitung einer Reihe von Artikeln war keine einfache kompilatorische Arbeit, sondern sie erforderte häufig eine selbstständige wissenschaftliche Untersuchung. So tragen denn auch manche Artikel den Charakter wissenschaftlicher Monographien.

Je größer die Schwierigkeiten sind, die sich diesem großartigen Unternehmen entgegentürmen und die nur seltene, unermüdliche Tatkraft und eiserner Fleiß überwinden kann, um so höher ist das Verdienst zu veranschlagen, welches sich der Herausgeber um die Bildung seines Volkes erwirbt. Es ist — bei dem Mangel hierzu geeigneter Schriften — äußerst schwierig, sich über, auf Russland bezügliche Fragen zu orientieren; nur mit großer Mühe und bedeutendem Zeitaufwand lässt sich aus zerstreuten Werken das Gewünschte zusammensuchen, und dabei muss noch Kritik geübt werden, die nicht Jedermanns Sache ist — hier hilft nun Professor Beresins Werk in vortrefflicher Weise. Der praktische Wert des Lexikons wird noch dadurch bedeutend erhöht, dass in den betreuenden Artikeln die jüngste Vergangenheit besonders ausführlich behandelt wird.

Es sei uns schließlich noch gestattet, einen kleinen Übelstand, der übrigens mit dem Erscheinen einer jeden neuen Lieferung sich stetig vermindert, zu vermerken. Das Werk erscheint nicht fortlaufend nach dem Alphabet. Der Herausgeber war hierzu gezwungen: sollte das Erscheinen des Werkes sich nicht ungebührlich verzögern, so mussten diejenigen Lieferungen, für welche das Material druckbereit vorlag, auch, abgesehen von der Reihenfolge des Alphabets, sogleich erscheinen. So ist es denn auch dem Herausgeber möglich gewesen, trotz der großen Schwierigkeiten die Lieferungen ohne Verzögerung und Unterbrechung, die bei derartigen Werken so leicht und so häufig entstehen, erscheinen zu lassen. J. K.

013 St. Petersburg, Der Narwa- Triumphbogen (Errichtet 1816)

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006 Das Denkmal Peters des Großen

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009 St. Petersburg, Die Isaakskirche

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