Rostock, Verordnung vom 17. September 1845, betreffend die Wegschaffung der Strohdächer und hölzernen Giebel in Warnemünde

Aus: Sammlung der Rostocker Verordnungen und Bekanntmachungen vom 1. Januar 1845 bis Anfang August 1860
Autor: Amtliche Ausgabe, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Warnemünde, Brandschutz, Bauordnung
Da die Strohdächer und hölzernen Giebel der Gebäude zu Warnemünde große Feuersgefahr für den ganzen Ort herbeiführen, so verordnet E. E. Rat mit Zustimmung der Ehrl. Bürgerschaft, zur Abhilfe dieses Übelstandes Folgendes:

1) Die Einrichtung von Strohbedachungen und hölzernen Giebeln bei Neubauten wird gänzlich untersagt, und es dürfen fortan nur Ziegeldächer und massive, oder doch mit Ziegelsteinen ausgemauerte Giebel angewendet werden, insofern als nicht, in Grundlage der Bestimmung unter Nr. 3 ein Anderes obrigkeitlich und ausdrücklich verstattet worden ist.

2) Hinsichtlich aller vor der Bekanntmachung dieser Verordnung bereits errichteten, mit Stroh gedeckten und mit hölzernen Giebeln versehenen Gebäude sollen nachfolgende Vorschriften angewendet werden:

a. Wenn ein solches Gebäude durch Erbgang, Kauf, Tausch, Schenkung, oder aus irgend einem anderen Rechtsgrunde auf einen neuen Eigentümer übergeht, so hat dieser binnen Jahresfrist, von dem Tage des Überganges an gerechnet, die Strohbedachung und hölzernen Giebel zu entfernen, und an deren Stelle Ziegeldächer und massive, oder doch mit Ziegelsteinen ausgemauerte Giebel einzurichten, insofern nicht, in Gemäßheit der Bestimmung unter Nr. 3 die Legung eines andern Daches obrigkeitlich genehmigt worden ist.

Nur Wenn nachgebliebene minderjährige Kinder und Ehegatten aus dem Nachlasse ihrer verstorbenen resp. Eltern und Ehegatten ein solches Gebäude erben und im gemeinschaftlichen ungeteilten Eigentume des Letzteren verbleiben, soll während der Dauer solcher Gemeinschaftlichkeit die vorbemerkte Verpflichtung zur Entfernung der Strohdächer und hölzernen Giebel erst dann in Wirksamkeit treten, wenn entweder sämtliche Kinder volljährig geworden oder verheiratet sind, wenn ferner die nachstehend unter o. bemerkten Reparaturen erforderlich werden, und wenn die unter d. bestimmte neunjährige Frist verstrichen ist, nach deren Ablaufe zwischen volljährigen und minderjährigen Erben in fraglicher Hinsicht kein Unterschied weiter gemacht wird.

b. Werden die mit Strohdächern und hölzernen Giebeln versehenen Gebäude neu durchgekaut — wohin die Legung neuer Sohlen, die Aufführung neuer Wände, ja selbst die Einbringung neuer Ständer und Riegel und dergleichen, gerechnet werden soll — so müssen gleichzeitig die vorschriftsmäßigen Ziegeldächer und massiven oder ausgemauerten Giebel hergestellt werden. Dieselbe Verpflichtung tritt auch dann ein, wenn an den vorhandenen Strohdächern und hölzernen Giebeln sich erhebliche Reparaturen vernotwendigen.

c. Diejenigen Strohdächer und hölzernen Giebel, welche beim Ablaufe eines, von Michaelis dieses Jahres an zu berechnenden, neunjährigen Zeitraums noch bestehen, weil sie inzwischen von den Vorschriften unter a. und b. nicht ergriffen wurden, müssen während des nächstfolgenden zehnten Jahres entfernt und durch Ziegeldächer oder nach den Vorschriften unter Nr. 3 verstattete anderweitige Bedachungen und massive oder ausgemauerte Giebel ersetzt werden.

d. Wer vor dem Ablaufe der obstehend unter c. bemerkten neun Jahre seine Strohdächer und hölzernen Giebel entfernt und in erlaubter Art ersetzt, ohne durch die obigen Bestimmungen unter a. und b. dazu angewiesen zu sein, der hat für die vom Zeitpunkte der freiwillig getroffenen Veränderung an laufende Zeit bis zum Ende der neunjährigen Frist, den Erlass des Grundstückenschosses und des Hausgeldes hinsichtlich der betreffenden Gebäude zu erwarten.

3) Andere Bedachungen als Ziegeldächer — z. B. Papierdächer — dürfen nur erst nach voraufgängig erteilter ortsobrigkeitlicher Erlaubnis des L. Gewettes eingerichtet werden.

4) Derjenige, welcher die obstehend unter l, 2, a. b. o. und 3 erteilten Vorschriften unbefolgt lässt, verfällt in eine, der Warnemünder Armenkasse zufließende, sofort exekutionsfähige Strafe von 25 Thlr. N 2/3 und hat außerdem die unerlaubten Bedachungen und Giebeln sofort zu entfernen, widrigenfalls aber entsprechende Strafverfügungen des L. Gewettes und nach Befinden obrigkeitliche Anordnung der Entfernung auf seine Kosten zu erwarten. Bei etwanigem Unvermögen des Kontravenienten soll die Geldbuße in verhältnismäßige Gefängnisstrafe verwandelt werden.

5) Wer an einem mit Strohbedachung und hölzernem Giebel versehenen Gebäude eine Reparatur vorzunehmen, nicht aber gleichzeitig ein Ziegeldach und einen massiven oder ausgemauerten Giebel einzurichten beabsichtigt, der hat davon, vor dem Beginn der Reparatur, unter genauer Angabe der Art und des Umfanges der Letzteren, dem Voigte zu Warnemünde die Anzeige zu machen, worauf dann dieser an das L. Gewett berichten wird, welches darüber zu entscheiden hat: ob und inwiefern die beabsichtigte Reparatur in Gemäßheit der Vorschriften dieser Verordnung, die Entfernung des Strohdaches und der hölzernen Giebel notwendig macht oder nicht.

Zu einer gleichen voraufgängigen Anzeige beim Voigte sind diejenigen verbunden, welche bei Neubauten andere als Ziegeldächer einzurichten beabsichtigen.

Wer die vorgeschriebene Anzeige unterlässt und vor ergangener Gewettsbestimmung die fragliche Arbeit beginnt, der verfällt in eine ebenfalls der Warnemünder Armenkasse zufließende, sofort exekutionsfähige, und im Falle des Unvermögens in Gefängnisstrafe zu verwandelnde Geldbuße von 5 Thlr. N 2/3.

6) Gegen Verfügungen des L. Gewettes, welche die Anwendung und Aufrechterhaltung dieser Verordnung bezielen, findet nur allein der Rekurs an E. E. Rat statt, bei dessen Bestimmungen es unabänderlich verbleibt. Das Verfahren des L. Gewettes wird aber nicht durch bloße Rekursanzeigen, sondern nur erst durch die bei E. E. Rat erwirkten Inhibitorialen aufgehalten, und es sind daher die Gewettsbestimmungen bis auf anderweitige Verfügung E. E. Rates zu befolgen, namentlich dürfen untersagte Bauten und Reparaturen nicht begonnen werden, bevor E. E. Rat sie in der Rekursinstanz etwa freigegeben hat.

Diese Verordnung soll durch das Amtsblatt zur allgemeinen Kenntnis gebracht, auch vom Löbl. Gewette den Warnemündern speziell publiziert werden und von da an in Wirksamkeit treten.

Rostock, den 27. September 1845.
J. C. T. Stever, Protonotarius

Rostock-Warnemünde, Alter Strom, Eisgang 1968

Rostock-Warnemünde, Alter Strom, Eisgang 1968